Kapitel 14: Und die inoffizielle?

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"Du hast das nicht wirklich zu ihr gesagt?" Überrascht sahen die Jungs mich an. Nach meinem Wutausbruch sind sie mir in die Wohnung gefolgt um zu wissen was los war. Ich nickte nur als Antwort auf ihre Frage. Ich lehnte an der Arbeitsplatte der Küche gegenüber von den Idioten und atmete tief durch. Auf ihren, vorher noch überraschten, Gesichtern schlich sich ein schiefes Grinsen.

"Also das hätten wir nicht von dir gedacht" Nun musste ich auch lachen.

"Komm, lass uns feiern gehen, dass Ally ihre eigene Mum vergrault hat"

"Das könnt ihr schön selbst feiern. Morgen ist Schule, da gehe ich nicht feiern"

Devin warf den andern einen 'Ich-hab's-gewusst'-Blick zu und drehte sich dann wieder zu mir um.

"Willst du nicht einfach mal Spaß haben? Einfach mal leben?"

"Als ich das letzte mal Spaß haben wollte, hat es damit geendet, dass ich nach Frankreich ziehen musste. Außerdem hab ich genug Narben, die zeigen, dass ich gelebt habe"

"Abgesehen von den Narben an den Händen. Hast du noch andere Narben am Körper, die du uns zeigen möchtest?"

Hoffnungsvoll sah Seth mich an.

"Vergiss es, Seth" Ich drückte mich von der Arbeitsfläche ab, ging an ihnen vorbei und in mein Zimmer. Ich legte mich auf mein Bett und starrte die weiße Decke über mir an. Langsam machte sich das schlechte Gewissen in mir breit. War ich zu hart zu meiner Mum? Ich wusste, dass ich sehr schnell sehr aufbrausend werden konnte, aber ich konnte das einfach nicht ändern. Während meinen Überlegungen senkte sich die Matratze ein Stück. Ich sah nach links um zu sehen wer sich zu mir gelegt hatte.

"Du solltest nicht hier sein. Die andern denken sich sonst wieder alles mögliche über uns aus"

"Ist mir egal", brummte die tiefe Stimme.

"Was willst du hier?"

"Warum musstest du nach Frankreich?"

Ich richtete mich auf, fuhr mir durch die Haare und blickte auf den muskulösen Typen, neben dem ich vor einigen Sekunden noch gelegen hatte.

"Die offizielle Begründung ist, damit ich etwas Abstand von allem bekam"

Nun richtete er sich auch auf und ich konnte in Jonahs blaue Augen sehen.

"Und die inoffizielle?" Ich blickte auf meine Hände, die ineinander verschränkt in meinem Schoß lagen. Ich seufzte.

"Ich spreche nicht sehr gerne darüber" Ich blickte wieder in diese strahlend blauen Augen, die mich verständnisvoll ansahen. Verständnisvoll? Jonah hatte Verständnis für mich?

"Ich verstehe dich. Wir alle reden auch nicht gerne über unsere Geschichten, aber weißt du, bei dir kann es vielleicht helfen zu reden. Immerhin schläfst du nicht sehr gut" Fragend blickte ich ihn an.

"Woher weißt du das?" Er lehnte sich wieder etwas zurück.

"Ich bin vielleicht blond aber nicht blöd. Dein Licht brennt immer ziemlich lange, du zeichnest die ganze Nacht und selbst dein Make-Up kann deine Augenringe nicht verdecken. Außerdem siehst du immer ziemlich müde aus"

"Ich habe mal mit einem Psychologen geredet, aber ich kann das einfach nicht", gestand ich nun kleinlaut.

"Psychologen werden auch bezahlt einem zu zuhören. Man muss jemanden finden, der dir auch ohne Gegenleistung zuhört, dann ist es weniger gezwungen", erklärte er.

Woher wusste er diese ganzen Sachen?

"Willst du wirklich nicht mit uns auf 'ne Party?" Ich schüttelte entschieden den Kopf. Er seufzte.

"Ally, die Jungs haben Recht. Du musst raus und leben. Hier rumhocken und vor sich hin vegetieren lässt einen nicht die Vergangenheit vergessen"

Ich nickte resigniert.

"Trotzdem komme ich heute nicht mit. Ein anderes Mal vielleicht. Morgen ist Schule", argumentierte ich. Grinsend schüttelte er den Kopf. Wenn er grinste, sah er echt süß aus.

"Gut, das lass' ich gelten" Er klatschte einmal auf seine Oberschenkel um sich selbst zu motivieren aufzustehen. Als er schließlich fast bei der Tür stand, drehte er sich noch einmal um.

"Ach noch was. Klär das mit deiner Mutter, man hat schließlich nur eine"

Dann öffnete er die Tür, hinter der, Überraschung, die anderen standen. Ich verdrehte die Augen und ließ mich wieder auf mein Bett fallen.

"Jonah, man könnte fast glauben du wärst schwul. Du liegst mit ihr in einem Bett, sie ist echt scharf, behaupte jetzt nicht das Gegenteil, und ihr habt es nicht miteinander getrieben? Junge bei dir ist was schief gelaufen"

Das war Seths Stimme. Es konnte einfach nur Seth sein.

"Ich bin halt einfach anständiger als du", erklärte Jonah sachlich.

"Ja, klar", gaben die andern von sich. Den Sarkasmus konnte man nicht überhören. Langsam wurden die Stimmen leiser bis ich sie überhaupt nicht mehr hören konnte. Immer noch sah ich mir die weiße Decke an, doch nun hatte ich ein Grinsen im Gesicht und Herzklopfen.



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