Kapitel 50

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Nach der Erkenntnis, dass er sich vor Nick würde outen müssen, hatte Dan kein Interesse mehr an weiteren Gesprächen mit Elisa und Oliver und sagte, dass er ins Bett gehen würde. Die Angst, die er von früher allzu gut kannte, kroch wieder in ihm hoch.

Das Leben, das er jetzt führte, war sein sicherer Hafen, weit weg von allen Leuten, die er vorher kannte. Hier war der Druck weg, die schlechten Erinnerungen. Er traute sich erstmals er selbst zu sein.

Und jetzt war er dabei sich das durch seine eigene Dummheit zu zerstören. War es zu spät, um Nick wieder auszuladen? Wahrscheinlich schon.

Und Oliver hatte sich so gefreut - er wollte ihn nicht enttäuschen. Aber gleichzeitig hatte er wahnsinnige Angst sein Leben hier, dass nur ihm gehörte, mit jemandem aus seiner Vergangenheit zu teilen. Es war gut, dass alles Bekannte so weit weg war.

Vielleicht hatte er deswegen auch den Kontakt mit Nick abbrechen lassen. Es war leichter gar nicht mehr mit ihm zu reden als ihn immer anlügen zu müssen, beziehungsweise nie die Wahrheit sagen zu können.

Wie sollte er Nick das erklären? Hallo Nick, schön dass du da bist. Übrigens das ist mein Freund, mit dem ich seit zwei Jahren zusammenlebe.

Er war sich sicher, dass Nick nicht einfach 'okay' sagen würde und damit hatte sich die Sache erledigt. Wie sollte er das auch einfach abtun, als wäre es gar nichts? Dan würde sich nicht nur vor ihm outen, sondern gleich noch seinen Partner vorstellen, mit dem er sogar zusammenlebte.

Er würde Nick also eine funktionierende Partnerschaft vor Augen führen, während dieser wegen Trennungsschmerz zu Alkohol griff. Und damit wollte er ihm helfen? Wieso nur hatte er ihn eingeladen?

Nick würde wissen, dass Dan in all der Zeit ihrer Freundschaft nicht ein Mal ehrlich zu ihm war. Und was, wenn er ihm Fragen stellen würde und aus Dans Aussagen auf Jack schließt? Das wäre ein Alptraum. Er wollte Jack nicht verraten und er wollte nicht vor Nick zugeben, dass er Sex mit dessen bestem Freund hatte. Oh Gott.

Obwohl er wusste, dass Nick nicht negativ auf seine Sexualität reagieren würde, hatte er Angst. Er wusste, dass diese Angst völlig irrational war, aber das ließ sie nicht verschwinden.

"Hey, Elisa ist gerade gegangen", sagte Oliver zu seinem Freund, als er ihr Schlafzimmer betrat. Dan räumte gerade die letzten Dinge aus seiner Reisetasche aus. Mit einem Nicken bestätigte er ihm, dass er ihn verstanden hatte und lies sich dann erschöpft auf dem Bett nieder.

"Was ist los?", fragte Oliver, dem der Stimmungswandel seines Freundes nicht entgangen war. Dan war hin und hergerissen, ob er seine Angst mit Oli teilen sollte oder das Thema ansprechen, zu dem sie bisher noch nicht gekommen waren.

Er entschied sich gegen beides und stützte seine Unterarme auf den Beinen ab und ließ den Kopf hängen. Er wollte zu gerne eine Pause von schwierigen Themen. Er wollte es nur für einen Moment leicht haben.

"Dan", sagte Oliver vorsichtig, kniete sich vor ihm hin und griff nach seinen Händen. Dan wusste, dass diese liebevolle Berührung ihn zum Weinen bringen würde. Seine Emotionen spielten völlig verrückt. Einerseits wollte er sich so gerne in Olivers Arme werfen und ihm alles erzählen, was ihn belastete, aber andererseits konnte er das nicht.

Also zog er seine Hände weg. Noch im selben Augenblick sah er den verletzten Ausdruck in Olivers Gesicht. Er wollte ihn zu gerne trösten, aber gleichzeitig hatte ihn Oliver genauso verletzt. Er hasste es, sich in diesem inneren Zwiespalt zu befinden.

"Können wir morgen reden? Ich will gerade einfach nur schlafen", sagte Dan und schaute seinen Freund an. 

Er war von allem überfordert und wusste nicht, was in dieser Situation das Richtige war. Aber so tun, als wäre alles gut zwischen ihnen war es definitiv nicht.

Mehr als ein Kuss ~ boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt