Kapitel 6: Ich glaube, wir sind jetzt quitt

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Wütend zog ich meine Schuhe an, nahm meine Tasche und machte mich auf den Weg durch die Halle nach draußen. Ich war weder zufrieden noch einverstanden mit der Entscheidung meines Vaters, was meine Mitfahrgelegenheit betrifft. Ich wusste auch nicht mehr wer mich nun eigentlich mitnehmen würde, da ich nach Sätzen wie:

'Du wirst dich sicher gut mit ihnen verstehen' oder 'Sie können dir helfen in der Schule Anschluss zu finden' dicht gemacht hatte. Der beste Satz war aber immer noch: 'Sie mögen dich ganz bestimmt' Am Arsch. Die mögen mich nicht, deshalb fragte ich mich auch schon, welcher Trottel sich freiwillig gemeldet hatte. Dad meinte, dass der Typ auf dem Parkplatz vor der Halle auf mich warten würde.

Tatsächlich lehnte sich da jemand an ein etwas älteres Auto und als er aufblickte, identifizierte ich ihn als Jonah aus meinem Mathekurs. Warum hatte ausgerechnet er sich freiwillig gemeldet? Sicher nur um bei meinem Vater gut da zu stehen. Skeptisch ging ich auf ihn zu. Ich hatte keine Ahnung was ich tun, geschweige denn sagen sollte, aber ihm ging es nicht anders.

Nach der Situation gestern auf dem Schulgang war die Stimmung bei uns ziemlich angespannt. Mit einem Nicken deutete er mir, dass ich einsteigen sollte, was ich auch tat. Im Auto roch es nach Pizza, das mit einer Dose Deo zu überdecken versucht wurde. Auch Jonah stieg nun ein und wir fuhren schweigend los. Ich lehnte meinen Kopf an das kühle Fensterglas. Mit einem Räuspern unterbrach er das unangenehme Schweigen.

"Ich weiß, dass du es komisch findest mit mir in einem Auto zu sitzen, nachdem was gestern war. Ich jedoch sehe darin eine Win-Win-Situation"

Von was sprach er? Win-Win-Situation? Verwirrt blickte ich zu ihm rüber.

"Ich komme gerade nicht ganz mit. Was verstehst du unter einer Win-Win-Situation?"

"Du beweist mir beziehungsweise uns, dass du keine eingebildete Schnepfe bist und wir zeigen dir, dass wir nicht die Vollidioten sind für die du uns hältst"

"Eingebildete Schnepfe? Wow, ich will gar nicht wissen wie ihr mich sonst noch nennt. Gut ich bin einverstanden" Ich betrachtete ihn. Seine blonden Haare waren mit Gel in eine unordentlich gewollte Form gebracht und hingen ihm lässig in die Stirn. Dichte Wimpern umrandeten seine blauen Augen.

"Bist du auch irgendwann fertig mit starren?" Ich schaute schnell weg und wurde dabei natürlich rot. Er grinste mich an. Es war ein warmes, freundliches Grinsen, was mich ein wenig überraschte. Er parkte auf einem anderen Parkplatz als mein Dad gestern. Es standen noch einige um ihre Autos herum und ein paar Gesichter kamen mir bekannt vor. Ich stieg schnell aus um der, mir sehr unangenehmen, Situation zu entkommen. Jedoch hatte ich die Rechnung ohne Jonah gemacht.

"He jetzt warte doch mal" Ich drehte mich wieder zu ihm um und musste feststellen, dass wir beobachtet wurden.

"Soll ich dich nach der Schule wieder nach Hause bringen, sonst übernimmt das einer von ihnen" Er wies mit dem Kopf hinter sich, zu der Gruppe, die uns schon ganz amüsiert musterte. Na Klasse, entweder ich fuhr wieder mit Jonah, der eigentlich ganz angenehm ist, abgesehen von der Situation gerade eben oder mit einem dieser Trottel und erlebe dabei wahrscheinlich noch peinlichere Momente.

"Ich fahre wieder mit dir" Er sah etwas überrascht aus.

"Du verarschst mich jetzt aber nicht, oder?" Ich schüttelte den Kopf.

"Hätte ich einen Grund dazu? Also nach der Schule wieder hier" Er stand bloß da und nickte. Ich schulterte meine Tasche, drehte mich um und machte mich auf den Weg in die Schule. Ich blickte noch einmal nach hinten und sah, dass er mir ziemlich auffällig auf den Hintern glotzte. Ich zog eine Augenbraue hoch.

"Bist du auch irgendwann fertig mit starren?", wiederholte ich seine Worte von vorhin. Ertappt blickte er auf, was mich zum Lachen brachte. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf.

"Ich glaube, wir sind jetzt quitt"

Scars of the pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt