Kapitel 26: Ich verspreche es

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Seit Allison die Halle mit Dylan verlassen hatte, herrschte eine bedrückende Stimmung. Immer wieder wanderte Simons Blick auf die Uhr und er wünschte sich nichts sehnlicher als, dass er seine Tochter nicht mit diesem Jungen hätte gehen lassen sollen. Ihm war mulmig bei dieser Sache und den andern Jungs erging es nicht anders. Auch sie wirkten unruhig, vor allen nachdem, was Ally ihnen am letzten Abend erzählt hatte. Nie hätten sie gedacht, dass die Tochter ihres Trainers ihre Schutzmauern fallen ließ und sich ihnen öffnete. Ihnen von ihrer Vergangenheit erzählte. Ihrer Geschichte.

Auch Jonah dachte an den gestrigen Abend. Sie hatte sich ihm gegenüber noch ein Stück weiter geöffnet und sie hatten die Nacht zusammen verbracht. Er musste an den Kuss denken. Es war nur ein sehr kurzer, aber dennoch ein Kuss. Oft musste er daran denken. An ihre weichen vollen Lippen, die kurz auf die seinen waren. Er dachte oft an diesen Kuss und obwohl er eigentlich nur im Sinne hatte sie zum Schweigen zu bringen, hatte er ihm gefallen.

Trotzdem würde er es nie sagen. Nicht Ally und auch nicht den Jungs. Seine Gedanken wurden durch das Öffnen der Doppelflügeltür unterbrochen. Alle Köpfe schnellten zur Tür hin als ein junger Mann herein trat. Allein an seiner Kleidung, seinem Anzug, konnte jeder im Raum erkennen, wer er war.

Ein Cop. Beim genaueren Hinsehen fiel jedem auf, dass es der Cop war, der schon einmal hier war um mit Allison zu sprechen.

Sie hatte ihn auch am gestrigen Abend erwähnt. Ihr Retter in der Not. Mit schnellen Schritten durchquerte er die Halle, bis er beim Trainer ankam.

"Detective Moore", begrüßte Simon ihn knapp.

"Kann ich etwas für Sie tun?"

"Es geht eher darum was ich für Sie tun kann"

"Ist etwas mit Allison passiert?" Die Sorge stand dem Trainer regelrecht ins Gesicht geschrieben.

"Noch nicht"

"Ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen. Warum sind sie dann hier?"

"Hampton ist ausgebrochen" Jetzt wurde absolut jeder im Raum hellhörig. Hampton, der Mann der Allys Leben zur Hölle machte, war draußen. Den Schreck verdauend, setzte Simon sich auf eines der Sofas, die sich in der Nähe befanden. Sein Gesicht war ganz blass.

"Wie ist das möglich? Er wurde doch bewacht"

"Hampton war Medizinstudent. Er hatte sich selbst Medikamente verabreicht, bei denen die gleichen Symptome auftreten, wie bei einer akuten Blinddarmentzündung. Wie er an die Medikamente kam, ist noch ungewiss. Im Krankenzimmer des Gefängnisses überwältigte er den Arzt und konnte flüchten. Polizeistreifen sind in der gesamten Stadt unterwegs"

Simon atmete tief aus und die Jungs bemühten sich unauffällig näher zu kommen, ohne dass es allzu sehr auffiel. Denn auch sie hatten das launische und oft zickige Mädchen mit der schrecklichen Vergangenheit in ihr Herz geschlossen.

"Warum sind Sie dann hier?", fragte der Trainer den Polizisten.

"Ich habe Grund zur Annahme, dass er versuchen wird Allison zu finden um dann sein angefangenes Werk zu vollenden"

"Ach verdammt!", fluchte er, der Verzweifelung nahe.

"Ich hätte diesem Date nie zustimmen sollen. Ich hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl"

"Wissen Sie, wo Ally sein könnte?" Aufgebracht schüttelte Simon den Kopf. Nun wandte der Polizist sich an die Jungen.

"Wisst ihr, wo sie sein könnte?" Alle schüttelten den Kopf.

"Hatte sie ihr Handy dabei als sie gegangen ist" Fragend blickten die Jungen sich an. Hatte sie es dabei?

"Ja", rief der Kleinste und Jüngste der Gruppe, Alejandro.

"Ich hab gesehen, wie sie es eingepackt hatte" Sofort zückte der Cop sein Handy und schickte die Nummer seiner Kollegin und rief sie kurz darauf an.

"Rhonda, kannst du mir bitte den Standort dieser Nummer ausfindig machen? So schnell wie möglich"

Kurze Zeit später bekam er auch schon die Koordinaten zugesendet. 

"Die Koordinaten zeigen mir, dass sie sich in einem Wald befindet. Könnte ich mir ein Kleidungstück von Ally ausleihen, damit die Hunde sie schnell finden können?" Wie in Trance nickte Simon und gab dem Polizisten zu verstehen ihm zu folgen. Zielstrebig gingen sie in Allisons Zimmer, welches wie verwüstet aussah. Schockiert blieben beide im Türrahmen stehen. Beide wussten sie was los war. Er war hier. Er war hier vor ihren Augen. Die Wut runterschluckend begab der Vater sich zum Kleiderschrank und gab dem Detective ein einfaches T-Shirt, dass Ally oft anhatte.

"Versprechen Sie, dass Sie mir meine Tochter lebend wiederbringen werden?" Der Polizist zögerte kurz bevor er nickte.

"Ich verspreche es" Mit hektischen Schritten mache er sich davon. Auf dem Weg zu seinem Wagen checkte er die Koordinaten. Über Funk forderte er Verstärkung und eine Hundestaffel an. Er schaltete das Blaulicht und auch die Sirene ein um durch den Verkehr zu kommen. So schnell wie nur möglich brauste er durch die Straßen von Seattle. Nun zählte nur die Zeit.

Zeit, eine unterschätzte Dimension unserer Gesellschaft. Doch niemand hatte sie. Die Zeit. Das Leben eines jeden Menschen war vergänglich und würde Thomas Moore sich nicht beeilen dann wäre Allys Leben schon zu Ende bevor es erst richtig beginnen konnte. Bei diesem Gedanken drückte er unweigerlich noch mehr aufs Gas. Dabei hatte er immer noch im Hinterkopf, dass er gerade einen Fehler begangen hatte.

Einen großen Fehler, wenn nicht sogar einer der größten Fehler, die ein Polizist in seiner Position, als Detective, hätte tun können. Er hatte ein Versprechen gegeben. 

Scars of the pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt