"Das war ja ein super Abend", war das Erste, was Tys Freundin sagte, als sie ihr Hotelzimmer betraten. Der Raum war recht schlicht gehalten. Ein blauer Teppich auf dem Boden, ein weißer Schrank an der Wand und ein Doppelbett über dem ein gerahmtes Landschaftsbild hing.
"Wem sagst du das", stimmte Ty mit einem Nicken zu und ließ sich auf das Bett fallen. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Eigentlich wollte er nur seine alten Freunde wiedersehen und dabei seine Freundin ein Stück mehr an seinem Leben teilhaben lassen.
Wie sich aber herausstellte war das ein Teil seines Lebens, der seine Freundin nicht teilhaben lassen wollte. Dabei hatte sie nichts falsch gemacht. Sie hatte ihn sogar noch ermutigt, Nick nachzugehen. Wie viele Partnerinnen sind so unterstützend, wenn es darum geht, allein mit dem Ex zu sein?
Er war sich sicher, die Antwort lautete: nicht viele. Sie vertraute ihm. Sie hatte nichts zu den Beleidigungen seiner ehemaligen Teamkameraden gesagt, obwohl er ihr ansah, dass sie es wollte. Sie konnte sich verbal äußerst gut zur Wehr setzen. Das merkte er in jeder Diskussion.
Trotzdem hatte sie es über sich ergehen lassen und blieb sogar allein bei seinem ehemaligen Team sitzen, als er mit Nick sprach. Er bewunderte sie für ihre Stärke, ihre Selbstsicherheit und ihr Einfühlungsvermögen. Sie war sicher nicht perfekt, aber aus seiner Sicht war sie nah dran.
"Tut mir leid, dass du das ertragen musstest. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm wird. Ehrlich gesagt, hatte ich gehofft, dass der Abend nicht so-" Tegan suchte nach dem richtigen Wort, das all die Geschehnisse zusammenfassend beschreiben könnte. Ereignisreich? Das könnte auch positiv gedeutet werden und das war es definitiv nicht.
"So explosiv wird?", schlug seine Freundin vor. Explosiv! Das passte. Dankbar lächelte er sie an.
"Ja, das mit Nick und vor allem meinem Team-", überlegte Tegan laut. Er konnte nicht verstehen, wie sie sich nach all der Zeit noch in sein Beziehungsleben reinhängen konnten. Es war nicht so als hätte seine Beziehung zu Nick noch irgendeine Bedeutung für sie. Jeder führte sein eigenes Leben und sie standen höchstens noch sporadisch über soziale Medien miteinander im Kontakt. Das war alles.
"Ich verstehe einfach nicht, warum sie sich persönlich so von dieser Trennung angegriffen fühlen", sagte Tegan und hoffte auf eine Erklärung. Obwohl er meistens der war, der anderen bei ihren Problemen half und immer ein offenes Ohr hatte, genoss er es, ebendiese Eigenschaften in seiner Freundin wiederzufinden.
"Ich vermute, dass die meisten denken, dass bei einem Klassentreffen noch alles ist wie zu Schulzeiten. Ich meine klar, jeder macht beruflich etwas anderes, wohnt wo anders - aber die grundlegenden Dinge? Ich glaube es gibt Sachen, die sich so manifestiert haben, dass eine Änderung bewusst macht, dass eben nichts mehr ist wie früher. Sie wollten diesen einen Abend, in dem wieder alles wie zu Schulzeiten ist und das war es nicht. Wegen uns."
Tegan hasste es das zugeben zu müssen, aber es klang sehr einleuchtend was sie sagte. "Also bin ich an allem schuld?", fragte er resigniert.
"Das sagte ich nicht. Jeder Einzelne von ihnen ist selbst für sein Verhalten verantwortlich. Du bist nur an dem mit deinem Ex schuld", erklärte sie mit einem entschuldigenden Lächeln. Sie wusste, dass das eine Wahrheit war, derer er sich zwar bewusst war, sie aber ungern hörte.
"Wer hätte denn ahnen können, dass er immer noch nicht darüber hinweg ist?", fragte Ty und studierte eingängig das Bild am Kopfende ihres Bettes.
"Du", war die ernüchternde Antwort. Wieder hatte sie Recht. Langsam begann dieses Gespräch zu demütigend für ihn zu werden.
Er konnte nicht behaupten, es zu mögen, von seiner Freundin den Kopf zurecht gerückt zu bekommen. Aber es war oft bitter nötig. Er brauchte das. Er brauchte sie. Eine starke Partnerin, die ihn ausgleichen konnte. Jemand, der sich ihm entgegenstellte, seine Meinung vertrat und sich durchsetzen konnte.
In seiner Beziehung mit Nick hatte er sich oft gefühlt, als würde es sich nur um ihn selbst drehen. Als wäre es seine Beziehung und nicht ihre gemeinsame. Er entschied, was sie taten, wann sie es taten, mit wem sie etwas unternehmen würden. Sie trafen sich, wenn er Zeit hatte, wenn er gerade nichts anderes zu tun hatte. Er nahm Nick zu Veranstaltungen mit, zu denen er wollte. Und Nick akzeptierte.
Tegan wusste, dass er Schuld daran trug. Er wusste, dass es nicht Nicks Persönlichkeit entsprach der Macher in der Beziehung zu sein und er nutzte das aus. Anfangs fiel es ihm nicht auf. Er dachte es ist normal, dass man in einer Beziehung Sachen für den Partner macht. Aber es wurde immer mehr, immer weniger Wiederworte und als er sich fragte, wann er so etwas im Gegenzug für Nick tat, wurde ihm die Antwort erschreckend klar. Gar nicht.
Er ließ Nick diese Beziehung mit ihm haben, sie hatten nie eine Beziehung miteinander.
"Wie soll er auch darüber hinweg sein, wenn er nicht mal weiß, warum du dich von ihm getrennt hast? Außer der Tatsache, dass du fremdgegangen bist." Das Wort 'fremdgegangen' betonte sie dabei ganz besonders. Sie ließ ihn deutlich die Wut hören, die in dem Wort mitschwang.
Und diese Wut war berechtigt, schließlich konnte sie nichts dafür. Sie wusste nicht, dass Ty mit ihr seinen Freund betrügt. Sonst hätte sie sich nicht auf ihn eingelassen. So war sie aber schon bis über beide Ohren in ihn verliebt, als er ihr erzählte, dass er sich von seinem Freund getrennt hatte. Von dem sie bis zu diesem Moment nichts wusste.
Wenn es um Tys Trennung von Nick ging, stand sie also vollkommen auf Nicks Seite. Ty war ein absolutes Arschloch zu ihm. Und trotzdem hatte Nick sie vorhin verteidigt. Sie konnte sich nicht erklären, warum er das getan hatte. Sie an seiner Stelle hätte ihr wahrscheinlich ins Gesicht gespuckt.
"Wieso hat er mich verteidigt?", warf sie in den Raum. Tegan kannte ihn besser, vielleicht konnte er sich sein Verhalten erklären.
"Weil er nett ist. Er will nicht, dass es jemandem schlecht geht", sagte er schulterzuckend. Das mochte er immer an ihm. Bis er merkte, dass es ungesunde Ausmaße annahm. Er sah auf dem Parkplatz, wie kaputt er ihn gemacht hatte und trotzdem stand er für die Person ein, die ihm seiner Ansicht den Freund ausgespannt hatte.
Das war nicht mehr nett, das war zerstörerisch. Und Tegan vermutete, dass er diesen Selbstzerstörungsprozess eingeleitet hatte.
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Mehr als ein Kuss ~ boyxboy
RomanceSpin Off/ Fortsetzung zu Nur ein Kuss "Das Ganze", Jack deutete vage auf den Raum, "ist einfach zu-" Er fand nicht mal das richtige Wort, um es zu beschreiben und ließ den Satz deshalb unbeendet. "Ich weiß", stimmte Dan ihm zu und schaute danach aus...