Erschrocken lösten wir uns voneinander und Jonah warf einen Blick nach hinten. Ich lugte über seine Schulter um zu sehen wer uns unterbrochen hatte. Devin stand, mit verschränkten Armen, an seinem Auto gelehnt und musterte uns mit hochgezogenen Augenbrauen. Wie konnte ich nur vergessen, dass er auch noch hier war? Verwirrt drehte Jonah sich zu mir um.
"Er hat mich her gefahren" Er drückte sich von der Mauer ab, sodass ich nun etwas mehr Freiraum hatte.
"Man hatte ja schon bemerkt, dass ihr beide etwas füreinander übrig habt, aber das ihr das so offensichtlich tut, hätte ich nicht gedacht"
Jonah kratzte sich etwas verlegen am Hinterkopf. Ich wurde rot. Er hatte alles mitgekriegt.
"Eigentlich wusste ich nicht mal, dass du da bist"
"Was meintest du damit, dass man das mit uns bemerkt hat?"
"Ihr seid oft zusammen, wenn du abhaust wegen Seth, läuft er dir hinterher, an dem Abend als du uns von deiner Vergangenheit erzählt hast, habt ihr beiden Händchen gehalten und wie ich gerade gehört habe, habt ihr sogar die Nacht zusammen verbracht. Außerdem war Jonah die ganze letzte Woche total mies gelaunt"
Okay, das war offensichtlich. Aber er zählte sogar Sachen auf, die passiert waren bevor da etwas zwischen uns war. Mir wurde das erst jetzt bewusst.
"Wir haben nicht miteinander geschlafen, wenn du das denkst", warf ich schnell ein. Ich fand das so peinlich ihm Rede und Antwort stehen zu müssen, während Jonah überhaupt nichts tat. Ich möchte jetzt einfach nur nach Hause.
"Weiß mein Vater eigentlich, dass du im Knast warst?", wandte ich mich an Jonah. Dieser zuckte mit den Schultern und blickte Devin an. Er schüttelte den Kopf.
"Komm Ally, ich fahr dich nach Hause. Der Flug war lang und es ist schon spät" Ich nickte, da ich die Müdigkeit wirklich schon spüren konnte. Devin ging rüber zur Fahrerseite und stützte sich auf dem Autodach ab.
"Wie kommst du nach Hause, Jonah?"
"Ich nehm mir ein Taxi"
"Mach dir keine Umstände. Ich fahr dich. Kannst ja dann noch etwas Zeit mit deiner Freundin verbringen" Schlagartig lief ich wieder rot an.
"Wir sind kein Paar", murmelte ich. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass Jonah auf eine Beziehung aus war. Dieser sah nun nicht mehr in meine Richtung. Er dachte wohl das Gleiche. Devin sagte nichts dazu. Ich wandte mich wieder von Jonah ab und sah zu Devin. Dieser wies mich mit einer Geste an wieder ins Auto zu steigen. Der Fairness halber setzte ich mich nach hinten, da Jonah größer war als ich.
Er hätte hinten keinen Platz gehabt. Auch sie stiegen nun ein und wir fuhren schweigend durch die Straßen von Seattle. Es wurde langsam dunkel. Als wir etwas später vor der Halle parkten, konnte ich es gar nicht mehr abwarten Dad wiederzusehen.
"Ich komm doch noch mit rein", meinte Jonah und hob meinen Koffer aus dem Kofferraum. Dankend nahm ich ihn entgegen. So schlenderten wir zu dritt zur Halle.
Devin war noch so gnädig mir die Tür aufzuhalten. In der Halle stürmte ich sofort auf meinen Dad zu, der mich auch gleich in die Arme nimmt.
"Schön, dass du wieder da bist", flüsterte er mir ins Ohr. Er strich mir sanft über den Rücken.
"Wie war es in New Orleans?", fragte er als er sich von mir löste und sich meinen Koffer schnappte.
"Gut, ich habe viel Zeit mit Mum verbracht und ihren Freund besser kennengelernt. Es war eine schöne Woche aber ich bin froh wieder hier zu sein", berichtete ich.
"Warum hast du solange gebraucht? Dein Flieger sollte doch um 7 Uhr landen. Es sind schon halb neun"
Ich sah kurz zu Jonah, der hinter meinem Vater stand und mit den Schultern zuckte. Er war eine tolle Hilfe.
"Wegen dem Wetter musste das Flugzeug mit Verspätung starten"
"Außerdem war gerade viel Verkehr als wir herfuhren. Der übliche Feierabendverkehr", kam Devin mir zu Hilfe. Dankbar sah ich ihn an als ich merkte, dass Dad mit diesen Entschuldigungen einverstanden war.
"Ihr Beide schuldet mir was", flüsterte Devin mir kaum merklich zu.
Ich lächelte ihn an als ich neben ihm herlief, hinauf in unsere Wohnung. Er trug mir den Koffer bis in mein Zimmer, obwohl ich das auch alleine geschafft hätte. Das Zimmer war wieder aufgeräumt. Es fühlte sich gut an wieder hier zu sein obwohl ich hier erst einen Monat wohnte. Überhaupt hatte sich mein Leben in diesem Monat sehr verändert.
Manches zum Positiven und manches zum Negativen. Negativ war, dass mich meine Vergangenheit eingeholt hatte und Hampton wusste, wo ich war. Positiv war, dass ich mehr Zeit mit meinem Vater verbringen konnte, mich mit meiner Mutter vertragen hatte, neue Freunde gefunden hatte und dieses Etwas das zwischen Jonah und mir war.
Ich wusste, dass es mehr als Freundschaft war. Ich gab zu, dass ich ihn anziehend fand und dass ich mich in ihn verliebt hatte. Nur wusste ich nicht, was er davon hielt. Warum tat er solche Sachen mit mir? Wenn er nicht mehr als eine Freundschaft wollte, warum küsste er mich? Wenn er auch etwas für mich empfand, warum sagte er es mir nicht? Er müsste doch merken, dass ich etwas für ihn übrig hatte.
Ich setzte mich auf mein Bett und fuhr mir durch meine Haare. Mit einem Schlag wurde mir klar, dass mein Leben sich nicht nur zum Positiven und Negativen geändert hatte. Es war auch verdammt komplizierter geworden. Ich stand wieder auf. Ich wollte jetzt schlafen. Ich zog meine Schlafsachen an und schloss das Fenster, das zur Halle zeigte. Jonah sah genau in diesem Moment hoch und lächelte. Ich erwiderte es bevor ich die Gardine zuzog und mich in mein Bett legte. Vielleicht war mein Leben komplizierter geworden aber auch schöner.
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Scars of the past
RomantizmNach zwei Jahren Aufenthalt in Frankreich findet Allison sich in Seattle bei ihrem Vater wieder. Dieser ist Sozialbeamter und hilft Jugendlichen, die schon mal mit der Polizei in Konflikt geraten sind. Dabei hatte Ally mit viel gerechnet. Aber nicht...