041 BUCH SIEBEN - Cieran

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"Wenn ich hiergeblieben wäre, würde es dir gut gehen. Und dein Vater würde noch leben."

"Das weißt du nicht, Cieran", erwiderte Atarah bestimmt, beugte sich zu mir nach vorne und legte eine Hand auf meinem Oberschenkel ab. "Es kam, wie es kommen musste."

Es kam, wie es kommen musste. So war es auch im Gespräch gewesen, das ich Lady Derwen und dem selbsternannten Fürst Firven mühsam von den Lippen hatte ringen können.

Stunden hatte es gedauert, bis tief in die Nacht hinein wurden sich immer neue Schuldzuweisungen an den Kopf geworfen, bis ich irgendwann verstand, dass es um reine Gebietsstreitigkeiten ging. Wer bekam das Händlerviertel, wer kontrollierte das Stadttor, und das nicht nur in Soria, sondern in halb Erdeas, das inzwischen von den Firvens und Derwens kontrolliert wurde. Die Morwyrs hatten sich bisher nicht eingemischt, ihre Landstreitkraft war zu schwach, um gegen einen der beiden Clans Bestand zu haben, zweifelsohne sammelte sich ihre Flotte nun in Illea, um mit Levian eine neue Armee aufzubauen.

Es war um jeden einzelnen Baum, jeden kleinen Weiler gestritten worden, doch am Ende waren wir zu einer Einigung gekommen, die zwar keinen der beiden wirklich zufriedenstellte, aber auch keinen in eine mächtigere Stellung hob. Ein gemeinsamer Feind würde die Zusammenarbeit sicher stärken, die versprengten Truppen der Deviniaths hatten sich in der Hauptstadt Asarion gesammelt. Würde Asarion fallen, wäre Deas besiegt - und damit ein wichtiger Brückenkopf zum Vormarsch nach Gideas und Giar geschaffen.

Das war nun also unser neu vereinbartes Ziel - gemeinsam Asarion erobern.

Schon in wenigen Tagen wollten wir aufbrechen, Gunborg Derwen und Leander Firven hatten keinen Zweifel am Sieg unserer Armee. Und vielleicht würde dieser Sieg die beiden ja tatsächlich so eng aneinander binden, dass sie in Asarion nicht sofort wieder versuchen würden, sich gegenseitig umzubringen.

"Ihr habt doch Euren Drachen, oder, Lord Blayd? Damit sollten wir kein Problem haben, durch die Tore Asarions zu brechen."

Darum würde wohl kein Weg führen. Wieder eine Schlacht, die Belagerung einer befestigten Stadt diesmal. Natürlich hatte ich die Fragen der beiden nicht beantwortet, wo ich meinen Drachen gelassen hätte.

Und nun saß ich hier, in der Villa des Statthalters, in Atarahs Gemach. Gunborg hatte sich nach dem Gespräch etwas beruhigt, hielt ihre Blutlust im Zaum, sodass ich es für akzeptabel erachtet hatte, Atarah Firven einen diplomatischen Besuch abzustatten.

Aber ich erinnerte mich noch zurück an Leanders Kommentar. Ladon, meine Hure. Meine Hure war Ladon sicher nicht, doch er hatte damit einen wunden Punkt getroffen, auf den Gunborg mich später noch angesprochen hatte, nachdem die Firvens den Ort verlassen hatte.

"Kleiner, wenn du darauf stehst, deinen Leibwächter in den Arsch zu ficken, habe ich kein Problem damit." Ich hatte nicht gewusst, was ich darauf antworten sollte, doch sie hatte ohnehin fortgesetzt: "Oder bist du es, der in den Arsch gefickt werden will?"

Glücklicherweise hatte sie darauf keine Antwort erwartet, nur ihr polterndes Lachen gelacht und mir heftig auf den Rücken geschlagen, bevor sie verschwunden war.

"Es tut mir leid, dass ich nicht da war."

"Du wurdest entführt, es ist nicht deine Schuld."

"Nachdem ich... entkommen konnte, kam ich auch nicht zurück."

Jetzt drückte Atarah mit ihrer Hand sanft meinen Oberschenkel. "Cieran, hör auf. Jetzt bist du hier, und das, bevor die alte Kuh der Derwens irgendwem den Schädel spalten konnte."

Ich lächelte leicht und senkte zustimmend den Kopf. "Gunborg war schon immer etwas impulsiv. Das liegt den Derwens im Blut."

Ladon stand vor der Tür, gemäß der Aufgabe eines Leibwächters. Nicht, dass Atarah etwas dagegen gehabt hätte, ihn drinnen zu haben - wir wollten nur Leander keinen weiteren Grund geben, Gerüchte über uns zu verbreiten. Gerüchte, die insbesondere innerhalb der Truppen der Firvens nicht förderlich für mich sein würden.

"Ich liebe dich", flüsterte ich Ladon über unser Band zu, ohne dafür den Mund öffnen zu müssen. Er antwortete nicht, aber eine Wärme floss zu mir zurück, die mich breiter lächeln ließ.

Atarah zog die Hand wieder von mir und lehnte sich zurück, das Bein, das sie sich beim Angriff auf Acazia gebrochen hatte, lag auf einem Schemel neben mir. "Du hast deine Sache gut gemacht. Aber jetzt solltest du etwas schlafen."

"Tut mir leid, ich kam mitten in der Nacht und habe dich vom Schlafen abgehalten...", bemerkte ich erst jetzt entschuldigend, ein Blick aus dem Fenster verriet mir, dass bereits die Morgendämmerung einsetzte.

"Als hätte ich noch ruhig schlafen können, nachdem ich dich gesehen habe - lebendiger als je zuvor, ein geborener Diplomat."

"Ich versuche mein Bestes", bestätigte ich dankend.

"Wollt ihr hier schlafen? Leander wird es hassen, aber das ist mir egal. Wir haben ein paar freie Zimmer."

"Danke, aber Ladon und ich werden uns für diese Nacht etwas eigenes suchen. Ich glaube nicht, dass es ratsam wäre, einer der beiden Seiten so viel persönliches Vertrauen zuzusprechen, bei ihnen zu übernachten."

Atarah verstand und nickte. "Dann eine gute Nacht, Cieran Blayd."

Ich verließ den Raum und machte mich auf den Weg zum Ausgang der Villa, Ladon unmittelbar hinter mir.

"Ein anstrengender Tag", bekannte er, nachdem wir die Wachen der Firvens am Gittertor hinter uns gelassen und in die nächste Straße eingebogen waren.

Ich nickte nur, antwortete nicht.

Es gab eine Menge verlassener, ansehnlicher Stadthäuser hier - die Elite von Deas hatte zweifelsohne ihre Sachen gepackt um nach Asarion zu fliehen, nachdem die vereinte Armee von Firvens und Derwens hier angerückt war.

Schnell hatten wir also eins gefunden, kaum waren wir drinnen, sagte Ladon: "Wir könnten mal nachsehen, ob es hier..."

Während er sprach, schloss ich die Tür des Hauses hinter uns und drückte ihn dann an den Schultern fest gegen die Wand, unterbrach damit den Satz, den er gerade hatte aussprechen wollen.

"Nein", widersprach ich ihm mit bebender Stimme, heiße Erregung durchschoss mich, ich wusste nicht einmal, was er hatte sagen wollen. Es war mir auch egal.

Ich küsste ihn, presste mich gegen ihn, Ladon war überrumpelt, erwiderte meine Bewegungen aber, war bald ebenso von Lust erfüllt, wie ich es war.

Gemeinsam stolperten wir durch das Erdgeschoss des mehrstöckigen Hauses auf der Suche nach einer passenden Unterlage, fanden einen Tisch im Esszimmer. Dann taten wir es.

Legenden von Patria - Der Baum der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt