Kapitel 13: Ging es nicht noch weiter weg?

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Gähnend ging ich die Feuertreppe runter.

"Guten Morgen, Ally!" Gerade so konnte ich mich noch am Treppengeländer festhalten um nicht vor Schreck runter zu fallen. Unten in der Halle standen die Jungs alle in einer Reihe und hatten mich scheinbar im Chor begrüßt. Ich zog die Stirn kraus. Irgendetwas war hier faul. Langsam stieg ich die Treppe runter, wobei ich die Jungs nicht aus den Augen ließ. Sie beobachteten mich ebenfalls, grinsten dabei aber breit. Ich stemmte meine Hände in die Hüften.

"Okay Jungs, schießt los! Was habt ihr kaputt gemacht?"

"Wir haben nichts kaputt gemacht. Weißt du heute ist ein besonderer Tag. Nicht für uns aber für dich" 

Ich überlegte bis es mir wie Schuppen vor die Augen fiel. Verdammt, wie konnte ich das nur vergessen?

"Ist sie schon da?" Synchron nickten alle, was ich etwas unheimlich fand, und meinten, dass sie mit meinem Dad in sein Büro gegangen wäre.

"Willst du nicht zu deiner Mum? Du hast sie doch schon lange nicht mehr gesehen", bemerkte einer. Ich schüttelte den Kopf.

"Sie ist hier um zu schauen ob ich es hier gut habe. Wenn das nicht der Fall ist, muss ich nach New Orleans", murmelte ich.

"New Orleans soll eine hübsche Stadt sein", meinte Seth. Devin rammte ihm den Ellenbogen in die Seite.

"Sie meint, dass sie dann zu ihrer Mutter zieht", klärte er Seth auf.

"Geh, so schlimm wird sie schon nicht sein", riet Aramis. Ich warf ihm einen 'Dein-Ernst?'-Blick zu und machte mich dann auf den Weg. Vor der Tür, die in das Büro meines Dads führte, blieb ich stehen und atmete tief durch. Dann öffnete ich die Tür. Dad saß in seinem Schreibtischstuhl und wirkte mehr als erleichtert, dass ich endlich da war. Meine Mum saß auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch und sie hielt Händchen mit einem Typen, der neben ihr saß und ich noch nie gesehen hatte. Er sah aus als wäre er ein Italiener. 

Sie war hocherfreut mich zu sehen, denn sie ließ augenblicklich die Hand dieses Typen los und stürzte sich praktisch auf mich um mich zu umarmen. Hinter ihrem Rücken zog ich eine angewiderte Grimasse, die nur mein Dad sah und sie auch ziemlich lustig fand. Meine Mutter ließ mich nach einer geschätzten Ewigkeit endlich wieder los und musterte mich. Meine Mutter und ich sahen uns überhaupt nicht ähnlich. Während sie blonde Haare und braune Augen hatte, hatte ich kastanienbraune Haare und grüne Augen. 

"Du bist gewachsen", bemerkte sie. Dad räusperte sich um meiner Mutter zu zeigen, dass sie nicht die einzige im Raum war. Sie blickte sich um und zog mich dann zu diesem Italiener, der wahrscheinlich ihr Lover war.

"Allison, das ist Francesco, mein Freund" Dad verdrehte die Augen, sagte aber nichts. Ich reichte diesem Francesco die Hand, die er dann auch schüttelte. Er hatte einfache braune Augen und schwarzes Haar. Ich fand, dass er nichts besonderes an sich hatte und wusste deshalb auch nicht was meine Mutter an ihm fand. Sprechen konnte er scheinbar auch nicht. Ich ging um den Schreibtisch und setzte mich neben Dad auf einen kleinen Hocker. Dexter saß unter dem Schreibtisch.

"Wie findest du es hier, Allison?" Sie sprach meinen Namen immer ganz aus. Sie war der Meinung, dass der Name, den man dem Kind gab auch benutzt werden sollte. Das hieß, sie hielt ziemlich wenig von Spitznamen und Abkürzungen.

"Ich finde es hier toll. Ich habe Dexter hier und Dad und die Schule ist auch nicht übel" Was man nicht alles sagte, um nicht zu seiner Mutter ziehen zu müssen.

"Simon, sind das die Jungen, die du betreust?" Sollte das ein Verhör werden oder was? Dad nickte einfach und Dexter legte seinen Kopf in meinen Schoß. Er merkte, dass die Situation etwas angespannt war. Außerdem entging mir nicht, wie verächtlich Mum das Wort 'Jungen' aussprach.

"Findest du, dass sie der richtige Umgang für Allison sind?" Dad lehnte sich etwas nach vorne.

"Auf was willst du hinaus, Rose?" Gleich gab es Streit, ich ahnte es schon.

"Das du nie für Allison da sein kannst, wenn du dich immer mit diesen Jungen beschäftigen musst. Außerdem sehen sie alle ziemlich asozial aus"

"Rede nicht so über sie. Allison fühlt sich hier wohl und ich finde auch die Zeit um für sie da zu sein. Die Jungs haben sich auch daran gewöhnt, dass jetzt ein Mädchen hier ist und ich finde, dass niemand Ally besser auf diese Welt vorbereiten kann als sie"

"Was? Sie ist das einzige Mädchen hier?" Mum war richtig schockiert. Mir machte das ehrlich gesagt nicht so viel aus.

"Und in New Orleans gibt es keine Jungs? Wo hast du denn dann deinen Freund her?"

"Nein, sie war doch 2 Jahre auf ein Mädcheninternat. Sie ist das doch nicht mehr gewohnt von Jungen umgeben zu sein"

"Hallo? Ich bin auch noch hier. Mir macht das überhaupt nichts aus", mischte ich mich ein, immerhin ging es hier um mich.

"Da hast du es. Du willst mir Ally doch nur wieder wegnehmen"

"Nein, darum geht es nicht. Ich finde nur, dass sie bei Francesco und mir behüteter aufwachsen könnte"

"Wie lange bist du schon mit dem Kerl zusammen?"

"Etwas mehr als 2 Jahre"

"Und er wohnt bei dir?"

"Ja, seit 2 Jahren" In meinem Kopf ratterte es und dann sprang ich auf.

"Hast du mich deswegen auf das Internat geschickt?"

"Was meinst du, Allison?"

"Damit du und dein Lover freie Bahn hatten?"

"Allison, es ist nicht so wie du denkst"

"Doch es ist genau so. Du wolltest vor mir deine Ruhe haben, ich bin dir wahrscheinlich zu viel geworden dann schickst du mich einfach auf dieses verfickte Internat", schrie ich sie an.

"Achte auf deine Wortwahl, Liebes"

"Liebes am Arsch und Dad hast du das alles bezahlen lassen. Ich bin nicht blöd. Weißt du wie es ist in eine fremde Schule zu gehen, in einem fremden Land, auf einem fremden Kontinent und nicht zu vergessen ich konnte nicht mal diese Sprache sprechen. Ging es nicht noch weiter weg? Warum hast du mich nicht sofort nach Alaska verschifft?"

"Ich wollte, dass du Abstand, von all dem was passiert ist, nimmst" Ich schnaubte.

"Das mit dem Abstand hast du wohl wortwörtlich genommen. Zu welchem Preis? Dass Francesco dich auf dem Küchentisch durchnehmen konnte ohne dass ich reinplatzen konnte? Ich ziehe sicher nicht wieder zu dir" 

Ich verließ das Büro und ging nach oben in die Wohnung.

Scars of the pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt