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Es ist egal, wie viel Zeit man mit einem Menschen verbracht hat. Wenn die letzte Stunde anbricht, war es immer zu wenig;
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"Was hast du da gerade gesagt?"

Ich hörte zwar die zitternde Stimme von Esteban hinter mir, reagierte jedoch nicht auf sie. Wie erstarrt blickte ich in das Gesicht des Teufels, der sichtlich Spaß daran hatte, alles um sich herum zerbrechen zu sehen...

"Love, was hast du da gerade gesagt?!", wurde er lauter und ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten.

Ich spürte seine Hand an meiner Schulter und drehte mich nur widerwillig zu ihm herum, wo er mich völlig geistesabwesend ansah. Seine Lippen zitterten. Seine Augen schienen gleichermaßen von Trauer und Wut überzogen und ich wusste nicht, wie ich je wieder ein Wort herausbekommen sollte. Er legte seine Hände auf meine Wangen, wischte mir mit seinen Daumen zärtlich die Tränen weg und für einen ganz kurzen Augenblick, indem ich mich ihm so nah fühlte und sein Schmerz zu meinem wurde, vergaß ich selbst Pablo, bis dieser sich hinter uns räusperte.

"Ach, Esteban", fing er an und sofort löste dieser sich von mir, um seinen Bruder voller Hass zu fixieren. Er schob mich vorsichtig zur Seite und ging einen Schritt auf Pablo zu, während er aussah, als wäre ihm jetzt alles egal.

Mein Herz überschlug sich, denn ich wusste, dass es jetzt kein Zurück mehr gab. Die Wahrheit fand ihren Weg an die Oberfläche, nur wünschte ich, sie hätte sich einen anderen Augenblick ausgesucht. Einen, der uns drei nicht eingeschlossen in einem Raum festhielt.

"Weißt du, ich habe dir einen Gefallen getan. Hättest du wirklich dein Leben hier aufgeben wollen, für irgendeine Frau, die dich eh verlassen hätte?! Ich bin dein Bruder und war immer da!", schrie Pablo ihn an und in dem Moment, wollte Esteban auf ihn los, doch sofort richtete Pablo seine Waffe wieder auf mich, was dazu führte, dass ich bitterlich weinend einen Schritt zurückwich, sodass ich die harte Wand in meinem Rücken spürte.

"Ich werde dich töten!", zischte Esteban und warf dann einen flüchtigen Blick zu mir, um in seiner Bewegung inne zu halten.

"Ach, wie herzergreifend. Zwei Liebende, denen gerade klar wird, dass sie nie zusammen sein können."

Wir beachteten Pablo gar nicht, dessen Waffe immernoch auf meinen Kopf gerichtet war, sondern verloren uns in unseren Augen. Ich erinnerte mich an das erste Mal, als ich seine Stimme hörte. An seine Berührungen, die mir den Atem raubten und als ich mir dann klar wurde, dass Pablo sicher gleich abdrücken würde, um seinen Bruder ein für alle Mal zu zerstören, dachte ich an Reahlyn. Ich flehte nach seiner Hilfe, hoffte, er würde mich hören und schrie innerlich immer wieder nach seinem Beistand, bis Esteban sich wieder Pablo zuwandte und auch ich wieder zu dem Teufel rüberschaute.

Er genoss es in vollen Zügen, die Macht über uns zu haben, die Situation zu kontrollieren und das zeigte er uns auch, in dem er einfach lächelte und keinerlei Emotionen zeigte.

"Weißt du Bruder. Eigentlich wollte ich dieses Miststück abknallen, damit wir quitt sind, denn dann hätte ich nicht nur deine, sondern auch meine Freundin getötet, aber mittlerweile weiß ich gar nicht, wem von euch ich mehr Schmerz gönne", erklärte er grinsend und wie in Zeitlupe sah ich dann dabei zu, wie er seine Pistole plötzlich genau auf Esteban richtete, der ihm gegenüber stand.

"Nein", flüsterte ich kaum hörbar und wollte einen Schritt nach vorne machen, doch dieser Knall, der mir bis tief ins Mark ging, ließ mich wie in Trance einfach erstarren.

Alles wurde still, so still, dass es grausam wirkte und das ich kurze Zeit brauchte, um zu realisieren, was geschehen war.

Mein Blick fiel zu Pablo, der sich mit der Waffe in der Hand auf seinem Stuhl hinter den Schreibtisch niederließ. Er wirkte benommen und nahm seine Zigarre in die Hand, um dann ins Leere zu schauen.

"Love", hauchte Esteban und als ich meine Augen dann zu ihm schweifen ließ, sah ich mit Herzrasen dabei zu, wie sein weißes Hemd sich immer mehr mit Blut füllte, während er mir hilfesuchend in die Augen sah, ehe er kraftlos zusammensackte.

"Nein.... Oh Gott, nein...", hauchte ich immer wieder und lief eilig auf ihn zu, um mich vorsichtig neben ihn zu setzen. "Esteban...."

Er ließ sich auf den Rücken fallen und sofort presste ich meine zitternden Hände auf die Wunde auf seiner Brust, um fest zuzudrücken.

Es musste ein Traum sein, das redete ich mir immer wieder ein, denn mit dieser Realität würde ich nicht leben können.

"Love?", hauchte Esteban und ich hatte Probleme dabei ihn anzusehen, denn mittlerweile flossen mir die Tränen so schnell über meine Wangen, dass ich kaum noch etwas um mich herum erkennen konnte. Ich sah nur noch das Blut, dass meine kompletten Hände einnahm und unaufhaltsam durch sein Hemd sickerte.

"Ich war nicht Schuld, an Alice Tod?", keuchte er und schnappte immer wieder nach Luft, während ich mich mit meinem Arm von den Tränen befreite und ihn dann lächelnd ansah, obwohl ich innerlich im Sterben lag, genau wie er.

"Nein, du bist an gar nichts Schuld...", schluchzte ich leise und sah zum ersten Mal sein strahlendes Lächeln, während er mit großer Anstrengung versuchte, seine Hand an meine Wange zu legen.

Ich hätte ihm diese Mühe gerne erspart, doch ich musste die Wunde festhalten. Wenn ich nur das Blut stoppen könnte...

"Du warst das Beste, was mir die letzten-"

"Halt den Mund! Du wirst nicht lebe Wohl sagen!", unterbrach ich ihn weinend und im selben Moment wurde hinter uns die Tür aufgetreten.

Ich hörte einen erneuten Schuss und drehte mich völlig verängstigt um, wo ich sofort Reahlyn erkannte, der an mir vorbeischaute. Mein Blick fiel zu Pablo und ich war einfach nur froh, dass er endlich das zeitliche gesegnet hatte ... doch leider zu spät.

"Reahlyn, hol Hilfe", wandte ich mich zu ihm, doch er sah mich nur entschuldigend an, was mich fassungslos lauter werden ließ. "Was stehst du nur rum????!", schrie ich verzweifelt und spürte dann eine zitternde Hand auf meinen.

"Er weiß, dass es keine Hilfe mehr geben wird", keuchte Esteban und sofort nahm ich meine Hände von seiner Wunde, um sie an seine Wangen zu legen.

"Du stirbst nicht! Ich kann nicht ohne dich leben... bitte, stirb nicht...", hauchte ich immer wieder die selben Worte verzweifelt, doch Esteban wirkte so ruhig und gelassen, als würde ihm das Sterben gar nichts ausmachen.

"Alles wird gut", röchelte er und schaute dann flüchtig zu Reahlyn, um sich mit einem schwachen Nicken von diesem zu verabschieden, ehe er dann wieder mich ansah.

"Du wirst ein schönes Leben haben", hauchte er und ich schüttelte nur verneinend den Kopf. Solche Worte wollte ich nicht hören. "Ich werde Alice erzählen, was für ein wundervoller Mensch nun an Reahlyns Seite ist."

"Nein!", schluchzte ich immernoch, doch dann bemerkte ich, dass von ihm überhaupt keine Wärme mehr ausging. Seine Augen wurden glasig, seine Atmung stoppte und wie in einem Schock gefangen, starrte ich ihn ungläubig an und zitterte am ganzen Körper, bis ich Reahlyns Hand an meiner Schulter bemerkte.

Sofort schlug ich sie weg und rüttelte an Esteban, doch es kam keine Reaktion mehr. Kein letztes ich liebe dich. Kein letztes ich kenne dich... Da war nichts mehr und bitterlich weinend ließ ich mich auf ihn fallen. Ich wollte auch sterben, denn diesen Schmerz konnte ich nicht ertragen.

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The split Mate - Only by nightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt