[4-Kabukicho bei Nacht]

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Am selben Tag haben wir nur noch so uninteressantes Zeug gemacht wie uns den Kollegen aus der Kriminalabteilung vor Ort vorzustellen.
Offiziell als Unterstützung, da die Regierung aller höchste Prioritäten setzt, dass die Terroristen verhaftet werden.

Aber eigentlich wissen wir in unserem Job inzwischen, es ist egal, ob sie tot oder lebendig sind. Hauptsache jegliche Gefahr dem Staat gegenüber wird unschädlich gemacht.

Deswegen hasse ich die heutigen Regierungssysteme, aber solange ich mein Geld dafür bekomme, kann es mir eigentlich egal sein. Schließlich habe ich auch meinen Spaß an Verfolgungsjagden.

Somit wurden wir durch die Polizeistation geführt, welche sich hauptsächlich um Verbrechen in Kabukicho kümmert und da die Verbrechensrate dort bekanntlich sehr hoch ist, ist auch die Einrichtung dementsprechend ausgebaut. Also nicht nur einmal rein, schauen und wieder raus. Nein, eher so eine Schulführung für die Erstklässler, die gerade erst in die Grundschule gekommen sind und nicht einmal alleine zur Toilette finden. Stattdessen rufen sie verzweifelt nach ihren Eltern, weil sie sich vor neuen Umgebungen fürchten... wie sehr ich Schulpraktika gehasst habe und wie schön es ist da raus zu sein.

Jedes mal aufs Neue eine wundervolle Tatsache, dass ich nun stattdessen hauptberuflich abends durchs meistbesuchte Rotlichtviertel von Tokyo schleiche und nach Kleinkriminellen Ausschau halte, um sie von oben bis unten auszunehmen und jedes Detail von ihnen zu studieren.

Genug Doppeldeutigkeit, schließlich hab ich ja Tobirama als Begleitung dabei und deshalb wird mir nichts passieren, das würde mein Cousin nicht zulassen.

Ich habe bereits anfangs bestimmt in welche Richtung wir gehen, weil ich mit meinem besonderen Sensorfähigkeiten bereits gesehen habe, dass sich hier irgendwo besagte Typen mit Wolkenmuster aufhalten, natürlich ohne dies Tobirama zu sagen, ist doch viel lustiger, wenn ich es als Zufall aussehen lassen kann.

Ach ja, ich habe meine Kräfte ja noch gar nicht erklärt, dann wird es aber höchste Zeit.

Ich verfüge über angeborene Kräfte, die mich Auren wahrnehmen lassen. Aber nicht nur das, ich habe meine Kräfte seit meiner Kindheit weiterentwickelt & kann inzwischen sogar einen Teil der Gedanken der Menschen lesen. Wenn ich mich konzentriere, dann kann ich aus der Vogelperspektive auf ganze Stadtteile herabsehen. Dazu kommt, dass ich durch Wände sehen kann, auch wenn ich in beiden Fällen nur die Menschen erkennen kann und nicht etwa Möbel oder gar Häuser, deswegen verschwinden die Wände auch automatisch aus meinem Blick. Und außerdem kann ich sogar soweit ins Innere der Menschen sehen, dass ich ihre momentan Gedanken und damit zusammenhängend viele, oftmals wichtige Details herausfinden kann.
Aber alles auf der Welt hat auch seine Nachteile.
Natürlich ist es nicht so einfach, wie man es sich vorstellt. Ich verbrauche eine Menge Kraft und wenn ich meine Augen dadurch zu sehr strapazieren, kommt es auch mal vor, dass ich für einige Tage vorübergehend nur noch verschwommen sehe. Während der Benutzung passiert es, dass alle meine anderen Sinne nachlassen, deswegen ist es wichtig für mich, dass ich mich beim Gebrauch ungestört konzentrieren kann. Beim Gedanken lesen kommt es auf die Tiefe an, wie weit ich in die Erinnerung der jeweiligen Person eindringe. Je nachdem vergesse ich selbst kurzzeitig, wo ich bin, wer ich bin oder wieso ich diese Fähigkeit überhaupt anwende, weshalb es ebenfalls ein großes Risiko mit sich bringt und ich es kaum lange aufrecht erhalten kann.
Gut aber, dass ich es kontrollieren kann und daher nicht ununterbrochen darunter leide, das wäre vermutlich echt hart und anstrengend für den Körper. Ich denke das war alles, was man wissen sollte.

Also wieder zum eigentlichen Thema.

"Barkeeper sind bekanntlich eine gute Informationsquelle.'', erkläre ich Tobirama, der aber nur misstrauisch die Gegend mustert.

Somit stoße ich ihm unsanft meinen Ellenbogen in die Seite - absichtlich versteht sich - so dass ich meine verdiente Aufmerksamkeit kriege. Schließlich bin ich mit meinen Fähigkeiten unersetzlich für solche Missionen, sonst könnte er ewig suchen.

''Na, wenn du meinst.'', brummt er.

Also hat er mir ja doch zugehört!

Somit steuere ich auf den nächsten einladenden Schuppen zu und zerre Tobirama mit mir. Meine Kräfte nutze ich absichtlich nicht genauer, schließlich möchte ich auch ein wenig Spaß haben und wir werden schon früher oder später noch genauere Spuren entdecken, da bin ich mir sicher.

Und bekanntlich wird die Welt mit Alkohol schöner, dann kann man sich dem Frust über die harte Realität entledigen. Tut Tobirama bestimmt auch mal für einen Abend gut.

Nur noch ein paar Schritte von dem Eingang entfernt, bleibe ich erneut mit Tobirama stehen und fummle an seinem Hemd herum, um die beiden obersten Knöpfe zu öffnen.

''Und jetzt merke dir diesen Schmerz'', meine ich ernst und gebe ihm eine Backpfeife. "Hör auf so grimmig zu schauen, denn sonst kommt es definitiv nicht überzeugend rüber, also spiel mit.''

Nach meiner Ansage hacke ich mich bei ihm unter und führe ihn in das Lokal.

Elegant lasse ich mich am Tresen nieder und Tobirama besetzt den Platz neben mir, allerdings leider immer noch so mies gelaunt wie zuvor. Ich spüre förmlich wie er seine Knöpfe wieder zu knüpfen möchte, doch Manches muss man eben über sich ergehen lassen, seine Laune kann ich allerdings gut für mein Schauspiel nutzen.

Ich setze ein Lächeln auf und warte, bis der Barkeeper auf uns aufmerksam wird. "Meinem Bruder hier ist die Freundin weggelaufen und ich lasse mich sehr gerne überraschen.''

Ich erhalte ein knappes Nicken als Antwort auf meine ungenaue Bestellung, ehe sich der recht muskuläre Barkeeper daran macht Getränke zu zubereiten. Tobiramas Todesblicke ignorierend, füge ich mich in meine Rolle.

Ganz nebenbei starte ich ein Gespräch mit dem Barkeeper, natürlich habe ich im Geheimen meine Fähigkeit aktiv.

"Die Morgendämmerung ist doch wohl etwas tolles, oder nicht?"

Bingo, er weiß, was ich andeuten möchte. Allerdings sagt er dazu nichts, doch seine Gedanken reichen mir als Antwort.

Doch bevor ich mich anstrenge, warte ich noch ein bisschen ab, um mein Spielchen weiter hinauszuzögern.

Als er mir schließlich meinen Cocktail hinstellt, sehe ich ihm erwartungsvoll in die Augen, worauf hin er tatsächlich auf meine verschlüsselte Andeutung eingeht.

"Das ist die Grenze zwischen Licht und Dunkelheit, wenn man dieses ineinander übergehende Gleichgewicht stört, muss man mit den Konsequenzen rechnen. Bist du dir denn sicher den Pfad der Dunkelheit beschreiten zu wollen?"

Mein Lächeln verwandelt sich in ein leichtes Grinsen. Ich öffne provokant mein Portmonee und ziehe einen 500€ Schein raus. "Das ist ein kleines Taschengeld, welches von meiner Geschäftsreise nach Deutschland übrig geblieben ist. Garantiert echt. Oder wären zwei besser?"

Police - Unverhoffte WiedersehenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt