Kapitel 55: Habt ihr euch getrennt?

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Ich saß in meinem Zimmer und las ein Buch. Mit den Jungs hatte ich seit Wochen so gut wie keinen Kontakt mehr. Außer mit Devin, da er mich immer zur Schule fuhr. Er war auch derjenige, der mich über Jonah auf dem Laufenden hielt. Der mir erzählte wie es ihm geht. Der mir erzählte welche Fortschritte er bereits gemacht hatte.

Devin war auch derjenige, der mir riet Jonah und mich nicht gleich aufzugeben. Er meinte, es hätte alles einen Grund. Ich würde es irgendwann verstehen. Aber ich wollte es nicht irgendwann verstehen. Ich wollte es jetzt verstehen. Ich legte das Buch weg. Ich konnte mich sowieso nicht konzentrieren. Ich hatte Jonah jetzt schon seit Wochen nicht gesehen und ich vermisste ihn. Obwohl ich enttäuscht von ihm war, vermisste ich ihn. Denn ich liebte ihn. Noch immer.

Drake saß mittlerweile im Gefängnis. Auch Jonah hatte ihn bei den Fotos wiedererkannt. Und seine Zeugenaussage stimmte mit meiner über ein. Seufzend ließ ich mich nach hinten auf mein Kissen fallen und starrte die weiße Decke über mir an. Ich wusste noch immer nicht, wer dieser Drake überhaupt war oder von wo er und Jonah sich kannten noch den Grund warum er auf ihn geschossen hatte und eigentlich mich treffen wollte.

In letzter Zeit wusste ich gar nichts mehr. Und ich verstand gar nichts mehr und das regte mich auf. Ein Klopfen an der Tür unterbrach mich bei meinen Gedanken. Sie öffnete sich und mein Dad kam herein.

"Ich frage mich echt was du hier den ganzen Tag machst. Und ich fange langsam an mir echt Sorgen zu machen", meinte er als er sich zu mir aufs Bett setzte. Ich richtete mich auf, sodass ich neben ihm saß.

"Mir geht es gut", log ich und fuhr mir durch die Haare.

"Ich brauche gerade nur etwas Zeit für mich selbst", erklärte ich und das war die Wahrheit. Ich wollte gerade meine Ruhe haben. Dad nach nickte. Ich zog meine Beine an meinen Körper und legte meine Arme darum.

"Die Situation ist gerade nicht einfach, hmm?" Ich nickte. Auch wenn er keine Ahnung von der Situation hatte, traf er genau ins Schwarze.

"Aber ich habe eine gute Nachricht für dich" Ich hörte auf die Wand vor mir abzustatten und sah nun ihn an.

"Jonah kommt morgen wieder. Er hat in der Reha so große Fortschritte gemacht, dass er frühzeitig entlassen worden ist", erzählte er stolz. Doch von mir bekam er nicht die Reaktion, die er vermutlich haben wollte.

"Was ist denn los? Du freust dich ja gar nicht"

"Doch ich freue mich", widersprach ich ihm. Es war wahr. Ich freute mich, dass er wieder gesund war. Es waren nur die Umstände mit denen ich nicht besonders gut klar kam. Misstrauisch sah er mich an.

"Du hast ihn in den letzten Wochen auch überhaupt nicht mehr besucht", stellte er fest.

"Habt ihr euch getrennt?"

"Wir waren nie zusammen, Dad", erklärte ich und drückte mein Gesicht in mein Kissen. Am liebsten wollte ich mir den ganzen Frust von der Seele schreien.

"Aber er will nichts mehr mit dir zu tun haben?" Ich nickte.

"Er hat mir über Devin befohlen ihn nicht mehr zu besuchen", nuschelte ich ins Kissen hinein.

"Daher weht der Wind", stellte Dad fest. Wow, er hatte mein Genuschel verstanden.

"Deswegen verschanzt du dich in deinem Zimmer und malst diese Bilder" Ich drehte mich wieder auf den Rücken.

"Du magst ihn wirklich sehr", erkannte er schließlich. Ich nickte. Er legte seine Hand auf meinen Handrücken. Die Narbe begann wieder zu kribbeln doch ich ignorierte es.

"Versuch morgen oder in nächster Zeit mit ihm zu reden. Das alles kann auch an ihm nicht spurlos vorbei gehen. Er wird seine Gründe haben"

"Gründe. Alle sagen, er hätte seine Gründe. Dabei traut er sich nicht einmal mir selbst ins Gesicht zu sagen, dass es vorbei ist. Und das ist es was mich enttäuscht. Ich hatte ihn anders in Erinnerung"

Wieder drückte ich mein Gesicht ins Kissen. Dad strich mir sachte über den Rücken.

"Ach ja, die Liebe", seufzte er bevor er Aufstand und mein Zimmer verließ. Ich drehte mich auf den Rücken und griff zu einer Fernbedienung, die auf meinem Nachttisch lag.

Ich drückte auf einen Knopf und schon ertönte Musik. Ich stellte sie so laut, dass ich meine Gedanken nicht mehr hören konnte.

Wahrscheinlich hörte man die Musik bis unten in der Halle. Doch das war mir egal. Dann wussten die Jungs wenigstens was gute Musik war.

Scars of the pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt