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Wo man Gefahren nicht besiegen kann, ist Flucht der Sieg;
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Nachdem Pablo mich alleine stehen gelassen hatte, wandte ich mich erleichtert dem Spiegel hinter mir zu und schaute mir selbst tief in die blauen Augen.

Noch eine beschissene Nacht, noch ein mir sicher ewig vorkommender Tag, dann würde ich endlich wieder meinen Sohn sehen, auch wenn er nicht wusste, wer ich überhaupt war. Aber das war auch nicht wichtig...

Tief durchatmend schloss ich nochmal kurz meine Augen, um mich und meinen Verstand darauf vorzubereiten, gleich jemanden zu suchen, der mich für eine Nacht bezahlen würde, und dann schlüpfte ich komplett in meine Rolle.

Erhobenen Hauptes verließ ich das Badezimmer und lief den dunklen Flur entlang, um dann erstmal festzustellen, dass Natalia es wohl entgültig bei Esteban aufgegeben hatte.

Er saß immernoch genauso wie vorher da und schien am Boden seines leeren Whisky Glases nach Antworten zu suchen...

Wie gerne wäre ich für ihn da gewesen ... aber ich durfte nicht ...

"Hey, du bist Love, oder?", sprach mich plötzlich eine dunkle, ausdruckslose Stimme von der Seite an und als ich mich mit großen Augen zu ihm drehte, hielt ich kurz die Luft an.

Das war ein fast zwei Meter Riese, der mit seinem Vollbart und den längeren Haaren nicht gerade gespflegt aussah. Er roch auch widerlich nach Aschenbecher und hartem Alkohol.

"Ja", meinte ich dann nach kurzem Zögern und sofort gab er ein gruseliges Lächeln von sich.

"Na dann komm bitte mit. Ich würde gerne-"

"Eine Nacht mit ihr?", unterbrach ihn Pablo plötzlich und trat nah an mich heran, um seinen Arm um meine Schulter zu legen. "Bezahl bei mir dann kannst du diese Schönheit gerne mitnehmen."

Der Typ kramte in seinen dreckigen Hosen und holte dann mehrere Scheine heraus, die er Pablo wortlos reichte. Dieser zählte ganz genüsslich und wandte sich dann lächelnd mir zu.

"Viel Spaß", grinste er nur und verschwand mit meinem Geld wieder an der Theke, wo er Esteban am Arm nahm, der schon leicht schwankte, um ihn mit in sein Büro zu nehmen.

Wehmütig blickte ich ihm hinterher und versank fast wieder in meinen Schuldgefühlen, bis der Höhlenmensch grob meinen Arm ergriff.

"Also komm jetzt endlich. Ich hab nicht die ganze Nacht Zeit", pampte er mich an und zog mich am Arm mit sich zur Treppe.

"Sehr romantisch!", zickte ich und sah dann an mir herunter. "Warte! Ich hab überhaupt keine Jacke!"

Es schien ihn nicht im Geringsten zu interessieren, denn egal wie stark ich versuchte meinen Arm zu befreien und wie laut ich protestierte, er blieb einfach nicht stehen.

Draußen angekommen durchzog mich sofort eine Eiseskälte, die mich dazu brachte, am ganzen Körper zu zittern und mit den Zähnen zu klappern. Dieser Vollidiot!

"Du tust mir weh", maulte ich mit bebender Stimme und ließ mich von ihm am Arm in eine Seitenstraße ziehen, wo er mich plötzlich losließ. Entweder wollte er sich gar nicht die Mühe machen, mich mit nach Hause zu nehmen, oder er war obdachlos.

"Hey, Kleine", hörte ich plötzlich jemanden hinter mir und drehte mich mit großen Augen um.

"Reahlyn", strahlte ich über beide Ohren und lief die letzten Meter auf ihn zu, um ihn in eine feste Umarmung zuziehen.

"Scheiße, Love! Du zitterst am ganzen Körper!", stellte er fest und löste sich von mir, um seine Lederjacke und seinen weißen Pullover auszuziehen. Vorsichtig zog er mir beides über und warf dann einen warnenden Blick zu dem Typen.

"Du hast gesagt rein, bezahlen und raus", verteidigte der sich sofort über meinen knappen Aufzug und ich atmete einmal tief durch, als mir bewusst wurde, dass Reahlyn ihn geschickt hatte. Kurz hatte ich mir nämlich Sorgen gemacht, das wieder Kugeln fliegen würden.

"Zieh bitte schonmal den Helm an."

Er reichte mir mit einem Lächeln den schwarzen Helm und lief dann nochmal zu dem Typen, um diesem etwas Geld in die Hand zu drücken. Mich faszinierte die Tatsache trotz allem immernoch, dass er nur noch ein weißes Tanktop anhatte und nicht zu frieren schien. Ein Wolf zu sein hatte wirklich viele Vorteile...

"So, dann mal schnell weg hier", meinte er aufmunternd, als er zurückkam und setzte sich auf sein Motorrad, wo ich sofort hinter ihm Platz nahm und mich fest an ihn klammerte.

Das laute Aufheulen der Maschine hallte durch die engen Straßen und rasend schnell fuhren wir dann los Richtung Wald.

Ich ließ die Fahrt über meine Gedanken schweifen. Dachte über die letzte Stunde nach. Darüber, wie eifersüchtig ich reagiert hatte... Darüber, wie froh ich über Pablos Worte war, morgen Benjamin sehen zu dürfen. Darüber, wie schlecht es Esteban wegen mir ging und plötzlich konnte ich unter dem Helm meine Tränen nicht mehr zurückhalten.

Es war einfach alles zu viel. Ständig wurde ich von einem Gefühl zum anderen katapultiert. Ich kannte überhaupt keine Normalität mehr, schwankte immer zwischen Extremen und so langsam kam ich damit nicht mehr wirklich klar.

Dazu mein schlechtes Gewissen darüber, mich zu zwei Männern hingezogen zu fühlen... ich empfand mich selbst nur noch als Last für alles und jeden, der mit mir zu tun haben musste.

Reahlyn bemerkte anscheinend, dass es mir nicht gut ging, denn sofort spürte ich seine Hand auf meinen, sie fest um seinen Bauch geklammert waren. Es beruhigte mich, doch die Tränen hörten trotzdem nicht auf und mittlerweile schämte ich mich selbst sogar dafür zu weinen.

Als wir dann endlich da waren, stieg ich vorsichtig ab und zog den Helm aus, um mir die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, während Reahlyn mich besorgt musterte, bis seine Augen meine verletzte Hand fixierten.

"Wer war das?", fragte er sofort mit wütender Stimme und stieg dabei von seiner Maschine ab, um sich genau vor mich zu stellen.

"Ich", gab ich beschämt darüber zu, wieso ich mich verletzt hatte und wich seinem Blick dabei aus.

"Und wie ist das passiert?"

Flüchtig schaute ich ihm tief in seine Augen und wollte einfach nur noch ehrlich sein. Egal ob er mich gleich wieder wegschicken würde, er hatte es nicht verdient, weiterhin belogen zu werden und ich hatte keine Kraft mehr, alles immer und immer wieder in mich reinzufressen und dabei kaputt zu gehen.

"Ich liebe dich", hauchte ich leise und sofort wollte er meine Hand ergreifen, doch ich wich einen Schritt zurück, was ihn mich fragend anschauen ließ. "Aber ich habe auch Gefühle für Esteban."

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The split Mate - Only by nightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt