Ich schmiss die Tür ins Schloss und rutschte dann an ihr herunter auf den Boden. Von außen konnte ich das Gelächter der Jungs hören. Auch wenn es auf Joshs Kosten ging, konnte ich mich nicht darüber freuen. Ich war einfach zu aufgebracht. Immer mehr Tränen rollten meine Wangen entlang und fielen auf meine Knie die ich an meinen Körper gezogen hatte.
'Er ist es nicht wert', hallte eine Stimme in meinem Kopf.
'Er ist es nicht wert'. Wie ein Mantra wurde es wiederholt. Trotzdem half es nicht meine Tränen zu lindern. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und stand auf. Ich musste an die frische Luft. Ich öffnete die Tür und stieg die Feuertreppe runter. Immer noch flossen Tränen, die ich eisern weg wischte. Trotzdem kamen immer neue hinzu, sodass ich es aufgab. Ich pfiff nach Dexter, der hier irgendwo stecken musste. Er wartete schon am Ende der Treppe auf mich.
Die ganze Halle war in Schweigen gehüllt. Alle sahen mich schockiert an. Da hatten sie ihre Tränen. Sie wollten mich doch am Boden sehen, da hatten sie es. Ich blickte nicht zu ihnen sondern ging schluchzend aus der Halle. Dexter folgte mir dabei auf Schritt und Tritt. Hinter der Halle war ein kleiner Garten, in dem ich als kleines Mädchen immer mit Dad gespielt hatte.
Dorthin verschlug es mich jetzt. Ich hob unterwegs einen Stock auf und ließ mich dann auf der Bank unter dem großen Kirschbaum nieder. Ich warf den Stock weg und Dexter brachte ihn mir wieder. Das wiederholten wir einige Male, bis jemand mir den Stock abnahm und weiter wegwarf, sodass Dexter weiter laufen musste. Ich blickte auf und sah meinen Vater vor mir stehen. Er lächelte mich kurz mitleidig an bevor er sich neben mir setzte und mich in den Arm nahm. Jetzt ließ ich den Tränen erst Recht freien Lauf, während er mir beruhigend über den Arm strich.
"Jungs können grausam sein", meinte er. Ich nickte.
"Was hat er denn getan?"
"Das war Josh", erklärte ich ihm. Er löste seine Umarmung um mich anzusehen.
"Der Josh? Dein Ex-Freund?" Wieder nickte ich.
"Was wollte er?"
"Er wollte wieder neu anfangen, aber ich sagte, dass ich das nicht könnte" Er nickte verständnisvoll.
"Wer hat überhaupt Schluss gemacht? Ich weiß nur, dass es kurz vor deiner Abreise nach Frankreich war"
"Ich habe Schluss gemacht" Er blickte mich nachdenklich an, derweil kam Dexter mit dem Stock wieder, den er meinem Vater hinhielt. Er kraulte ihn als Belohnung zwischen den Ohren und warf den Stock dann wieder weg.
"Warum?"
"Er nahm es mit der Treue nicht so genau" Ich sah, wie sich seine Hand zu einer Faust ballte.
"Warum hast du mir das nie gesagt?", brachte er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
"Damit du dich in den nächsten Flieger nach New Orleans setzt und ihn dann verprügelst? Nein, ich fand das keine gute Idee"
Er atmete tief durch und löste die Faust.
"Was ist oben in der Wohnung passiert?"
"Ich meinte, dass ich nicht mit ihm zusammen sein könnte, nachdem was passiert war. Er meinte darauf bloß, dass ich ihm auch schon mal fremd gegangen wäre"
Gegen Ende des Satzes brach ich wieder in Tränen aus. Dad nahm mich wieder in den Arm doch ich spürte, dass er sich anspannte.
"Wo ist dieses Arschloch?", fragte er mich ruhig, doch ich wusste, dass es in ihm nicht ruhig war. Er kochte vor Wut.
"Lass gut sein, Dad. Ich hab' ihm schon eine geklebt" Dexter kam wieder angerannt, ließ den Stock vor uns fallen und sprang dann auf meinen Schoß. Er merkte, dass ich nicht sehr gut drauf war und versuchte mir gerade meine Tränen abzulecken, was mich etwas zum Lachen brachte. Ich streichelte ihn noch einige Zeit bis sich Dad neben mir erhob. Er sah noch einmal lächelnd zu mir runter.
"Ich muss jetzt wieder rein. Leider habe ich noch eine schlechte Nachricht für dich"
"Geht's eigentlich noch schlimmer?"
"Deine Mutter kommt dich morgen besuchen. Sie will sicher gehen, dass du es bei mir gut hast" Er verdrehte dabei die Augen.
"Benimm dich bitte. Ich sag auch den Jungs Bescheid, sonst kommt sie mir noch damit, dass du kein gutes Umfeld hast und dann will sie dich wieder mit zu ihr nehmen. Ich denke das willst du nicht und ich schon gar nicht"
Er lächelte mich nochmal an und strich mir über den Kopf, bevor er wieder ging. Ich blickte ihm noch kurz nach bevor Dexter wieder meine Aufmerksamkeit verlangte. Nach einer halben Stunde entschloss auch ich mich dafür wieder rein zu gehen. Vor der Doppelflügeltür atmete ich einmal tief durch bevor ich sie öffnete und in die Halle trat.
"Hey Ally!" Nein, bitte nicht. Schon legte sich ein Arm um meine Schulter.
"Hab' gehört, dass deine Mum morgen kommt. Ist doch bestimmt toll. Sie muss eine echte Wildkatze sein. Hey, Jungs, soll ich den Trainer fragen ob sie gut im Bett ist?"
Schon drang Seth's Stimme an mein Ohr. Ich nahm seinen Arm von meinen Schultern, mal wieder.
"Ich glaube, sie ist etwas zu alt für dich", erklärte ich monoton und blickte die Jungs vor mir der Reihe nach an.
"Du siehst scheiße aus", bemerkte Devin ziemlich passend.
"Danke! Das ist das schönste Kompliment, dass ich je bekommen habe", gebe ich sarkastisch von mir.
"Was war bei dem Kerl anders? Dylan hast du doch auch ohne lang' zu fackeln in die Eier getreten" Zustimmendes Gemurmel auf Aramis' Bemerkung hin.
"Mit Dylan war ich ja auch nicht zusammen" Ich zuckte mit den Schultern.
"Das war dein Freund?" Die Jungs machten große Augen.
"Ex-Freund", korrigierte ich sie.
"Und jetzt möchte ich alleine sein", verkündete ich und lief zu den Feuertreppen.
"Die Kleine hat Liebeskummer, wie süß"
"Seth, ich glaube es reicht jetzt" Jonah, der dem ganzen eher skeptisch zugesehen hatte, sprach das Machtwort.
Dankbar sah ich ihn an, als ich die Treppe hoch stieg.
"Jonah, du musst dich jetzt nicht als den großen Retter aufspielen. Wir wissen alle, dass ihr gestern zusammen im Regen geschmust habt. Hat sehr romantisch ausgesehen. Soll ich vielleicht den Trainer fragen ob er euch beide auch so süß findet?"
Ich drehte mich zu ihnen um als ich merkte, dass Jonah nichts sagen würde.
"Fick dich, Seth"
DU LIEST GERADE
Scars of the past
RomantikNach zwei Jahren Aufenthalt in Frankreich findet Allison sich in Seattle bei ihrem Vater wieder. Dieser ist Sozialbeamter und hilft Jugendlichen, die schon mal mit der Polizei in Konflikt geraten sind. Dabei hatte Ally mit viel gerechnet. Aber nicht...