048 BUCH SIEBEN - Ladon

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Ich rannte quer durch das Lager, ignorierte die merkwürdigen Blicke der Soldaten. Etwas hatte Cieran aufgeschreckt, ich spürte es, spürte das Band erzittern.

Ich hatte alles stehen und liegen gelassen, war eigentlich gerade dabei gewesen, für Cieran und mich etwas zu Essen zu holen.

Erinnerungen schossen durch mein Gedächtnis, Erinnerungen von der Nacht, in der Cieran in Lavandia entführt wurde und ich nicht dagewesen war, um ihm zu helfen. Noch einmal durfte das nicht passieren. Er war ohnehin viel zu lange ein Stück außerhalb des Lagers geblieben und das allein.

Zwischen den letzten Zeltreihen hindurch sah ich Cieran neben einem Baum stehen, den Rücken zu mir, die Hand an seinem Schwert. Vor ihm eine hochgewachsene Gestalt, eine Frau - nein, eine Elfe.

Wie kam sie hierher?

Ich zögerte nicht, ging weiter auf die beiden zu. Dabei bemühte ich mich, das Band zu Cieran nicht zu verwenden, es so locker wie möglich zu lassen, denn ich erinnerte mich an Lyr. Er hatte die Magie gespürt, als ich versucht hatte, Cieran zu erreichen. Vielleicht konnte diese Elfe das auch und sie musste nicht von vorne herein wissen, dass ich der Drache war, von dem alle Welt sprach.

"Was für ein Angebot? Wer bist du?", hörte ich Cieran fragen. Er drehte sich nicht zu mir um, doch ich wusste, er spürte, dass ich da war.

Die Elfe wandte ihren Blick zu mir, zögerte mit ihrer Antwort.

"Lord Blayd hat Euch eine Frage gestellt", sagte ich und die Elfe sah wieder zu Cieran.

"Es geht um Asarion", meinte sie dann, "Ich kann Euch einen Weg hinein verschaffen."

Cieran schwieg kurz, schien zu überlegen, ob er der Elfe wirklich glauben sollte.

"Das besprechen wir am besten mit allen Heerführern", meinte er dann und deutete auf das Lager.

"Mylord, seid Ihr Euch sicher, dass...?", setzte ich an, denn ich vertraute der Elfe noch nicht so wirklich. Sie in unser Lager zu lassen, so nah bei Asarion, so nah beim Feind, erschien mir keine gute Idee. Doch Cieran schnitt mir mit einem kurzen Blick das Wort ab.

Als wir das Lager mit einer Elfe an unserer Seite betraten, starrten die Soldaten sie an, ungläubig, manche auch ehrfürchtig. Noch nie hatten sie eine Elfe gesehen, viele hielten sie wahrscheinlich sogar für ausgestorben.

Cieran führte die Elfe ins Herz des Lagers, zum großen Zelt, in dem meist die Besprechungen zur weiteren Kriegszügen abgehalten wurden.

Kurz bevor er ins Zelt trat, drehte er sich zu mir um. "Hol die anderen. Sag ihnen, sie sollen sofort kommen, es ist wichtig", sagte er zu mir. Es war kein Befehl, aber auch keine Bitte. Irgendetwas dazwischen, was zwar verhinderte, dass man unsere Beziehung infrage stellte, aber auch nicht so, dass ich das Gefühl hatte, aufgrund meiner Herkunft weniger wert zu sein.

"Natürlich, Mylord", entgegnete ich und machte mich schnell auf den Weg. Dennoch hatte ich ein mulmiges Gefühl, Cieran mit dieser Elfe alleinzulassen. Was, wenn sie ihm doch etwas antun wollte?

Lady Derwen war nicht schwer zu finden. Mit lauter Stimme machte sie wieder einmal einen Soldaten zur Schnecke. Diesmal allerdings, ohne ihm die Hände abzuhacken.

Ich blieb stehen, wartete, bis der Soldat schnell und mit gesenktem Kopf davongelaufen war. "Lord Blayd erwartet Euch im großen Zelt. Es ist wichtig", sagte ich ohne Lady Derwen direkt anzusprechen. Ich wusste, dass sie es nicht leiden konnte, wenn man sie Lady nannte, doch sie bei ihrem Vornamen zu nennen, erschien mir als Leibwächter dann doch nicht höflich genug.

"Ist etwas passiert?", fragte sie, steckte ihre Streitaxt, mit der sie zuvor noch den Soldaten bedroht hatte, wieder in die Halterung an ihrem Rücken.

"Nicht direkt", antwortete ich ausweichend, hielt es für das beste, wenn ich noch nichts von der Elfe erzählte. Lady Derwen nickte, machte sich auf den Weg zum großen Zelt.

Legenden von Patria - Der Baum der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt