Kapitel 28: Du hättest seinen Blick sehen sollen

1K 38 0
                                    

Unruhig lief Simon durch die Halle und raufte sein Haar. Seine Tochter wurde dort draußen von einem Verrückten festgehalten und er konnte nichts für sie tun. Er redete sich ein als Vater vollends versagt zu haben. Sein bester Freund seit Highschooltagen, Rick, sowie die andern Jungs standen unschlüssig herum und wussten nichts mit sich anzufangen.

Auch sie machen sich Sorgen um Allison, sie hatten sogar Angst um das zierliche Mädchen. Jedoch schämten sie sich auch. Bei ihrer Ankunft wurde sie sofort als Zicke abgestempelt, obwohl sie es manchmal tatsächlich war, als eingebildete, dumme Kuh. Dabei wussten sie gar nichts über sie. Nichts über ihre Vergangenheit, nicht den Grund für ihre Anwesenheit und auch nicht was sie durchmachen musste und immer noch durchmachte.

Sie schämten sich alle in Grund und Boden und doch faszinierte die Tochter des Trainers sie. Sie lief durch die Welt als könnte niemand ihr etwas anhaben, als wäre nicht ein Psychopath hinter ihr her.

"Simon, auch wenn du Gräben in den Boden rennst, dadurch kommt Ally nicht wieder", erklärte Rick ihm ruhig.

"Was soll ich dann tun? Sie ist da draußen bei einem Irren"

"Das muss nicht sein. Die Polizei vermutet es bloß. Vielleicht ist er ganz woanders" Der Trainer schüttelte den Kopf.

"Nein, er wird sie suchen. Du hättest seinen Blick sehen sollen, wie er mein Kind angeschaut hat. Meine Tochter!"

Schon war es um seine Fassung geschehen. Die erste Träne rollte seine Wange hinab und es folgten weitere. Er setzte sich auf eines der Sofas. Es war zu viel für sein Gemüt.

"Wenn ihr etwas passiert, werde ich mir das nie verzeihen" Die Jungs blickten sich ratlos an. Sie waren allesamt komplett überfordert mit der Situation. Keiner von ihnen konnte sich im geringsten vorstellen, wie es wäre an seiner Stelle zu sein. Als Vater um sein Kind zu bangen. Niemand wusste was für ein Gefühl das war.

"Es ist doch nicht deine Schuld"

"Doch ist es. Es war meine Idee, sie hierher zu bringen. Hier wo sie diesem Psycho so nah ist. Wenn ihr etwas passiert werde ich mir Vorwürfe machen, weil es meine Idee war und ihre Mutter wird sich Vorwürfe machen, weil sie der Idee zugestimmt hat. Gott, ich muss sie anrufen. Sie muss es wissen"

Bevor er aufstehen konnte, drückte Rick ihn an den Schultern wieder aufs Sofa.

"Noch muss niemand etwas wissen, du weißt ja selbst nicht was gerade passiert. Warte ab bis die Polizei etwas weiß. Dieser eine Polizist hat doch versprochen, dass er sie wieder zurückbringt"

"Ja er hat es versprochen. Er hat aber vorhin noch gezögert. Rick, ich habe den Zweifel in seinen Augen gesehen. Er glaubt selbst nicht daran, dass er sie findet"

"Mal doch nicht immer gleich den Teufel an die Wand" Plötzlich fing Dexter an laut zu bellen. Es war ein freudiges Bellen. Schwanzwedelnd lief er zur Doppelflügeltür, die nur wenig später geöffnet wurde. Herein trat ein Mädchen, das völlig am Ende war gefolgt von einem Polizisten.

"Ally! Gott sei Dank, du lebst!" Sofort sprang der Trainer auf und lief zu seiner Tochter um sie in seine Arme zu schließen. Kaum umschlossen seine Arme ihre Gestalt, durchfuhr Ally ein Schauer und sie ließ den Tränen ihren Lauf.

"Alles ist gut, Ally. Es ist vorbei" Dabei strich er ihr über den Rücken mit so viel Liebe, wie es nur ein Vater tun kann. Schluchzend schüttelte sie den Kopf.

"Es wird nie vorbei sein, Dad. Nie" Er löste die Umarmung und betrachtete sie. Ihre Haare waren zerzaust, das Make-Up verschmiert, das Kleid zerrissen. Aber sie war am Leben. Eine ihrer Hände war in einen Verband gewickelt.

"Was hat er wieder mit deinen Händen gemacht?" Sie blickte auf ihre Hand.

"Gar nichts. Das war ich selbst. Ich hab mich in die Hand geschnitten als ich versucht habe, die Fesseln zu lösen"

"Aber du hast Blut am Kleid" Sie sah an sich runter auf die Blutflecken. Hamptons Blut war während des Kampfes auf ihr Kleid getropft.

"Das ist nicht meins"

"Danke, dass Sie meiner Tochter das Leben gerettet haben. Dass Sie Ihr Versprechen gehalten haben"

"Das ist mein Job, dafür müssen Sie Sich nicht bedanken" Damit verabschiedete sich der Detective. Ally wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie wusste, dass sie ihr nicht weiter halfen. Das einzige was sie wollte, war sich in ihr Zimmer zu verkriechen und die ganze Sache verdrängen. Die ganze Sache vergessen und ungeschehen machen. Doch vorher musste sie mit ihrem Vater über ihren Entschluss sprechen.

"Dad, kann ich mit dir reden?"

"Natürlich, was gibt es?" Sie setzten sich abseits der andern auf ein Sofa.

"Ich hab es mir anders überlegt. Ich möchte zu einem Psychologen gehen"

Er nickte.

"Ally, rück mit der Sprache raus. Ich kenne dich gut genug um zu wissen, dass da noch was ist"

"Ich möchte dich um einen Gefallen bitten"

-

"Er hat was getan?" Nachdem Simon ihr gebeichtet hatte in welcher Verfassung ihr Zimmer war, ist sie entsetzt hoch in die Wohnung gelaufen. Die gesamte Wohnung war in gutem Zustand, nur ihr Zimmer nicht. Alles lag darunter und drüber. Ihre Zeichnungen lagen auf dem Boden verteilt, gemeinsam mit dem Inhalt ihrer Kiste. Klamotten lagen auf dem Boden. Mit zitternder Unterlippe begutachtete sie ihr Zimmer und wusste, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Sie konnte in nächster Zeit nicht in dem Zimmer schlafen, in dem dieses Monster war. Sie nahm sich  ihr Kissen und ihr Laken und machte aus dem großen Sofa unten im Wohnzimmer ihre Schlafstätte, in der sie sich verkriechen würde. 

Scars of the pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt