Kap. 44 - Im Reich der Füchse

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Am Vormittag war immernoch keine Spur von den beiden Vertrauten Geistern zu sehen. Ich stöhnte genervt und drehte mich zu Shinku um.
"Wo bleiben die denn?!"
Wir hatten es uns auf einer kleinen Wiese unter einem Kastanienbaum gemütlich gemacht und warteten auf Urufumaza und Xin Lin.
"Keine Ahnung."
Wir sprangen zeitgleich auf, als ein Schrei über den Platz hallte.
"Ein Monster! Ein Löwe! Hilfe!"
Das war dann wohl unser Stichwort. Ich wollte gerade in die Richtung laufen, aus der der Laut gekommen war, als mir die große Wölfin auch schon entgegen kam - und zwar in voller Größe. Mürrisch legte sie sich vor mir auf den Boden ohne die verängstigt kreischenden Menschen zu beachten.
"Ich bin kein Löwe..."
Sie knurrte laut. Soviel zu unauffällig...
"Äh, ich freue mich ja dass du gekommen bist aber-"
"Festhalten Hime-Sama."
"Wahh!"
Sie hatte mich kurzerhand wie einen Welpen am Nackenteil meines Kimonos gepackt und sprang mit mir im Schlepptau über die Hausdächer davon.
"Und ich?!"
Doch Shinkus Ruf verklang bereits in der Ferne, denn Urufumaza legte mit wenigen Sprüngen mehrere Kilometer zurück.
"Bitte lass mich runter, ich bin doch kein Welpe!"
Sie ignorierte meinen Protest.
"Natürlich seit Ihr das."
Ich wusste ja schon dass ich ihrer Meinung nach zu ihren Welpen gehörte, aber das ging zu weit. Ich fing an zu zappeln.
"Dann lass mich wenigstens auf deinem Rücken reiten",
jammerte ich verzweifelt. Ich hing hier wie ein nasser Sack! Ich war nicht so eitel wie Izaya aber ich hatte dennoch meinen Stolz. Sie nuschelte mit vollem Maul irgendetwas vor sich hin, setzte mich dann aber auf ihren Rücken. Erleichtert schmiegte ich mich in ihr weiches Fell. Im nächsten Moment stand Xin Lin neben uns. Sie hatte Shinku ebenfalls am Nackenteil gepackt und so baumelte er sichtlich genervt aus ihrer weichen Schnauze.
"Lass mich los!"
Sie reagierte nicht.
"Bitte..."
Damit wurde auch er auf ihrem Rücken abgesetzt.
"Ich schlage vor wir brechen auf. Es ist nicht mehr weit, aber wir wollen auch nicht trödeln."
Shinku und ich warfen uns fragende Blicke zu.
"Wohin gehen wir eigentlich?"
Urufumaza lächelte geheimnisvoll, sagte jedoch nichts. Auch die Nebelparderdame schwieg eisern. Toll.

Eine Stunde später wurden die beiden Raubtiere jedoch unruhig.
"Was ist los?"
Die Wölfin ließ ihren Kopf angespannt umherfahren.
"Sie haben uns gefunden."
Ich sah ängstlich zu Shinku. Eine dunkle Vorahnung beschlich mich.
"Wer?"
Xin Lin's Gesichtsausdruck wurde düster.
"Himitsuno."
Mist. Jetzt war nicht der passende Zeitpunkt an so etwas zu denken, aber ich vermisste im Moment Okamis zynische Sprüche. Urufumaza senkte den Kopf und ließ mich absteigen. Überrascht wich ich einen Schritt zurück als sie mir die Schnauze auf den Kopf legte und ich einen kleinen Stromschlag abbekam.
"Was...?"
"Da vorne ist ein Wald. Das ist unser Ziel. Du musst alleine dort hingehen, wir werden sie ablenken."
Als sie merkte dass ich anfangen wollte zu protestieren, gab sie mir mit der Schnauze einen sanften Stupps.
"Jetzt geh schon. Es ist für Okami."
Ich nickte leicht, dann drehte ich mich um und rannte davon. Hinter mir ertönte wildes Fauchen und Knurren, doch ich sah nicht zurück. Ich hatte das merkwürdige Gefühl, dass Shinku und ich nicht mehr lange zusammen reisen würden.

Im Wald war es trotz der dichten Baumkronen erstaunlich hell. Andächtig schlich ich durch das Unterholz ohne wirklich zu wissen wonach ich suchte. Etwas Rotes huschte neben mir durch das Gebüsch. Angespannt drehte ich mich in die entsprechende Richtung, doch das Wesen war bereits verschwunden.
"Was war das?"
Nanouk knurrte leise. 'Eichhörnchenspione!', schoss es mir durch den Kopf und ich blieb stehen. Was zur Hölle waren Eichhörnchenspione!? Das rote Etwas kam schließlich aus einem Baum auf mich zu gesegelt und setzte sich dann ordentlich vor mich. Ich betrachtete das rote Tier. Ein Fuchs. Der kleine Fuchs leckte sich ein paar mal sein Brustfell, dann sah er zu mir auf. Er gab ein paar knurrige Laute von sich, dann sprach er mich mit gesträubtem Nackenfell an.
"Wir mögen keine Menschen! Verschwinde! Mach das du fort kommst! Ja! Hab ruhig Angst! Ich fress dich auf wenn du nicht Leine ziehst! Grrr! Siehst du, Mensch?! Ich bin ein böses und gefährliches Raubtier! Graaah! "
Ich versuchte belustigt ein lautes Auflachen zu vermeiden.
"Oh. Ich verstehe. Ich hab nicht vor lange zu bleiben-"
Der kleine Fuchs unterbrach mich und schlug wild mit dem Schwanz um sich.
"Versuch keine Tricks, Mensch! Sowas zieht bei mir nicht du Heuchlerin! Ich bin nämlich..."
Dann brach er ab.
"He, Moment mal... Woher hast du die Fuchszunge?"
Jetzt ging mir ein Licht auf.
"Ah ja, deswegen bin ich hier. Eine Fuchszunge hab ich leider nicht, aber mit einer Wolfszunge kann ich dienen."
Zur demonstrativen Zwecken hielt ich ihm Okamis Zunge hin. Der kleine Fuchs starrte mich verstört an. Dann rannte er kreischend weg.
"Hilfe! Oh Götter steht mir bei! Eine Irre hat unseren Wald heimgesucht!"
"He, warte mal!"
Ich rannte dem Fuchs überfordert nach.
"Was soll das denn?"
"Die will mich töten! Und dann nimmt sie meine Zunge als Souvenir mit!"
Offenbar war bei mir das falsche Licht aufgegangen. Er hatte wohl keine echte Zunge gemeint. Toll, und jetzt dachte er anscheinend dass ich auch seine Zunge haben wollte.
"Du meinst Trophäe."
Warum musste ich in solchen Momenten immer das Falsche sagen? Ich konnte beinah spüren wie sich Okami stumm gegen die Stirn schlug. Ich legte noch einen Zahn zu und holte den kleinen Fuchs schließlich ein. Vorsichtig pflückte ich ihn vom Boden und hielt ihn fest. Der Fuchs wandt sich und schrie wie am Spieß.
"Beruhig dich bitte. ..?"
Doch der kleine Rotpelz veranstaltete ein riesen Theater und schrie den halben Wald zusammen.
"Würdest du bitte-!?"
"NEIN! Hinfort Hexe! Hinfort! Teufel! Dämon! Ich schmecke scheußlich! Außerdem bin ich giftig!"
Ich atmete genervt aus.
"Könntest du mal für fünf Minuten mit dem Geschrei aufhören und mir zuhören?!"
"Ich bin zu jung zum sterben!!"
"Halt doch bitte mal kurz die Klappe!"
Doch die kleine Dramaqueen ließ sich nicht beruhigen und den Mund verbieten schon gleich gar nicht.
"Ahh~ Mein Herz macht das nicht mit. Ich werde nun sterben! Kannst du das verantworten, Mensch? Du hast mich niedliche, arme, verletzliche Kreatur getötet!"
Ich stöhnte resigniert und hielt dem Fellball die Schnauze zu, während dieser dramatisch eine Pfote auf die Brust legte und die Augen schloss.
"So leid mir das jetzt tut, aber du wirst dir anderen Zeitpunkt zum sterben suchen müssen. Weißt du wer Urufumaza ist?"
Ich ließ vorsichtig die Schnauze des Fuchses los. Dieser starrte mich entgeistert an. Dann wandt er sich aus meinen Armen und sprang auf den Waldboden.
"In diesem Fall ist das natürlich etwas vollkommen anderes. Wenn Sie mir bitte folgen würden."
Kopfschüttelnd über diesen Stimmungswandel lief ich hinter ihm her. Der kleine Fuchs tapste kreuz und quer durch den Wald, bis wir irgendwann an einer großen Felswand stehen blieben.
"Hier ist unser Lager. Sei bitte so gut und beweg dich nicht vom Fleck bis ich wiederkomme."
Das Gefühl verdrängend dass man mich gerade in eine Falle lockte, setzte ich mich gehorsam auf den Boden und wartete.

Kurz darauf war er wieder zurück. Ein paar Füchse liefen ihm hinterher. Eine große, schlanke Füchsin schlich mit gesträubtem Nackenfell auf mich zu.
"Aus welchem Anlass trägst du die Zunge eines Wolfes bei dir?"
Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ich mich mal gegen so eine Anschuldigung verteidigen müsste. Skurril.
"Okami hat sie in einem Kampf verloren. Urufumaza meinte daraufhin, dass man ihr in diesem Wald helfen könnte."
Ich betonte die Namen der Wölfe nochmal besonders, in der Hoffnung, damit irgendwie Eindruck zu schinden. Eine zweite Fähe strich der ersten behutsam mit dem Schwanz über die Flanke.
"Sie doch Kireina, es ist noch ein Welpe."
Dabei deutete sie auf mich. Vielen Dank auch...
"Ein Welpe, der die heilige Wölfin massakriert hat!"
Der kleine Rotfuchs von vorher mischte sich wieder ein.
"Ich denke sie sagt die Wahrheit."
Kireina schnaubte spöttisch.
"Die Worte eines Spähers... Ihr Sukautos habt doch überhaupt keine Ahnung!"
Der kleine Fuchs bleckte die Zähne.
"Und ihr Senshis seid immer überflüssig agressiv!"
Na und das von jemandem der gerade durch den halben Wald geplärrt hatte, dass er mich gleich fressen würde... Damit fingen alle Füchse an sich gegenseitig zu beleidigen und miteinander zu streiten. Ich beschloss, dem ganzen ein Ende zu setzen und beschwor Okami. Augenblicklich verstummten alle Füchse. Okami blinzelte die kleinen Tiere freundlich an und setzte sich friedlich auf ihr flauschiges Hinterteil. Keiner der wandelnden Pelzmäntel regte sich. Wie in Trance starrten sie Okami an. Eine große Pfote schob die kleine Ansammlung zur Seite. Eine riesige Füchsin, in etwa so groß wie Okami, setzte sich vor uns und legte ordentlich ihren Schwanz über die Pfoten.
"Ihr kennt Urufumaza und führt den heiligen Wolf mit Euch?"
Ich ging mal davon aus dass Okami der 'heilige' Wolf sein sollte und nickte.
"Okami hat sich in einem Kampf verletzt, Urufumaza sagte mir, ich solle bei Euch um Hilfe bitten."
Ich neigte ehrerbietig den Kopf.
"Bitte helft ihr."
Damit legte ich ihr Okamis Zunge vor die Pfoten. Die Fähe sah zwar etwas angewidert aus, doch sie nickte verstehend.
"Ich werde Euch einen Heiler rufen lassen. Folgt mir bitte."
Damit lief sie an der Felswand entlang bis wir an einem Wasserfall ankamen.
"Ah. Verstehe. Euer Quartier ist hinter dem Wasserfall."
Die Füchse starrten mich schockiert an.
"Woher wusstest du das? Das ist streng geheim!"
Ich sah zu dem kleinen roten Fellball, der sich frech auf meiner freien Schulter platziert hatte und nun die ganze Zeit missbilligende Blicke von Nanouk bekam.
"Nun ja, ansonsten gibt es hier doch nichts?"
Die große Fähe lachte nur und trat durch die Wasserwand. Das Innere der Höhle war von blauen Kristallen und goldenen Pilzen erleuchtet.
"Chakrakristalle und Hikaris. Die Pilze und Steine leuchten nur wenn sie mit Chakra in Berührung kommen."
Erklärte sie, nachdem sie meinen Blick gefolgt war.
"Nicht jeder hat eine eigene Parallelwelt."
Ich zog kleinlaut den Kopf ein. War es arrogant zu denken, dass alle großen Tiere eine eigene Gegenwelt hatten? Ich hatte nur das Königreich der Wölfe gesehen und war einfach davon ausgegangen, dass es bei allen Tieren so war.
"Ich sollte uns vielleicht vorstellen. Mein Name ist Zanko."
Sofort war meine Aufmerksamkeit wieder bei ihr.
"Ich heiße Akira."
Sie nickte leicht, dann drehte sie sich um und wedelte mit dem Schwanz, offenbar eine Anweisung ihr zu folgen. Der kleine Rotfuchs war von meiner Schulter gesprungen und trabte uns hinterher.
"Wieso erzählst du ihr so viel? Was wenn sie uns verrät?!"
Zanko rollte mit den Augen.
"Die?! Ja klar..."
Warum nahm mich hier keiner ernst?!
"Der kleine, rotpelzige Choleriker ist Chisa, unser Späher."
Der kleine Fuchs fletschte die Zähne.
"ICH BIN NICHT CHOLERISCH! UND ÜBERHAUPT: ICH BIN NICHT KLEIN!"
Zanko sah unbeeindruckt auf ihn herab.
"Natürlich nicht. Chisa heißt zwar klein aber..."
"Ich bin nicht klein!!"
Okay, hier war es genauso chaotisch wie bei den Wölfen.

Zanko bedeutet übrigens Abendrot.

Die Zukunft der UzumakisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt