Ich tauchte den Pinsel in Farbe und strich mit diesem über die Leinwand. Abgesehen von den Geräuschen aus der Halle war es still in der Wohnung. Es erschallte kurz das Gelächter der Jungs, dann war es wieder ruhig. Ich verdrehte die Augen. Ich war immer noch sauer auf sie nach ihrer Aktion gestern und habe auch noch kein Wort mit ihnen geredet, was weder sie noch mich zu stören schien. Plötzlich klopfte es an der Tür. Ich legte den Pinsel beiseite und putzte meine Hände an einem Tuch ab.
Wenn das jetzt einer der Idioten war, würde ich ihn eigenhändig erwürgen. Ich öffnete die Tür und wollte sie gleich wieder schließen. Vor der Tür stand ein Idiot, aber keiner von denen, die mein Vater betreute. Sondern Josh. Mein Ex-Freund. Und er sah immer noch so gut aus wie vor 2 Jahren. Bevor ich die Tür ganz schließen konnte, schob er einen Fuß dazwischen, sodass ich gezwungen war ihn herein zulassen. Über seiner Schulter hinweg konnte ich sehen, dass den Jungs dieses Szenario nicht unbemerkt geblieben ist. Na Klasse!
"Komm Ally, lass mich rein" Widerwillig ließ ich ihn rein, in der Hoffnung er würde so schnell wieder verschwinden, wie er aufgetaucht ist. Meine Augen wurden groß als er mir den Strauß aus Rosen überreichte, den er hinter seinem Rücken versteckt hatte. Sogar 2 Jahre später wusste er noch, wie er mich um den Finger wickeln konnte. Ich sah mir den Strauß kurz an und legte ihn dann auf die Kommode neben der Tür. Ich wollte die Tür wieder schließen, jedoch bemerkten die Jungs mich und stießen laute Pfiffe aus. Ich ging mit Josh ins Wohnzimmer, wo wir uns dann auf das Sofa setzten.
"Was willst du hier?", fragte ich ohne lange um den heißen Brei zu reden. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf, was ich bei ihm immer total süß fand.
"Ich wollte dich sehen. Ich habe dich vermisst" Mit seinen großen, braunen Augen sah er mich an.
"Wieso jetzt?"
"Du bist, nach diesem Vorfall, sofort nach Frankreich abgehauen" Er zuckte mit den Schultern. Ich schnaubte wütend. Vorfall, das war mehr als nur ein Vorfall! Noch zu gut konnte ich mich daran erinnern, was vor 2 Jahren passiert ist.
Wütend stieg ich aus dem Bus und ignorierte dabei die Blicke der Leute auf meine bandagierten Hände. Meine Mutter hatte mich allen Ernstes in ein Mädcheninternat in Frankreich angemeldet und morgen ging schon der Flug. Ich war auf dem Weg zu Josh um mich von ihm zu verabschieden und um ihn zu fragen ob eine Fernbeziehung einen Sinn machen würde. Vor seiner Haustür kramte ich nach seinem Schlüssel, den er mir mal gegeben hatte.
Ich ließ ihn fallen, da ich vor Wut schon zitterte. Der einzige, der mich jetzt noch beruhigen konnte, war Josh. Als ich die Tür endlich geöffnete hatte, schaute ich im Wohnzimmer. Dort war er aber nicht, also musste er in seinem Zimmer sein. Ich stieg also die Treppen hoch und öffnete die Tür. Doch was ich dort sah, trieb mir Tränen in die Augen. Josh lag in seinem Bett. Nackt. Brittany, die Schulschlampe, stöhnend unter ihm. Er bemerkte mich nicht einmal.Meine Freundinnen hatte Recht, als ich mich auf ihn eingelassen hatte. Er würde mich verletzen.
"Ich mache Schluss!" Das einzige was ich von ihm sah, war sein Kopf der ruckartig in die Höhe schoss, bevor ich die Tür ins Schloss schmiss.
Ich hatte eigentlich gedacht, damit abgeschlossen zu haben, jedoch bemerkte ich, dass ich wieder sauer wurde wenn ich daran dachte.
"Ich bin nicht wegen dir nach Frankreich gezogen. Ich wollte mich von dir verabschieden, aber du musstest ja das Arschloch spielen!" Ich war auf hundertachtzig.
"Du wolltest dich von mir verabschieden?" Ich nickte.
"In Frankreich gab es einen Physiologen der mir helfen konnte. Außerdem meinte meine Mutter, wenn ich dort eine Weile wohnen würde, dann würde ich alles besser verarbeiten. Aber du musstest mich ja mit Brittany betrügen. Ausgerechnet mit Brittany. Es war ja nicht so als hätte ich dir nicht gesagt, dass ich Brittany nicht leiden könnte. Ich hoffe, du hast dir bei ihr alle Geschlechtskrankheiten eingefangen, die es gibt"
Bei jedem Wort schlug ich ihm gegen die Brust, bis er das nicht mehr so witzig fand und sie festhielt.
"Deine Launen fand ich immer heiß", raunte er mir verführerisch ins Ohr.
"Du hast deine Karten verspielt. Woher weißt du überhaupt, dass ich hier bin?"
"Deine Mum hat es mir erzählt" Er zuckte mit den Schultern, ließ meine Hände aber nicht los.
"Und du dachtest dir dann einfach: Komm ich fliege von New Orleans nach Seattle. Das ist ein Katzensprung"
"Nein, ich dachte: Deine Oma wohnt in Seattle. Sie möchte immer, dass du sie besuchst, dann kannst du auch gleich mal mit Ally sprechen. Wir haben uns immerhin nie ausgesprochen"
Er beugte sich vor, sodass ich nach hinten fiel und er auf mir lag. Meine Hände hielt er über meinem Kopf fest. Danach drückte er seine Lippen gegen meine. Ich verlagerte mein Gewicht, sodass er vom Sofa fiel und ich auf ihn drauf. Aufgrund des Schreckens ließ er meine Hände los. Ich sprang auf und flüchtete in die andere Ecke des Raumes, also zu der Wand mit den großen Fenstern, die zur Halle ausgerichtet waren.
Die Jungs sahen uns durchs Fenster zu, wie ich bemerkte. Josh hatte sich aufgerappelt und kam näher. Er stütze beide Hände neben meinem Kopf ab und lehnte seine Stirn gegen meine. Wie oft standen wir schon in dieser Position?
"Was ist los? Früher gefiel es dir doch auch wenn ich dich überraschend geküsst hatte"
"Damals hast du mich auch noch nicht betrogen. Oder besser gesagt, ich wusste von nichts"
"Ach komm schon. Ist es wegen einem von denen? Bist du verliebt oder hast du einen Freund?" Ich schüttelte den Kopf.
"Es war einfach verletzend, was du getan hast."
"Jeder Mensch hat Bedürfnisse"
"Wir waren 14, du Arschloch"
"Du hast mich ja auch betrogen!" Geschockt sah ich ihn an. Das hatte er jetzt nicht gesagt. Es klatschte, sein Kopf schnellte zur Seite und als er wieder zu mir sah, erkannte ich meinen roten Handabdruck an seiner Wange. Ich schlüpfte unter seinen Armen hindurch und lief zur Tür. Tränen schossen mir in die Augen.
"Ich wäre fast gestorben", flüsterte ich und öffnete die Tür.
"Geh!", zischte ich.
"Ally, ich wollte-"
"Verschwinde! Ich will dich nie wieder sehen!", schrie ich ihn nun an. Mit gesenktem Kopf verließ er die Wohnung. Ich wollte gerade die Tür schließen als mein Blick auf die Rosen fiel, die er mir geschenkt hatte. Ich schmiss sie ihm an den Kopf.
"Und nimm deine verdammten Rosen mit!"

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Scars of the past
RomantizmNach zwei Jahren Aufenthalt in Frankreich findet Allison sich in Seattle bei ihrem Vater wieder. Dieser ist Sozialbeamter und hilft Jugendlichen, die schon mal mit der Polizei in Konflikt geraten sind. Dabei hatte Ally mit viel gerechnet. Aber nicht...