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Mann muss Flügel haben, wenn man den Abgrund liebt;
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Pablo ließ mich zwar los, doch ich fühlte mich weiterhin wie gefangen. Unfähig, auch nur einen Schritt zu machen. Weder nach vorne, noch zurück. Selbst das Atmen fiel mir schwer und ich hatte nur noch Benjamin vor Augen. Mein Baby, dass mir vor zwei Jahren genommen wurde. Von dem ich bis heute glaubte, er wäre tot.

"Ich hasse dich", brachte ich hauchend hervor und spürte dabei das Zittern meiner Lippen. Ich wollte weinen, doch selbst das schien mir unmöglich zu sein. Er hatte mir alles genommen...

"Ohhh Love. Jetzt mach bitte keine Szene und mach einfach einmal das, worum ich dich gebeten habe", hörte ich Pablos Stimme hinter mir. "Du bist doch ganz allein Schuld an dieser Situation. Auf jede Aktion, folgt eine Reaktion. Such den Fehler nicht bei mir."

Fassungslos drehte ich mich zu ihm herum und schaute hoch in seine Augen. Wie konnte ich ihn jemals lieben oder überhaupt etwas für ihn empfinden. Er war der Teufel persönlich, obwohl das sogar eine Beleidigung für den Teufel war.

"Du musst eben wieder gut machen, was du falsch gemacht hast", lächelte er und strich mir über die Wange, doch ich schlug sofort reflexartig seine Hand weg, woraufhin sein Lächeln verschwand, er ausholte und mir eine Backpfeife gab, die meinen Kopf zum Dröhnen brachte.

Ich hielt mir die schmerzende Wange, während ein Piepsen durch meinen Verstand rauschte und sah ihn geschockt an. Ich verlor jeglichen Halt unter meinen Füßen.

"Ich habe so viel Geduld mit dir wie kein anderer, also reiz das nicht aus und jetzt raus aus meinem Büro. Zeig Natalia wie das Geschäft funktioniert und sollte Esteban auftauchen, weißt du, was du zu tun hast."

Er hauchte mir einen Kuss auf meine Wange, streichelte dabei durch mein Haar und mir kam der Gedanke, das tot sein immernoch besser war als dieses Leben, doch wenn er wirklich die Wahrheit sagte, und Benjamin am Leben wäre, dann dürfte ich jetzt nicht einfach aufgeben.

Während ich in meinen Gedanken versunken einfach nur dastand und innerlich überhaupt nicht mehr funktionierte, suchte der die Tür auf, steckte den Schlüssel hinein und trat dann nochmal genau vor mich, um mein Kinn anzuheben.

"Brave Mädchen brauchen keine Bestrafung, also sei ein braves Mädchen", grinste er über das ganze Gesicht und zeigte mir die Spitze nochmal. Ich glaubte in dem Moment, dass es sogar besser wäre, dieses Zeug zu nehmen. Es würde vieles leichter machen...

Er ließ von mir ab, kehrte mir den Rücken und dann setzten sich meine Füße aus der Starre befreit auch endlich wieder in Bewegung.

Mit zitternden Händen schloss ich die Tür auf, lief den engen Flur entlang und suchte erstmal geistesabweisend den kleinen Garderobenraum auf...

Die Musik, die sonst laut durch das ganze Gebäude hallte, kam mir plötzlich leise vor. Wie unter Wasser. Meine Hände hörten nicht mehr auf zu zittern. Ich stellte mich genau vor den beleuchteten Spiegel, betrachtete meine so kalt wirkenden blauen Augen und der Hass auf mich selbst zeriss mich in diesem Augenblick.

Ich hatte mein Baby alleine gelassen, hatte meine Mutter alleine gelassen und nun würde ich auch Esteban und Reahlyn für immer verlieren...

"Hallo", hörte ich plötzlich eine weibliche Stimme hinter mir, doch ich starrte immernoch mit großen Augen meinem Spiegelbild entgegen und atmete dabei nur ganz langsam. Alles schien zu verschwimmen. Mein ganzes Leben war die reinste Hölle und ich erkannte nichtmal mehr mich selbst wieder.

Konnte man so etwas wie Liebe überhaupt empfinden, wenn man sich selbst nichtmal mehr kannte?

Hatte jemand wie ich, überhaupt mehr verdient als all diese Schmerzen?

Gott gibt einem nur so viel Leid, wie man ertragen kann... dachte er wirklich, ich wäre so stark?

"Du bist Love, richtig?", sprach die Stimme wieder und plötzlich sah ich im Spiegel neben mir Natalia, die mich mit ihren grünen Augen fragend ansah.

Ich reagierte nicht auf sie. Blendete ihr eingeschüchtertes Gesicht aus und schloss dann meine Augen.

Sofort tauchte Reahlyn auf. Mein Licht in der Dunkelheit und als ich meine Augen nach einem tiefen Atemzug lächelnd wieder öffnete, wusste ich ganz genau, dass er und Esteban auch ohne mich ihr Glück finden würden... und ihr Glück würde mein Glück sein.

Esteban hatte es selbst gesagt ...

Es würde eine Zeit dauern, doch Pablo würde mich sicher zu meinem Sohn lassen, wenn er mir wieder vertraute, also musste ich nur allen vorspielen, dass es mir gut ginge und alles würde gut werden.

"Ja, ich bin Love", wandte ich mich dann an Natalia, die erleichtert über meine Reaktion schien.

Ich erklärte ihr, wann sie da sein müsste. Erklärte ihr, wie oft sie tanzen müsste und zeigte ihr die schönen Kleider und Kostüme. Warnte sie vor Männern, die ihr ein schlechtes Gefühl gaben. Sie sollte immer aufpassen und sich am besten nur Stammkunden aussuchen.

"Es tut mir leid", murmelte sie dann plötzlich, als ich gerade dabei war meinen Mantel abzulegen und sie irritiert anzuschauen.

"Was meinst du?", wollte ich wissen und sie biss sich nervös auf die Unterlippe, während sie meinem Blick auswich.

"Das... Das mit Pablo. Ich weiß das ihr zusammen seid", murmelte sie beschämt und sofort legte ich ihr meine Hand beruhigend auf die Schulter.

"Und ich weiß, dass du das sicher nicht freiwillig gemacht hast. Mach dir darüber keine Sorgen", quälte ich mir ein Lächeln ab und so langsam glaubte ich, meinen Verstand verloren zu haben.

War das möglich? So gebrochen zu sein, dass man nur noch funktionierte? Dass selbst der Schmerz verschwand?

Kalt und emotionslos ...

Es war zwar besser, als etwas zu fühlen, doch selbst diese kleine Hoffnung auf Erlösung von  meinen Qualen hatte ihren bitteren Beigeschmack...

Du bist zu gut für diese Welt, Sasha Riley

Die Stimme meiner Mutter kam mir in den Sinn, wie sie mich streng ermahnte, mich selbst mehr zu schätzen, als ich einen Jungen verteidigte, der mich zuvor mit einer Schaufel geschlagen hatte.

Die Menschen werden deine Höflichkeit mit Schwäche verwechseln...

Ja Mum, das taten sie, aber vielleicht war ich auch einfach nur ein schwacher Mensch...

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The split Mate - Only by nightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt