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Man lebt zweimal. Das erste mal in der Wirklichkeit. Das zweite mal in der Erinnerung;
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In Gedanken versunken stand ich vor Estebans Grab und ließ den Brief dann auf dem kleinen Mamorstein liegen, den ich letzte Woche selbst ausgesucht hatte und von dem ich mir sicher war, er hätte ihm mit seiner dunklen Farbe sehr gefallen.

Drei Wochen war es nun her und auch wenn jeder von uns so langsam wieder ins Leben zurück fand, so wurde die Trauer trotzdem ein Begleiter, der immer tief in uns verankert wäre. Ich lernte aber damit zu leben und hielt mich an dem Glauben fest, dass er nun vereint mit seiner großen Liebe an einem schönen Ort verweilte und genau diese Vorstellung, machte es um einiges erträglicher.

"Bist du soweit?", sprach Reahlyn mich vorsichtig an und sofort wandte ich mich ihm nickend zu. Er nahm meine Hand in seine, was mir immernoch ein Bauchkribbeln bescherte und gemeinsam verließen wir diesen kleinen Friedhof, der für mich ein Ort des Friedens wurde.

"Ist alles okay?", fragte er mich dann und ich spürte dabei seine besorgten Blicke förmlich auf mir. Reahlyn hatte es wirklich schwer mit mir die letzten Wochen, aber er blieb stets ruhig, auch wenn ich öfter weinend in seinen Armen einschlief und er nicht so Recht wusste, wie er mit mir umgehen sollte. Auch die Tatsache, dass wir uns seit jeder Nacht nichtmal geküsst hatten, war für ihn sicher nicht einfach, doch ich brauchte meine Zeit für mich und es lag keinesfalls an ihm.

Zeit, um zu trauern.
Zeit, um mich selbst zu finden.
Zeit, um zu lernen, dass ich kein schlechtes Gewissen brauchte, um glücklich zu sein.

Das alles durchlebte ich die letzten Wochen und nun war ich an dem Punkt, wo ich bereit war weiterzumachen.

"Ja, alles okay", gab ich ihm zurück und lehnte meinen Kopf gegen seinen Arm, während wir durch die Kälte zu seinem Motorrad liefen.

Mittlerweile hatte ich meinen eigenen Helm und nachdem ich diesen aufgezogen hatte, stieg ich hinter Reahlyn auf und umfasste seine Tailie, um dann einfach die Augen zu schließen und dem Geräusch der Reifen auf dem Asphalt zu lauschen.

Ich hatte heute Abschied genommen und egal wie sehr es mich immernoch schmerzte, ich hatte mir fest vorgenommen, nicht mehr nur nocu in Trauer zu leben. Natürlich würde ich noch traurig sein, aber nicht mehr abwesend und leblos...

Wir kamen schnell an dem schönen Ort im Wald an und sofort kam Benjamin auf uns zugewatschelt, der anscheinend mit Maisie und ihren Freundinnen gespielt hatte. Er hatte eine viel zu große gelbe Jacke an, dazu eine rote Stoffmütze, die Reahlyns Mutter ihm gestrickt hatte und sah einfach nur zuckersüß aus.

"Ryn!", kicherte er und sprang ihm mit voller Kraft in die Arme, um dann lächelnd an seinen schwarzen Helm zu klopfen, den Reahlyn sofort lachend abnahm.

"Na Kleiner, bereit weiter zu arbeiten?", erkundigte er sich bei Benjamin, der sofort mit großen Augen zustimmend nickte.

"Ich wünsche euch viel Spass und bitte schau, dass er die Mütze anlässt", wandte ich mich dann Reahlyn zu und gab ihm einen dankbaren Kuss auf die Wange, ehe auch Benjamin einen bekam und beide mich zufrieden anstrahlten.

"Dann mal los. Bis später Mama."

Ich nahm Reahlyns Helm und schaute den beiden noch hinterher, wie sie hinten an der riesen Wiese bei ein paar aufgestellten  Holzbacken Halt machten.

Ja, mein Traummann wollte unsere Traumhütte selbst bauen und er und Justin verbrachten jede freie Sekunde damit, daran zu arbeiten. Genau wie Benjamin auch.

Wenn es jemanden gab, dem Benjamin den ganzen Tag hinterherstampfte und jeden seiner Schritte neugierig beobachtete und auch nachmachte, dann war es mein wolfischer Seelenverwandter. Er schien ein Vorbild in ihm gefunden zu haben und auch diese friedliche, freie Natur um uns herum, tat ihm einfach nur gut. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie selten Pablo wohl mit ihm rausgegangen war und dankte dem Schicksal täglich dafür, dass Reahlyn immernoch an meiner Seite war, auch wenn jeder andere schon gegangen wäre.

"Love", hörte ich dann meinen Namen und wurde somit aus meinen Gedanken gerissen, während ich zu Reahlyns Mutter starrte, die vor ihrer Hütte stand und mir zuwinkte.

Schnellen Schrittes lief ich auf sie zu und begrüßte sie dann freundlich.

"Lust mir beim Kochen zu helfen?", lächelte sie und ich folgte ihr bereitwillig ins Haus hinein, wo es durch den Kamin schön warm war. Ich wusste, dass sie ihn nur für mich und Benjamin anmachten, auch dafür war ich unheimlich dankbar.

Ich zog meine schwarze Jacke aus, hing sie über einen der Stühle am Esstisch und wandte mich dann ihr zu, bis ich plötzlich inne hielt, als sie mich mit schrägem Kopf irritiert ansah.

"Was ist los?", wollte ich wissen und suchte ihren Blick und sofort wurden ihre Augen groß und selbst ihr Mund öffnete sich leicht, als hätte sie einen Geist gesehen.

"Was hast du denn?", fragte ich erneut nach, doch sie riss mich plötzlich in ihre Arme, um mich so fest an sich zu drücken, dass mir kurz die Luft wegblieb. Ich wusste überhaupt nicht was hier gerade passierte, ließ es aber einfach über mich ergehen und schob es darauf, dass alle Wölfe hier, egal ob groß oder klein, immer extrem freundlich zu mir waren. Es lag wohl einfach in ihrer Natur.

"Ich freu mich so", quietschte sie dann und völlig verwirrt löste ich mich von ihr, um sie jetzt doch fragend zu mustern. Das hatte doch nichts mehr mit übermäßiger Freundlichkeit zu tun.

"Über was freust du dich denn so?"

"Love, du bist schwanger!"

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The split Mate - Only by nightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt