027 BUCH SECHS - Ladon

23 1 0
                                    

Dieser Ort war wirklich voller Magie. Cieran hatte mich in eine Grotte hinter dem Wasserfall geführt, in der ein Baum in einer Art Brunnen stand. Dieser Baum war der Knotenpunkt der Magie, von der Cieran zuvor gesprochen hatte.

Er erzählte mir ein wenig über Nar-Sciath, den Baum und die Kristalle, die in seinem Stamm steckten.

"Darüber habe ich versucht, Kontakt mit dir aufzunehmen", beendete Cieran schließlich seine Ausführungen.

Wir saßen am Rand des Brunnens, in den die Wurzeln des Baumes ragten, hielten einander an der Hand.

"Ich habe dich gehört. Du hast nach mir gerufen und ich habe deine Präsenz gespürt, zusammen mit einer starken Magie. Jetzt weiß ich, woher sie kam", meinte ich und sah zu dem Baum. Er war nicht sonderlich groß, aber dennoch strahlte er neben der Magie, uralte Standhaftigkeit und Weisheit aus.

"Ich konnte dich sogar sehen, aber nicht, wo du warst", sagte Cieran und sah mich dann abwartend an. Jetzt war ich wohl dran, zu erzählen.

"Es war ein ziemlich langer Weg, bis ich überhaupt wieder auf der Insel war", setzte ich an, begann dann aber zunächst davon zu erzählen, wie ich seine Spur in Tofania verfolgt hatte.

"In Acazia sind wir aber nie angekommen. Ein Sturm hat uns nach Norden gedrängt, ein zweiter das Schiff zum Kentern gebracht. Für einen Moment habe ich wirklich gedacht, dass ich sterben würde, als ich über Bord ging."

"Aber das bist du nicht, den Göttern sei Dank", warf Cieran ein, drückte meine Hand.

Ich erwiderte seine Geste mit einem warmen Lächeln.

"Nein, offensichtlich bin ich das nicht. Wobei ich auch nicht weiß, ob es so gut ausgegangen wäre, hätte Lyr mir nicht geholfen."

"Lyr?", hakte Cieran nach.

"Er ist ein Elf, der als Heiler auf Elerain lebt.
Dort hat er mich gefunden, als ich nach dem Sturm bewusstlos am Strand lag und bei sich aufgenommen."

"Ein Elf? Bist du dir sicher?"

Cieran sah mich ungläubig an und ich wusste, dass er an Cystenian dachte, der Drachen gehasst hatte. Und immer noch hasste.

"Ich bin mir sicher. Er hat schnell bemerkt, was ich bin, aber er hat mir nie etwas getan. Er hat mir an Neumond sogar geholfen. Durch einen seiner Kräutertränke habe ich die ganze Verwandlung über geschlafen."

"Elfen sind wirklich sonderbar. Manche wollen alle deiner Art auslöschen, andere begrüßen dich als Freund", meinte Cieran.

Ich schmunzelte ein wenig, erinnerte mich wieder daran, dass ich Lyr immer noch keine Botschaft hatte zukommen lassen. Das durfte ich nicht so schnell vergessen.

"Und wie bist du nach Gorian gekommen? Im Winter setzt kein Schiff von Elerain aufs Festland über, wegen der Stürme", fragte Cieran, wissbegierig über meine weitere Reise.

"Ich bin mit einem Boot alleine an die Küste von Elerain gefahren und von dort aus weiter ins Landesinnere. Schließlich habe ich mich einem Rekrutierer deiner Rebellen angeschlossen."

"Doch nicht etwa Khrysor? Er ist nach Erain gegangen, kurz bevor ich hierher gekommen bin."

"Doch, es war Khrysor."

Wir beide lachten, die Stimmung war so unbeschwert wie schon lange nicht mehr.

"Das bedeutet...Wir haben uns nur um einige Tage verpasst, oder?", stellte Cieran dann fest und ich nickte, immer noch leicht lachend.

"Hätte Dyana mich doch erst später gerufen. Dann hätten wir zusammen hierher gehen können und wären nicht so lange getrennt gewesen", meinte Cieran dann und legte seinen Kopf auf meine Schulter.

Ich legte meinen Kopf sachte auf seinem ab, genoss Cierans Nähe und zog seinen Geruch ein. Ich konnte ihn nicht definieren, selbst wenn ich es versucht hätte. Es war einfach Cieran.

"Dyana ist die alte Frau von vorhin oder?", fragte ich dann nach einem Moment der Stille und ich spürte wie Cieran auf meiner Schulter nickte.

"Und wer ist sie?"

"Diejenige, die euch beiden den Hintern versohlen wird, wenn ihr nochmal meint, sie austricksen zu können."

Dyanas Stimme schallte durch die Grotte, bevor Cieran überhaupt den Mund öffnen konnte.

Cieran fuhr nach oben, wohl daran denkend, wie ihr Kommentar zu unserem Kuss vorhin gelautet hatte. Seine Hand blieb jedoch in meiner, unsere Finger verflochten.

Erstaunlich schnell für ihr Alter kam Dyana auf uns zu.

Ich sah ein paar Mal zwischen ihr und Cieran hin und her, unsicher, ob ich etwas sagen sollte, vielleicht mich vorstellen.

"Da ihr jetzt beide endlich hier seid, kann euer Unterricht beginnen."

"Unterricht?", fragte ich.

"Hat man dir etwa auch nichts beigebracht, Ladon?"

Verwirrt sah ich Dyana an, während sie mich mit einem merkwürdigen Ausdruck in ihren Augen musterte. Als wüsste sie, wer ich war und zwar nicht unbedingt von Cieran.

"Natürlich nicht", seufzte Dyana, doch dann verdunkelte sich ihr Blick, ein Schleier der Trauer zog sich durch ihre hellbraunen Augen. "Wie auch...", murmelte sie leise, was nun auch Cieran zu verwirren schien.

"Was meinst du damit?", fragte er.

Dyana schüttelte leicht den Kopf, bevor sie antwortete.

"Das ist eine Geschichte für ein anderes Mal."

Eigentlich wollte ich nicht auf eine Antwort warten, aber es blieb mir wohl nichts anderes übrig.

"Zuerst brauchst du etwas zu essen, Ladon. Du hast dich wohl verwandelt, um schneller hierher zu kommen, nicht wahr?"

"Ja, habe ich. Aber woher weißt du das?"

"Glaub mir, Junge, ich erkenne einen Drache, der noch von der Verwandlung erschöpft ist. Auch wenn er gerade sehr aufgeregt ist, weil er seinen Reiter wiedergefunden und direkt zur Hälfte verschlungen hat."

Sie ließ uns keine Zeit, zu reagieren, sondern lief wieder zurück aus der Grotte hinaus und winkte uns zu, als Zeichen, dass wir ihr folgen sollten.

Diesmal hörten wir auf sie, folgten ihr Hand in Hand aus der Grotte mit dem Baum und über den Pfad zurück zum steinernen Drachenkopf.

Dort bleib Dyana kurz stehen und hob etwas vom Boden auf.

"Du hast was verloren", meinte sie dann und warf mir Lyr's Schwert zu. Ich fing es etwas unbeholfen auf, war froh darüber, dass es in der Scheide steckte.

"Nächstes Mal hebe ich dir aber nichts auf", sagte Dyana noch, bevor sie uns weiter zu einem kleinen, noch bewohnbaren Haus führte.

Ich wusste zwar noch nicht wirklich, wer diese alte Frau war, aber ich mochte sie. Ihre strenge, aber dennoch sarkastische Art machten sie mir sympathisch, auch wenn sie bisher nicht allzu freundliche Worte an Cieran und mich gerichtet hatte.

Legenden von Patria - Der Baum der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt