38. Comprehension

1K 58 2
                                    

"Ist alles in Ordnung? Lenore! Rede mit mir!", besorgt sah Ava mich an.

Ich spürte, wie die Tränen sich in meine Augen drängten. Verzweifelt versuchte ich, sie zurück zu drängen.

Warum musste die Erinnerung ausgerechnet jetzt kommen, wenn Ava bei mir war?

Ich hatte ihr nie etwas davon erzählt und ich wollte es auch noch nicht tun. Doch sie würde so lange nachfragen, bis ich ihr eine Antwort gab.

Vor lauter Überforderung und Verzweiflung brachen die Tränen schließlich doch aus mir hervor. Eilig warf ich mich gegen Ava und versteckte mein Gesicht in ihrer Halsbeuge, damit sie die Tränen nicht sah.

Als ich mich wieder ein wenig beruhigt hatte, kam mir in den Sinn, dass Ava gerade ziemlich überfordert sein musste.

Doch ich wischte diesen Gedanken aus reinem Egoismus beiseite.

Egal, wie Ava sich momentan fühlte, ich selbst fühlte mich noch nicht bereit, ihr die Geschichte zu erzählen.

"Ich hatte einen Alptraum", war deshalb das einzige, was ich über meine zitternden Lippen brachte.

Kurz öffnete Ava ihre Lippen, als würde sie etwas sagen wollen, stattdessen nahm sie mich nur fest in den Arm.

"Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht möchtest", flüsterte sie leise. "Aber ich will, dass du weißt, dass ich dir jederzeit zuhören würde", fügte sie hinzu.

Trotz des Flashbacks stieg eine tiefe Dankbarkeit in mir auf, die die Liebe zu dieser Frau weiter wachsen ließ.

Wann war Ava so verständnisvoll geworden? Am Anfang war sie kühl, unnahbar und streng, ließ mich nicht an sich heran und behandelte mich wie eine Fremde.

Und nun schwang in jedem ihrer Worte eine so große Liebe mit, dass ich mich jeden Tag ein wenig mehr in sie verliebte.

Doch das hieß gleichzeitig, dass ich es ihr irgendwann erzählen musste. Sie hatte es verdient. Gerade weil sie sich extra für mich geöffnet hatte.





GODDESS IV                                                          Ein Leben ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt