Dan war sich nicht mal sicher, ob er eine Antwort auf seine Nachricht bekommen würde. Den ganzen Tag schaute er im Minutentakt auf sein Handy, um zu checken, ob schon eine Antwort kam oder Jack seine Nachricht gelesen hatte, aber nichts.
Vielleicht klang er auch zu fordernd. Schließlich wusste er, dass Jack sich gerne überlegen fühlte. Aber er dachte nach ihrem gemeinsamen Morgen sein solche Spielchen hinfällig. Er dachte zwischen ihm und Jack wäre etwas Neues entstanden. Etwas viel besseres, stärkeres und ehrlicheres als früher.
Doch je mehr Zeit verging, in der sich Jack nicht regte, desto mehr stellte Dan das infrage. Interpretierte er doch zu viel in die Geschehnisse herein? Es wäre nicht das erste Mal und doch wollte er es nicht glauben.
Erst am nächsten Morgen kam endlich die heißersehnte Nachricht von Jack, die nicht mehr als eine Uhrzeit und die Adresse eines Cafés enthielt. Vielleicht war das Jacks Art und Weise seine Machtspielchen aufrecht zu erhalten. Dan war es egal, solange er ihn nur wiedersehen konnte.
Er würde also am Nachmittag nicht zurück zu Oliver fahren, sondern sich mit Jack treffen und Oliver deshalb eine Lüge auftischen, weshalb er viel später als geplant zurückkam. Und komischerweise war das für ihn ok. Er fühlte sich nicht sonderlich schlecht - zumindest jetzt noch nicht.
Der zweite Umzugstag verging wie im Flug und wollte gleichzeitig nicht enden. Das Angebot seiner Familie, gemeinsam Essen zu gehen, schlug er aus. Auch hatte er emotional wenig Kapazitäten, um den Verkauf seines Elternhauses zu trauern. Er wollte nur noch zu Jack.
Als er durch den Flur das Haus verließ, dachte er daran wie Jack ihn hier zum ersten Mal geküsst hatte, was seitdem alles passiert war und wie er ihn gestern an genau dieser Stelle wieder geküsst hatte und wie anders es war.
Die Verabschiedung von seiner Familie ging recht schnell über die Bühne und dann musste er sich zwingen, sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten. Er war nicht spät dran, doch er konnte es nicht mehr abwarten. Er wollte diese Gefühle, die Jack gestern in ihm geweckt hatte, nochmal erleben. Immer und immer wieder.
Er wollte seine Lippen spüren, seine Zunge, die seine so gekonnt umspielt hatte, seine Hände auf seiner Haut, in seinen Haaren.
Er wollte in Jacks Augen schauen und darin sehen, wie sehr er ihn wollte.
Er wollte mehr von diesem liebevollen, ehrlichen Jack.
Dieser Morgen - so wie Jack sich ihm gegenüber verhalten hatte - das war alles, was er sich immer von ihm gewünscht hatte. Es war wahr geworden.
Nur fragte Dan sich warum Jack diese Seite von sich vorher nie gezeigt hatte. Schließlich gab es sie und er hätte Dan damit so glücklich machen können. Der Gedanke kratzte stark an Dans Hochgefühl. War er dabei sich wieder in etwas zu verrennen?
Oliver war genauso liebevoll und ehrlich, wie Jack es war. Der Unterschied war nur, dass Oliver immer so zu ihm war. Er konnte an einer Hand abzählen, wir oft Jack sich ihm gegenüber so verhalten hatte. Warum reichte es ihm also bei Oliver nicht und bei Jack fühlte es sich an wie ein Lottogewinn?
Bedrückt von seinen Gedanken parkte Dan sein Auto, nachdem das Navi ihm mitgeteilt hatte, dass er am Ziel war. Aber war er das wirklich? Noch vor kurzen hatte es sich so angefühlt, doch nun wurde er unsicher.
Würde Jack überhaupt kommen? Und wenn ja, wäre alles wie immer? Wie konnte er sicher sein, dass dieser Morgen auch für Jack etwas geändert hatte?
Und die wahrscheinlich am schwierigsten zu beantwortende Frage: Was sollte er tun, wenn es so war? Wenn Jack auf ihn zukommt und ihm sagt, dass er mit ihm zusammen sein will, dass es ein Fehler war, ihn zu verlassen und dass er sich all die Jahre nur nach ihm verzehrt hatte?
Einerseits wusste Dan, dass das Wunschdenken war, aber andererseits dachte er sich: warum denn nicht? Es musste schließlich einen Grund haben, dass Jack bei dem Klassentreffen aufgetaucht war und dass er ihn so geküsst hatte. Man kann niemanden so küssen und ansehen und berühren, ohne dass es etwas bedeutet. Das ging nicht.
Extrem nervös atmete Dan durch und stieg dann aus. Noch immer nagte die Angst an ihm, dass Jack ihn nur aus Spaß hierher bestellt hatte und gar nicht auftauchen würde.
Selbst wenn, dann hätte er eben einen Kaffee vor der Fahrt getrunken, versuchte er sich zu beruhigen. Das war nicht das Schlimmste.
Ehrlich gesagt wusste Dan gar nicht, was das Schlimmste wäre. Er hatte Angst, dass Jack ihn wieder abwies, aber noch mehr Angst hatte er davor, dass Jack genau das nicht tun würde. Es war zum Verrücktwerden. Dieses Chaos empfand er nie mit Oliver. Mit Oliver konnte er sich immer sicher sein.
Während Dan die Straße zu einem Café mit schöner Terrasse überquerte, hielt er Ausschau nach Jack, doch konnte ihn nicht entdecken. Also ging er nach drinnen, in der Hoffnung ihn dort zu finden.
Ein Blick auf sein Handy verriet ihm, dass er fünf Minuten zu früh war. Er würde einfach nochmal zur Toilette gehen, bis Jack kam. Durch Nachfragen fand er die Toilette schnell, doch bevor er den Gang dorthin betrat, sah er am letzten Tisch in der hintersten Ecke einen Mann sitzen, der sein Herz höherschlagen ließ.
Sofort bahnte er sich einen Weg zwischen den leeren Tischen hindurch. Jack durchstöberte die Karte, doch Dan kannte ihn und vor allem seinen Körper gut genug, um zu merken, dass er angespannt war. Ihm selbst ging es nicht anders, nur musste er auf sich aufmerksam machen und hatte bei all den Sorgen, die er sich gemacht hatte, vergessen sich zurechtlegen, was er überhaupt zu Jack sagen wollte.
Also stand er stumm neben dem Tisch und schaute Jack an. Er war schlicht gekleidet - in schwarzem Shirt und schwarzer Jeans - und doch sah er hinreißend aus.
"Willst du dich nicht setzen?", fragte Jack, ohne aufzusehen. Überrascht ging Dans Puls in die Höhe. Wie hatte er ihn bemerkt?
Mit einem: "Äh sicher", das eher unsicher klang, setzte er sich Jack gegenüber. Sobald er saß, schlug Jack die Karte zu, legte sie vor sich hin und verschränkte die Arme darüber. Erst danach blickte er langsam vom Tisch auf und direkt in Dans Augen.
Sofort begannen die Schmetterlinge in Dans Bauch zu tanzen bei diesem intensiven Blick. Fuck, war alles was Dan dachte. Er wusste, dass er nie aufgehört hatte, Jack zu lieben, doch diese Reaktion auf seinen Blick gerade fühlte sich gefährlich nach verliebt sein an. Das war nicht gut. Ganz und gar nicht.
"Dann leg mal los", forderte Jack und zu allem Übel zog er einen Mundwinkel in die Höhe. Das war zu viel für Dan.
"Womit?", fragte er naiv nach. Jacks Anblick brachte ihn so durcheinander, dass er nicht schnallte, was Jack damit meinte.
"Na, erzähl mir, warum du mich unbedingt sehen wolltest."
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Mehr als ein Kuss ~ boyxboy
RomansSpin Off/ Fortsetzung zu Nur ein Kuss "Das Ganze", Jack deutete vage auf den Raum, "ist einfach zu-" Er fand nicht mal das richtige Wort, um es zu beschreiben und ließ den Satz deshalb unbeendet. "Ich weiß", stimmte Dan ihm zu und schaute danach aus...