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Warte nicht, bis der Sturm vorüberzieht, sondern lerne im Regen zu tanzen;
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Wieder vor der Hütte angekommen, öffnete ich ihm die Tür und wartete dann ungeduldig, bis er sich wieder zurückverwandelt und anzogen hatte.

Es dauerte nicht lange, da rief er nach mir und auch ich betrat das mir so vertraut vorkommende Zimmer. Zweimal hatte ich hier erst geschlafen, doch es kam mir vor, als würde ich schon ewig bei ihm sein. War das diese Verbindung, wo er meinte, das Menschen sie nur wenig spüren? Wie musste er sich dann erst fühlen ...

"Und?", wandte er sich an mich und zog sich zu seiner schwarzen Jeans noch einen schwarzen Pullover über. "Fällst du gleich wieder in Ohnmacht oder ist alles okay?"

Er strahlte über beide Ohren, was nur wieder seine so schönen Grübchen zeigte. Mein Blick fiel dann jedoch sehnsüchtig auf seine Lippen und dann stellten sich mir wieder Selbstzweifel in den Weg. Mein Lächeln verschwand. Zurück blieb eine ungewohnte Unsicherheit.

"Ich fand es sehr schön", hauchte ich und lief an ihm vorbei, um mich seufzend auf der Kante seines Bettes niederzulassen. Er folgte mir und ging vor mir in die Hocke, um mein Kinn etwas anzuheben, so dass ich ihm direkt in die Augen sehen musste.

"Erzählst du mir jetzt, was los war. Du kannst mir vertrauen, Love. Ich tue nichts ohne deine Zustimmung. Ich verspreche es dir", sprach er ruhig auf mich ein und streichelte dabei zärtlich mit dem Daumen über meine Wange.

"Ich kann nicht", flüsterte ich und atmete tief durch. Die Last auf meinen Schultern wurde immer schwerer.

"Wieso willst du dir nicht helfen lassen? Wovor hast du Angst?"

Ich wich beschämt seinem Blick aus, starrte gedankenverloren zum Fenster und versuchte mir meine Worte zurecht zu legen, doch ich wusste nichtmal, wo ich anfangen sollte. Es war so viel passiert, so viel, dass es kaum zu begreifen war. Ich wünschte mich jetzt schon in den Wald zurück...

"Es fing an, als du Ronald in die Hand geschossen hast", flüsterte ich nervös, doch als mein Blick auf sein Gesicht fiel, schien er verwundert über meine Aussage.

"Du meinst, in den Kopf", gab er mit gerunzelter Stirn von sich und jetzt war ich die Verwirrte.

"Nein, ich meine beim ersten Mal", erklärte ich und starrte ihm irritiert in seine Augen, die voller Unwissenheit zu sein schienen.

"Love, ich hab den Typ zum ersten und letzten Mal gesehen da in der Seitengasse", meinte er und ich zog sofort erschocken Luft.

Esteban...

Ich stand vorsichtig auf, lief an ihm vorbei zum Fenster und stellte mir plötzlich die Frage, warum Esteban genau wie Reahlyn das Bedürfnis hatte, mich zu beschützen. War er auch ein Wolf? Konnte das möglich sein?

"Was hast du?", lenkte Reahlyn meine Aufmerksamkeit wieder auf sich und fragend drehte ich mich zu ihm herum. Mittlerweile stand auch er wieder aufrecht.

"Du scheinst Esteban zu kennen. Gehört er auch zu deinem Rudel?", fragte ich und gleichzeitig dachte ich darüber nach, das dann ja auch Pablo dazugehören müsste. Das war völlig unlogisch.

"Esteban?", knurrte er seinen Namen und nahm plötzlich eine völlig andere Haltung an. Ich konnte selbst durch den Pullover hindurch erkennen, dass seine Brust sich anspannte und auch seine Hände waren nach dem Aussprechen dieses Namens zu Fäusten geballt. "Ganz sicher nicht."

Er hatte so viel Abneigung in seiner sonst so schönen Stimme, dass ich ihn in dem Augenblick überhaupt nicht wiedererkannte. Was war zwischen den beiden nur vorgefallen?

"Entschuldige, ich wollte dich nicht wütend machen. Ich dachte nur, dass du das warst, aber wenn du es nicht warst, dann muss er es gewesen sein, der Ronald in die Hand geschossen hatte."

Er schnaubte laut aus, trat nah an mich heran und schaute mich mit so einem Hass in den Augen an, dass ich nervös einen Schritt zurückwich.

"Esteban ist ein mieses Arschloch, Love! Du solltest dich wirklich von ihm fernhalten. Egal was er tut, er tut es nur für sich selbst! Er interessiert sich für niemanden!"

"Das stimmt nicht", unterbrach ich ihn sofort und wusste in dem Moment selbst nicht, wieso ich plötzlich für Esteban eintrat, aber ich musste es einfach. Es war wie ein Zwang der nicht zu unterdrücken war.
"Weißt du, das er weiß, dass du Ronald erschossen hast? Er hat es aber nicht gemeldet. Das hat er sicher nicht für sich selbst getan!"

Meine Stimme wurde, ohne das ich es wollte, immer lauter und ich hätte mich gerne gestoppt, war aber plötzlich nur noch im Verteidigungsmodus. Immerhin hatte er sich gegen seinen Bruder gestellt und mich vor Ronald gerettet, also musste ein guter Kern in ihm stecken.

"Meine Güte, Love! Natürlich hat er das für sich getan, damit er dich ficken kann, was er deinem Verhalten nach auch schon getan hat!"

Ich holte aus und wollte ihm eine knallen, doch er hielt meine Hand fest und schaute mich eindringlich an.

"Denkst du ich kann ihn nicht an dir riechen? Denkst du, mit seinem Geruch an dir möchte ich dich küssen? Denk bitte nach, Love und vertrau mir. Egal was er für dich schon getan hat, du bist ihm nichts schuldig. Gar nichts und dieser Mann wird dein Untergang sein genau wie bei-"

Er stoppte plötzlich und starrte mich an, als wäre er gar nicht mehr ganz da. Sein leerer Blick fiel wie durch mich hindurch und umso länger es still war, umso lauter hörte ich mein vor Aufregung schnell pochendes Herz schlagen.

"Reahlyn? Wie bei wem? Wovon redest du?", wollte ich mit leiser Stimme wissen, doch er sagte nichts mehr, ließ meine Hand los und schnappte sich den Motorradhelm von seinem Schreibtisch.

"Ich fahr dich nach Hause."

Seine Stimme war voller Kälte und ich versuchte ihn zu beruhigen, indem ich seinen Arm ergriff und wartete, bis er mich ansah.

"Tu das nicht. Rede mit mir", bat ich flehend, doch er strich mir nur einmal sanft durch meine Haare, ehe er sich aus meinem Griff befreite.
"Lass uns gehen."

Völlig überrumpelt von seinem Verhalten folgte ich ihm und nahm ganz genau die Kälte und Trauer wahr, die mich voll und ganz einnahm. Jeder Schritt auf sein Motorrad zu, schmerzte, doch ich wusste selbst wie es war, wenn man einfach alleine sein wollte und wenn man über etwas nicht reden wollte, also zog ich an der Maschine angekommen ohne Gegenwehr den Helm an, den er mir wortlos reichte und stieg hinter ihm auf das Motorrad, während ich froh war, dass er meine Tränen unter dem Visier nicht sehen konnte.

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The split Mate - Only by nightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt