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Freundlichkeit ist eine Sprache, die Taube hören und Blinde lesen können;
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Schweißgebadet schreckte ich aus dem Schlaf hoch und brauchte erstmal einige Sekunden, um mir darüber klar zu werden, dass es nur ein Alptraum war.

Vollkommen überfordert schaute ich mich in meiner kleinen Wohnung um, die nur aus einem Raum bestand und griff nach meinem Glas Wasser, dass neben mir auf meinem Nachttisch stand.

Hastig trank ich einige Schlücke und stand anschließend auf, um mir den Angstschweiß von der Stirn zu wischen und zu einem meiner beiden Fenster zu laufen.

Die Sonne schien zwar auf Juneau herab, doch mein Thermometer zeigte mir wie immer Minusgrade an, die mich sofort dazu brachten, die Augen zu verdrehen.

Was hatte ich mir nur dabei gedacht, hierher zu kommen...

Mein Blick fiel auf meine roten Gardinen, die ich hektisch zuzog, um mich noch ein wenig in der Dunkelheit meiner hell eingerichteten Wohnung zu verstecken. Der Unbekannte Maskierte war nämlich kein Alptraum. Er war real. Fast schon realer, als alles andere und alleine bei der Erinnerung an seine Hand, die nach meinem Kinn griff, bekam ich eine Gänsehaut am ganzen Körper.

War es wirklich Josh?

Eilig lief ich zwischen meinem schwarz überzogenen Bett und der roten Couch hindurch, um geradewegs zu meiner kleinen Küchenzeile zu laufen. Ich stellte meine Kaffeemaschine an, während ich bemerkte, dass ich schon wieder unkontrolliert anfing zu zittern.

"So ein Mist", fluchte ich und schüttelte meine Hände einmal genervt, um diese Reaktion meines Körpers zu unterdrücken.

Dann lief ich ins Bad, um ausgiebig zu duschen und zog mir meinen weißen Bademantel an, ehe ich samt Kaffe auf der Couch Platz nahm.

Eigentlich hörte ich um diese Zeit Musik und tanzte durch meine Wohnung, aber nicht heute. Nicht, nach dieser Nacht, die mich gedanklich zu verfolgen schien.

Noch nie hatte ich eine Waffe gesehen und noch nie hatte ich eine solche Angst empfunden.

Nein, das war gelogen.

Solche Angst hatte ich früher oft empfunden. Immer, wenn mein Stiefvater sich nachts in mein Zimmer schlich und mir den Mund zuhielt, während ich meine Mutter nebenan weinen hörte.

Ich blieb stark - für sie, doch irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und da fiel mir dann auch wieder ein, wieso ich hier in Juneau gelandet war.

Ich wollte nur weit weg von diesem Monster, doch die Wirklichkeit zeigte mir nur zu gut, dass es überall solche Widerlinge gab und nun, ohne Geld und Aussicht auf einen richtigen Job, war ich daran gebunden, mich diesen Tieren Nacht für Nacht hinzugeben.

Frustriert über meine negativen Gedankenzüge, trank ich zügig den Rest meines Kaffes und zog mir eine dunkle Jeans, einen weißen Pullover und einen schwarzen, dicken Mantel über, um diese mich einengenden vier Wände zu verlassen.

Wie jeden Tag lief ich die breite Straße zum Hafen entlang. Genau dorthin, wo Joshs Mutter arbeitete. Er wusste nicht, dass ich täglich frischen Fisch bei ihr kaufte, aber ich tat es, um ihn und seine Familie finanziell zu unterstützen.

Ich hatte zwar selbst nicht viel, aber es war für mich selbstverständlich, trotzdem auch anderen zu helfen.

"Halloooo", gab ich freundlich von mir und schaute mich neugierig an ihrem Stand um, während sie mich ebenfalls höflich begrüßte.

"Ich dachte schon, du kommst heute nicht", meinte sie lächelnd und nahm schonmal eine der Papiertüten in die Hand.

"Ich hab nicht so gut geschlafen", gab ich zu und schaute dabei in ihre Augen, die die selbe warme Farbe hatten, die auch Josh besaß. Währenddessen zeigte ich wie in Trance auf ein paar Fische, die sie mir anschließend einpackte.

"Alpträume?", hakte sie nach, doch ich wollte die Gedanken verdrängen und schüttelte verneinend meinen Kopf.

"Die Kälte", log ich und hielt ihr das Geld hin, während ich mit der anderen Hand die Papiertüte entgegennahm.

"Ja, die macht uns allen zu schaffen", lächelte sie aufmunternd. "Ich wünsche dir einen schönen Abend", fügte sie noch hinzu und nachdem ich ihr das gleiche gewünscht hatte, verschwand ich den Hafen entlang, um bei Willy vorbeizuschauen.

Von weitem sah ich besagten schon, der mit einigen anderen unter einem Vordach saß, wie jeden Tag. Er war sicher schon um die 50, hatte immer den selben dicken, braunen Mantel an und war seit Ewigkeiten leider obdachlos.

Ich mochte ihn sehr. Deswegen brachte ich ihm auch täglich frischen Fisch mit. Damit half ich also gleich zwei Menschen mit diesen täglichen Einkäufen, was mich einfach nur glücklich machte.

"Love", begrüßte er mich sofort und wollte dabei aufstehen, doch ich zeigte ihm mit einer Geste meiner Hand, dass er sitzen bleiben sollte.

"Ich habe dir etwas mitgebracht, Willy", erklärte ich und begrüßte kurz seine Freunde, sie alle ebenso ums Feuer saßen, um mich anschließend neben ihm niederzulassen.

"Du bist wirklich mein Schutzengel", meinte er gerührt und nahm den Fisch dabei dankbar entgegen, während ich mich einfach nur wohl fühlte in seiner Nähe.

Er war zusammen mit Josh der Einzige, der mich nicht wie eine Prostituierte behandelte, obwohl er ganz genau wusste, was ich tat.

Jetzt waren die Gedanken an letzte Nacht nur noch Nebensache und anstatt mich in meiner Wohnung eingeengt und einsam zu fühlen, fühlte ich mich hier willkommen und geborgen.

"Und was gibt es so Neues?", fragte Willy mit einem freundlichen Lächeln und stupste mich leicht mit der Schulter.

"Ach, nichts bes-"

Ich unterbrach mich selbst und hielt den Atem an, als ich vor mir Ronald sah, der mit einem Verband an der Hand genau auf mich zukam.

"Willy", flüsterte ich und schaute flüchtig in seine grünen Augen. "Ich muss los."

Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange und wollte gerade mit rasendem Herzschlag aufstehen, da hielt Willy mich am Arm fest.

"Was ist los?", fragte er besorgt und wollte sich ebenfalls erheben, doch mein Blick fiel starr auf Ronald, der weiter weg stehenblieb und mich wütend anfunkelte.

Ich hatte das Gefühl, ich würde mich gleich übergeben müssen und riss mich panisch von Willy los, um dann Richtung All in zu laufen.

Es war zwar noch so früh und auch noch hell, aber Pablo war fast immer da, also würde er mich sicher reinlassen.

Mit schnellen Schritten rannte ich die Straße entlang und hoffte, dass Ronald mir nicht hinterherkommen würde. Gerade, als ich mich umdrehte, um das zu überprüfen, knallte ich gegen eine harte Brust und wurde von demjenigen in letzter Sekunde aufgefangen.

"Nicht so stürmisch", lachte er auf und obwohl ich ihn weder richtig kannte, noch mochte, war ich absolut froh über sein Dasein.

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The split Mate - Only by nightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt