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Einsamkeit ist bitter, Zweisamkeit ist aber auch nicht immer nur süß;
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Nachdem ich ausgiebig geduscht hatte, zog ich mir eine schwarze Jeans an und bückte mich nach Reahlyns gelben Pullover.

Obwohl ich so durcheinander war, beruhigte mich sein Duft auf magische Weise. Ich atmete einige Male tief durch, woraufin mich mein schlechtes Gewissen unerwartet überrumpelte.

Wäre ich doch nie in den verdammten BMW gestiegen ...

Verärgert über mich selbst zog ich ihn mir über und schnappte mir das Geld, welches Esteban mir auf meinen Nachttisch gelegt hatte.

Erst, als ich es zählte, fiel mir auf, wie viel es war. So viel verdiente ich normalerweise nichtmal in zwei Wochen. Was wollte er damit bezwecken?

"Scheiß auf ihn", murmelte ich immernoch verletzt von seinem Verhalten und steckte das Geld in meine Hosentasche, um meine Wohnung schnellstmöglich zu verlassen. Die Erinnerungen an die letzten Stunden hier zogen mich runter. Ich hatte keine Lust mehr darauf, mich von grundauf schlecht zu fühlen.

Ich verließ das Haus, gewöhnte mich dabei nur langsam an die eisige Kälte und schaute flüchtig hoch zu dem grauen Himmel, um daraufhin meinem gewohnten Tagesablauf nachzugehen.

Bei Joshs Mutter, hielt ich ihr sofort das Geld entgegen und zeigte dabei ohne sie anzublicken auf mehrere Fische. Sie sagte kein Wort und verstand anscheinend sofort, dass ich keinen Nerv auf eine Unterhaltung hatte.

Sie packte den Fisch ein, nahm das Geld entgegen und hielt dann doch kurz meine Hand fest, wodurch meine Augen über ihre huschten, die mir mitleidig entgegensahen.

"Ich wünsche dir einen schönen Tag", flüsterte sie und drückte meine Hand einmal ganz fest, um mir ein Lächeln zu schenken, dass wirklich für eine Sekunde mein Herz erreichte. Ich ließ nur widerwillig ihre Hand los und wusste sofort, woher Josh seine fürsorgliche Seite hatte. Sie waren sich nicht nur vom Aussehen so ähnlich, sondern auch von ihrem ganzen Auftreten und Verhalten.

"Danke", murmelte ich verlegen und wandte mich der Richtung zu, in der sich Willys Platz befand.

Mit schnellen Schritten und dem Fisch in der Hand, lief ich den düsteren Hafen entlang, wo es nach Meer roch und sah ihn dann schon von weitem auf dem kalten Boden sitzen.

Er hatte den braunen Mantel wie immer fest um seinen Körper gelegt und eine braune Mütze auf, die aber schon von hier aus so dünn aussah, als würde sie ihn gar nicht richtig wärmen können.

"Und dann kam ein Engel die verlassene Straße entlang und umhüllte alle mit einer Wärme, die jegliches Eis dahinschmelzen ließ", lächelte er mir entgegen und sofort entstand auch auf meinem Gesicht ein Strahlen. Wenigstens ihm tat ich gut und das genügte mir auch vollkommen.

"Wie geht es dir?", fragte ich und ließ mich neben ihm nieder, um den Fisch neben die Tonne vor mir zu legen, in der wie immer ein Feuer zum aufwärmen brannte.

"Immer so wie man sich fühlt", gab er mir lachend zurück und er faszinierte mich Mal wieder mit seiner so glücklichen Art.

Immerhin besaß er nichts, außer dem Schlafplatz im Obdachlosesheim, doch er schien trotzdem immer guter Laune zu sein.

"Aber du fühlst dich anscheinend nicht so gut", unterbrach er meine Gedanken und drehte seinen Kopf besorgt in meine Richtung. "Erzähl dem alten Willy was los ist."

Ich schaute flüchtig zu ihm herüber, ließ dabei den Kopf geknickt hängen und spielte nervös mit meinen Fingern herum, bis er meine Hand in seine nahm und mich somit zwang, damit aufzuhören.

"Denkst du, man kann sich zu jemanden hingezogen fühlen, den man überhaupt nicht kennt?", flüsterte ich dann leise und wandte mich ihm zu.

"Natürlich. Man spricht ja nicht umsonst davon, dass es die Liebe auf den ersten Blick gibt", antwortete er zwar schnell, doch er schien selbst nicht wirklich davon überzeugt zu sein.

"Ich meine keine Liebe. Ich meine sich jemanden vollkommen hingeben zu wollen. Ihm zu vertrauen, obwohl man ihn überhaupt nicht kennt. Gleichzeitig gibt es aber auch noch einen anderen, der wiederum völlig andere Gefühle in einem weckt", plapperte ich verloren vor mich hin und merkte selbst, wie bescheuert sich das anhören musste. "Vergiss es einfach", fügte ich hinzu und wandte meine Hand aus seiner, um mein Gesicht in meinen Händen zu verstecken.

"Weißt du, Love. Es gibt selten nur eine Person, die dir all das bieten kann, was du zum glücklich sein brauchst. Manch einer gibt dir das Gefühl zu fliegen, doch du brauchst dann auch gleichzeitig jemanden, der dich wieder auffängt. Natürlich haben manche das Glück ihre große Liebe zu finden und nichts anderes als diese eine Person zu brauchen, aber solche Leute sind wirklich selten. Manch einer bleibt ewig alleine."

Ich ließ mir seine Worte durch den Kopf gehen, doch trotzdem wurde das Chaos nichtmal ein bisschen klarer. Reahlyn tauchte plötzlich immer wieder vor meinem inneren Auge auf. Ich fühlte mich sicher bei ihm. Wusste, dass er alles für mich tun würde ... hatte es ja selbst miterlebt, wie er sogar für mich getötet hatte ...

Und andererseits war da Esteban, der in mir eine Leidenschaft weckte, die ich vorher nicht kannte. Er hatte die Fähigkeit, mich Dinge vergessen zu lassen. Dinge, die sonst permanent in meinem Kopf herumspukten...

Aber mit dem Geld auf meinem Nachttisch, hatte er nur zu deutlich gemacht, was er wirklich in mir sah. Wahrscheinlich war ich es schon so gewohnt, scheiße behandelt zu werden, dass ich es als richtig empfand und nicht mit jemand wie Reahlyn umzugehen wusste, der mich besser behandelte, als ich es verdient hatte.

Immerhin hatte mich noch nie jemand so gut behandelt ... und genau deswegen war es mir so völlig fremd.

"Ich sollte vielleicht auch ewig alleine bleiben", lächelte ich gequält, woraufhin Willy mich sofort wütend anfunkelte.

"Du bist eine Frau, die alles Glück dieser Welt verdient hat. Das ist so und das wird sich auch nicht ändern. Du hast mir von deinem Stiefvater erzählt und auch von Pablo, aber glaube mir eins. Die Beiden wollten genau das erreichen. Das du denkst, du bräuchtest Männer wie sie und hast nichts besseres verdient, aber das ist nur der Gedanke, den sie dir eingepflanzt haben!"

Er wurde immer lauter und man sah ihm förmlich an, wie wütend ihn das alles machte, doch als er dann plötzlich vor lauter Aufregung schrecklich anfing zu husten, ließ ich meine ganze Scheiße kurz hinter mir und machte mir ernsthafte Sorgen um ihn und seinen Zustand.

"Willy, bitte nimm meinen Schlüssel und geh in meine Wohnung. Da ist es warm und ich habe auch Tee und alles da."

Umsorgend nahm ich seine Hand und schaute ihn flehend an, doch Willy war genau wie ich. Er wollte es selbst schaffen und war sich zu stolz, Hilfe von anderen anzunehmen.

Ich wusste in dem Moment, dass er nie von der Straße kommen würde, genau wie ich wusste, dass nur ich selbst mich befreien konnte.

Am besten würde ich Esteban erklären, dass ich mit Ronalds Tod nichts zu tun hatte. Reahlyn würde ich warnen, er solle sich ein Alibi beschaffen und dann würde ich genau wie vorher mein Leben einfach alleine weiterleben.

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The split Mate - Only by nightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt