Kapitel 54: Es ist wie es ist!

742 29 0
                                    

Nach dieser Nachricht sagte ich nichts mehr. Devin fuhr mich nach Hause. Doch man sah ihm an, dass er die Entwicklung gerade weder verstand noch akzeptierte. Vor der Halle blieb er stehen. Ich stieg aus und wollte gerade gehen als Devin mich zurück rief. Er stand an seinem Auto gelehnt und hatte seine Arme auf dem Autodach liegen.

"Ich hab keine Ahnung, was Jonah vorhat oder was er genau er damit bewirken möchte. Aber ich polier ihm, wenn er wieder gesund ist, gern persönlich die Fresse" Ich zuckte mit den Schultern.

"Lass gut sein. Versau deine Freundschaft mit ihm nicht wegen mir. Ich war einfach nur eines seiner Mädchen und das war einfach seine Art mich fallen zu lassen. Ich hab's verstanden" Ich drehte mich um und ließ ihn zurück.

"So ist es nicht!", rief er mir zu. Meine Augen füllten sich mit Tränen als ich mich zu ihm herum wirbelte.

"Es ist wie es ist!", schrie ich ihm mit zittriger Stimme über den Parkplatz hinweg an. Mir war klar, dass er weder der Grund für diese Situation war noch war er in irgendeiner Hinsicht Schuld daran. Doch ich musste einfach Dampf ablassen. Ich drehte mich wieder um und wischte mir dabei die Tränen aus dem Gesicht.

"Und wie es ist, ist es Scheiße", murmelte ich bevor ich die Halle betrat. In der Halle herrschte wieder Chaos. Es war alles so wie vorher. Fast alles. Alle ignorierend, stieg ich die Feuertreppe zur Wohnung hinauf, wo ich alleine war. Sofort steuerte ich meine Staffelei an. Ich musste jetzt einfach malen sonst würde ich durchdrehen.

Ich schnappte mir den Pinsel, mischte die Farben, die ich brauchte, und begann schließlich. Ich hatte gar nicht groß darüber nachgedacht, was für ein Bild es werden sollte sondern einfach losgelegt. Ich schaltete ab und ließ meiner Fantasie einfach freien Lauf. Das Bild war durchgehend von den Farben Schwarz, Weiß und Grau geprägt. Hin und wieder rollte eine Träne meine Wange hinab und fiel zu Boden. Als ich mit dem Bild fertig war, betrachtete ich es.

Auf dem Bild sah man ein Mädchen. Kein bestimmtes sondern einfach ein Mädchen. Es saß auf einer Fensterbank und sah den Regentropfen zu, wie sie gegen das Fenster prasselten. Die Beine hatte das Mädchen an ihren Körper angezogen und die Arme drum gelegt. Den Kopf hatte es auf die Knie abgestützt. Doch der Fokus des Bildes lag auf dem Gesichtsausdruck des Mädchens. Es zeigte keine Trauer sondern Enttäuschung. Pure Enttäuschung.

Denn das war ich. Enttäuscht. Ich dachte, Jonah würde mich so lieben wie ich ihn liebte. Doch dem Anschein nach war es nicht so. Sonst würde er nicht, wollen dass ich ihn nicht besuchen, nicht sehen sollte. Ich war enttäuscht von der Person, die mir so viel bedeutete. Das Leben bestand aus so vielen Enttäuschungen. Doch es war nicht das Leben das uns enttäuschte sondern die Menschen denen wir Glauben geschenkt hatten.

Warum passierte das immer mir? Warum glaubte ich immer Menschen zu kennen und ihnen zu vertrauen? Warum? Der Pinsel fiel mir aus der Hand und ich ging in die Knie. Mein Gesicht vergrub ich in meine Hände und ließ meinen Tränen freien Lauf. Schluchzer ließen meinen Körper erbeben.

"Ally, warum liegt du auf dem Boden?" Erschrocken vergaß ich für einen Moment zu atmen. Und im nächsten Moment versuchte ich mein Gesicht mit meinen Haaren zu verdecken damit Dad meine Tränen nicht sah.

"Mein Pinsel ist runter gefallen und ich kann ihn nicht finden", log ich und hoffte, dass meine Stimme nicht zu weinerlich klang.

"Und deswegen weinst du?" Verdammt! Er hatte es gemerkt. Ich vernahm ein Seufzen und kurz darauf einen kleinen Platscher. Er hatte den Pinsel in den Wasserbecher abgelegt. Zwei große Hände legten sich um mein Gesicht und zwangen mich dazu meinen Vater anzusehen. Er strich meine Haare zurück. Besorgt betrachtete er mich.

"Ist etwas passiert?" Ich schüttelte den Kopf und somit seine Hände ab.

"Nichts. Es ist gar nichts"

"Das sieht für mich nicht nach nichts aus. Du weißt, dass ich es hasse wenn man mich anlügt. Vorallem wenn du mich anlügst"

"Ich will nicht darüber reden", erklärte ich resigniert.

"Also doch nicht nichts. Aber wenn du nicht darüber reden willst, belassen wir es dabei. Aber du bleibst nicht da auf dem Boden liegen. Mitkommen"

Er hielt mir seine Hand hin um mir beim Aufstehen zu helfen, was ich auch annahm. Das liebte ich an meinem Dad. Er wusste immer wann er keine Fragen stellen sollte und wann es Zeit war das Thema zu wechseln. Zusammen gingen wir in die Küche, in der er einen schwarzen Ordner zu Tage förderte und öffnete.

"Der Polizist, bei dem wir Anzeige erstellt hatten, war heute hier. Er meinte ich soll dir das hier geben" Er schob den Ordner zu mir rüber.

"In dem Ordner sind Bilder von Vorbestraften auf denen deine Beschreibung passt. Er bittet dich zu schauen op der Kerl dabei ist, der Jonah angeschossen hatte"

Ich sah mir alle Bilder genauestens an. Dort waren Typen, die möchte man abends wenn es dunkel war nicht begegnen. Dann gab es noch Typen, die aussahen als könnten sie keiner Fliege etwas zu Leide tun. Die hatten wahrscheinlich einmal falsch geparkt oder so. Dann sah ich ihn. Hellbraune Haare und stahlgraue Augen. Am Hals konnte man schon einige seiner Tattoos sehen und sogar auf dem Bild der Polizei hatte er ein höhnisches Grinsen als wäre er stolz darauf im Knast gelandet zu sein.

Ich nahm das Foto raus und gab es Dad. Er betrachtete es kurz.

"Das ist er?" Ich nickte.

"Du bist dir ganz sicher?" Wieder nicke ich.

"Gut, ich bring das dann morgen der Polizei vorbei. Und du gehst jetzt schlafen. Du hast morgen eine Mathearbeit"

Scars of the pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt