55

2.7K 201 59
                                    

Man zahlt mit zu viel Schmerz für den Luxus, zu lieben;
_____

Ohne Reahlyn an meiner Seite, wurde mir sofort kälter und das Gefühl, ganz alleine zu sein, wuchs mit jeder neuen Sekunde, bis ich wirklich kurz davor war, ein Taxi zu rufen, zu ihm zu fahren und allem und jedem für immer lebe wohl zu sagen.

Ich würde mit ihm einfach das Leben leben, dass mich glücklich machen würde und jeden Augenblick mit ihm in vollen Zügen genießen.

Gedanklich sah ich es schon vor mir, wie wir beide herumalbern würden. Stellte mir vor, wie es wäre, jeden Abend in seinen Armen einzuschlafen und in diesen auch jeden Morgen aufzuwachen. Ich wusste in diesem Augenblick, dass ich davon nie genug bekommen würde und ich würde jede Sekunde mit ihm an meiner Seite schätzen...

Doch dann, als der Gedanke kam, dass wir sicher irgendwann eine Familie gründen würden, kam mir mein kleiner Benjamin in den Sinn. Reahlyn hatte Recht, ich konnte ihn nicht zurücklassen... das wäre wirklich etwas, dass ich mir nie verzeihen würde...

Und dann war da noch Esteban... der Mann, den ich liebte, der mich aber nie glücklich machen könnte, denn er selbst war so gebrochen, dass er selbst kaum noch am Leben teilnahm...

Als ich dann vor dem All in ankam, schaute ich hoch zu der blinkenden Reklametafel und dachte an Estebans Drohung den Laden abzufackeln. Bei Gott, ich hätte ihm dabei helfen sollen...

Mein Blick fiel dann wehmütig an mir herunter, wo ich sofort Reahlyns Klamotten sah, die mir viel zu groß waren. Hoffentlich würde Pablo nicht eins und eins zusammenzählen.

Ein letzter Atemzug der frischen Luft, ein letztes Mal den dunklen Nachthimmel über Juneau betrachten dann auf in den Kampf, der für mich so gut wie verloren schien.

Ich riss einer der Doppeltüren auf, betrat nur zögerlich meine persönliche Hölle und sofort wehte mir der Geruch von Zigarren und Alkohol in die Nase.

Die Lichter flackerten bereits, die ruhige House Musik nahm den ganzen Raum ein und mit Blick auf die ganzen Männer, die Natalia beim Tanzen zusahen, nahm ich vorsichtig eine Stufe nach der anderen, während ich mich am Geländer festhielt und meine Augen zur Bar schweifen ließ.

Sofort wurde mir der Boden unter meinen Füßen unsanft entrissen und alles schien sich langsamer zu bewegen, selbst die Musik wurde leiser, als ich in diese dunklen Augen sah, die mich gefangen hielten.

Esteban sah aus, als hätte er tagelang nicht geschlafen. Die Ringe unter seinen Augen zeigten sich selbst hier zu deutlich und auch seine Haare lagen nicht mehr so perfekt, wie sonst immer.

Dieser Anblick brannte sich direkt in mein Herz und mein Verstand ertrug es kaum, ihn so zu sehen, sodass ich mich anstrengen musste, überhaupt noch zu Atem zu kommen.

Dazu das schlechte Gewissen gegenüber Reahlyn, überhaupt etwas für jemand anders zu empfinden... Ich hätte mich am liebsten selbst mit angezündet...

"Love", sprach Esteban mich dann an, als ich gerade an ihm vorbei zur Garderobe wollte und obwohl ich mich dagegen wehrte, bei ihm stehen zu bleiben, tat ich es doch.

Ich wandte mein Gesicht zu ihm, versuchte mir aber nicht anmerken zu lassen, wie viel ich in diesem Moment empfand und dachte dann schmerzhaft darüber nach, welch Worte ich ihm an den Kopf geknallt hatte.

"Können wir kurz reden?", fragte er und erhob sich von dem Hocker, sodass ich meinem Kopf etwas heben musste, um ihn noch ansehen zu können.

"Ja", hauchte ich leise und lief ihm vorraus zur Garderobe, in der er hinter uns die Tür schloss und sich tief durchatmend an sie lehnte.

Mit dem Blick auf ihn gerichtet, nahm ich auf dem Stuhl vor dem Spiegel Platz und wartete dann total nervös und angespannt darauf, was er mir wohl zu sagen hatte.

"Sag mir bitte, was Pablo gegen dich in der Hand hat", wollte er plötzlich wissen und sofort wollte ich seinem Blick ausweichen, doch er kam auf mich zu und ging genau vor mir in die Hocke, um mich fragend zu mustern.

"Nichts", gab ich hastig von mir, doch ich war wirklich naiv. Reahlyn konnte fühlen, was ich fühlte, genau wie Esteban in meinen Augen jede Lüge erkennen konnte. Für ihn war ich ein offenes Buch, dass er schon tausend Mal gelesen hatte.

"Love, bitte lüg mich nicht an", flüsterte er und nahm meine Hände in seine, um auf jede einen Kuss zu hauchen, was so beruhigend und gleichzeitig so unangenehm wirkte, dass ich kaum wusste, wie ich reagieren sollte. "Ich ertrage das alles nicht mehr und wenn ich nur wüsste, was dich noch hier hält, dann könnte ich etwas dagegen tun und du würdest endlich glücklich werden."

"Esteban, du musst mich nicht retten", versuchte ich ihm zu erklären und entzog ihm dann meine Hände, um vorsichtig aufzustehen.

"Doch, dass muss ich. Ich habs verstanden, Love. Ich sehe wessen Klamotten du trägst und mir ist klar, für wen du dich entschieden hast, aber ich werde trotzdem nicht länger untätig dabei zusehen, wie du immer und immer weitermachst mit diesem Schreckenskarussell tagtäglich."

"Und wieso?", wollte ich dann wissen und drehte mich zu ihm herum. Ich wusste nicht, warum ich diese dämliche Frage stellte, tat es aber trotzdem und schaute ihm dabei tief in seine Augen.

"Weil ich dich liebe, auch wenn du nicht das gleiche empfindest."

Er kam einen Schritt auf mich zu, sodass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüren könnte und streichelte mir dann sanft über meine Wange, wodurch mir eine Gänsehaut über die Arme zog und Tränen den Weg in meine Augen fanden.

"Du hast keine Ahnung was ich empfinde", hauchte ich und es klang fast schon verzweifelt, während ich dann einen Schritt von ihm zurückwich und es somit unterbrach, dass er mich berühren konnte.
"Ich liebe dich, Esteban und das so intensiv, dass es mir beinahe schon völlig verrückt erscheint, wenn man bedenkt, wie kurz ich dich nur kenne. Und genau das ist es! Ich komme mir vor, als würde ich dich mein ganzes Leben kennen!", erklärte ich dann und ignorierte dabei die vielen Tränen und auch das überschlagen meiner zitternden Stimme. "Aber Reahlyn, er ist mein Glück, meine Hoffnung und mein zweites Ich und selbst wenn ich weiß, dass ich ohne dich nie wirklich vollkommen zufrieden sein kann in meinem Leben, so habe ich mich trotzdem für ihn entschieden, auch wenn es so unfassbar weh tut..."

Durch meinem Tränenschleier hindurch versank ich in seinen dunklen Iriden und fasste mir dabei an mein schmerzendes Herz. Ich hatte mich entschieden und obwohl ich wusste, wie richtig meine Entscheidung war, schmerzte es mich bis tief in mein Unterbewusstsein. Es war mir unbegreiflich, wie ich je so leben sollte ohne täglich von Erinnerungen geplagt zu werden, die mir sein Bild vor Augen zeigten, doch ich musste, denn es war mein Schicksal...

"Du musst nicht meinetwegen weinen, Love", sprach er leise und kam auf mich zu, um mich fest an seine Brust zu ziehen. "Weißt du nicht mehr... dein Glück wird mein Glück sein und daran wird sich auch niemals etwas ändern."

_______

_______

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.
The split Mate - Only by nightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt