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Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen;
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Schweigend ließ ich die Zeichnung wieder auf den Tisch sinken und ließ Reahlyn dabei nicht eine Sekunde aus den Augen.

Er rührte sich genauso wenig wie ich und schien selbst auch damit beschäftigt, mich fasziniert zu mustern. Fast so, als wäre ich etwas ganz Besonderes in seinen Augen.

Es war definitiv merkwürdig, aber keinesfalls unangenehm und doch wollte ich mich aus dieser Starre befreien.

"Warum hast du mich hergebracht?", wollte ich schließlich mit leiser Stimme wissen und vermied es absichtlich, ihn nochmal auf Ronald anzusprechen- geschweige denn zu fragen ob er der Maskierte war. Solche Fragen hob ich mir lieber für die Zeit auf, in der wir nicht alleine in einer Hütte mitten im Wald standen.

"Wo sollte ich dich sonst hinbringen?", stellte er sofort eine Gegenfrage und verunsicherte mich damit ein wenig. Er zuckte unwissend mit den Schultern und fuhr sich dabei durch die braunen Haare, wodurch seine Brustmuskeln anspannten, was ich durch das weiße Tanktop ganz genau sehen konnte.

Ich sagte nichts darauf, weil ich es selbst nicht wusste. Nach Hause und einsam die Decke anstarren wollte ich nicht. Dafür verfolgten mich die Alpträume von letzter Nacht noch zu sehr und es wären nach all den schlimmen Ereignissen heute sicher viele neue dazugekommen.

Seltsamerweise wollte ich in diesem Augenblick wirklich nichts anderes, als hier bei ihm zu sein, was ich mir aber selbst nicht erklären konnte.

"Du kannst dich ruhig hinlegen, wenn du müde bist. Ich werde auf dem Boden schlafen", schlug er vor und lief dabei über den Teppich, um die Decke seines Bettes etwas herunterzuziehen.

"Ich glaube nicht, dass ich nach all dem schlafen kann", gab ich schweratmend von mir und hielt mir dabei die Hand an den Kopf, als könnte ich so die Bilder von Ronald verdrängen.

"Love", hauchte Reahlyn und kam sofort mit besorgtem Blick auf mich zu, um seine Hand auf meine Wange zu legen.

Von dieser Berührung überforder, zuckte ich zusammen und schaute eingeschüchtert auf in seine blauen Augen. Ich wusste nicht, wieso er so liebevoll zu mir war und wusste auch nicht, wie ich mich verhalten sollte.

Mir war solche Nähe doch eigentlich zuwider ... Wieso aber machte sie mir bei ihm nichts aus?

Verwirrt über mich selbst, wandte ich mein Gesicht aus seiner Hand und lief an ihm vorbei zu dem Bett, um Mantel und Schuhe auszuziehen. Ich wollte flüchten. Flüchten aus dieser Situation. Flüchten vor meinen Erinnerungen und wenn ich hier umgeben von Wald sowieso nirgendwo hin konnte, dann blieb mir wenigstens die Flucht in die Welt eines guten Films.

"Könntest du mir bitte ein Video anmachen?", wandte ich mich an ihn und zeigte dabei auf den alten Rekorder, der hinter dem Fernseher stand.

"Natürlich", kam es sofort von ihm und er stand so schnell direkt neben mir, dass mir leicht schwindelig wurde. "Was möchtest du sehen?"

So langsam kam es mir vor, als würde sich bei ihm alles nur darum drehen, mich zufrieden zu stellen. Hätte ich nicht eben noch gesehen, wie er jemanden erschossen hat, hätte ich ihn als den liebevollsten Menschen dieser Welt beschrieben.

Ich hob die Schultern unwissend und setzte mich vorsichtig auf das Bett, um mir die Decke dann bis unter die Nase zu ziehen.
"Such du was aus", murmelte ich halb in die Decke. "Aber nichts mit Waffen!", fügte ich schnell noch hinzu, was ihn dann nickend die Kommode öffnen ließ.

Er legte einen Film ein, machte danach das große Licht aus und setzte sich genau neben mich auf den Boden, während sein Arm genau neben mir auf dem Bett lag.

Meine Augen huschten von seinem tätowierten Arm wieder zum Fernseher, doch da blieben sie nicht lange, denn immer wieder schaute ich flüchtig zu ihm herüber. Er schien ganz ruhig zu atmen und starrte dabei die ganze Zeit in den Fernseher, während ich plötzlich seinen Geruch in die Nase bekam und davon eine Gänsehaut auf meinem ganzen Körper entstand.

Dieser Duft war undefinierbar. Es war kein Parfum - kein süßlicher Geruch, wie Esteban ihn trug. Das war etwas völlig anderes. Fast schon, wie ein frisch gewaschener Hund, aber es roch einfach nur so gut, dass ich dachte, abhängig werden  zu müssen.

Stirnrunzelnd und mit meinen eigenen Gefühlen überfordert, schaute ich noch mal zu ihm herüber und als er dann meinen Blick erwiderte und sanftmütig lächelte, zog ich die Decke von meinem Mund herunter.

"Hast du zufällig einen Hund?"

Er grinste und plötzlich bemerkte ich zum ersten Mal seine so hübschen Grübchen, die auf seinen Wangen entstanden.

"Nein", schmunzelte er und hob dann eine Augenbraue. "Wieso?"

"Nur so", murmelte ich und schaute wieder nachdenklich zum Fernseher.

Ich konnte ihm ja schlecht an den Kopf werfen, dass er wie ein Hund roch, also konzentrierte ich mich auf das schwarzweiße Geflacker und spürte dann nach einer kurzen Zeit, wie meine Lider schwerer und schwerer wurden. Mit aller Kraft versuchte ich mich wach zu halten und schüttelte dabei leicht meinen Kopf, doch irgendwann spürte ich nur noch, wie Reahlyn leicht über meine Wange streichelte und driftete unter seinen sanften Berührungen einfach weg, ohne etwas dagegen tun zu können.

Und zum ersten Mal seit langem, waren da keine Alpträume, keine Sorgen, kein Hochschrecken und keine Ängste.

Ich fühlte mich nur noch geborgen und dass, obwohl er nicht mal neben mir lag.

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The split Mate - Only by nightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt