"Und du bist gerade dabei Gefühle für ihn zu entwickeln?" Die dunkeln Augen von Dr. Marlok sehen mich neugierig, jedoch nicht drängend an. Ich schüttelte den Kopf.
"Nein, ich habe längst Gefühle für ihn entwickelt", entgegnete ich entschlossen. Er nickte.
"Und dieser -", er sah kurz auf seine Notizen, "-dieser Jonah, hat er auch Gefühle für dich?" Ich zuckte mit den Schultern.
"Ich weiß es nicht. Er macht mit mir Dinge, die eigentlich nur Paare machen. Er küsst mich, er macht sich Sorgen um mich und er schläft manchmal bei mir, aber ich weiß nicht ob er etwas für mich empfindet"
Frustriert ließ ich mich tiefer in den dunklen Ledersessel fallen. Dr. Marloks Stift flitzte über das Papier während er seine Notizen schrieb. Er blätterte etwas in seinen
Notizen herum bevor er seine Aufmerksamkeit wieder mir widmete."Wie reagiert er denn auf deine Albträume wenn er bei dir schläft?"
"Wenn er bei mir schläft habe ich keine Albträume. Ich habe keine Angst mehr nachts in einem Raum zu sein wenn er da ist. Das schafft in letzter Zeit nicht einmal mehr Dexter" Er nickte.
"Ally, das wird jetzt vielleicht etwas schwer werden für dich, aber ich möchte gerne, dass du mir erzählst von was diese Albträume handeln und was du dabei fühlst"
Sofort spannte sich mein Körper an und meine Nägel krallten sich in die Sessellehne. Ich atmete tief durch und schloss meine Augen.
"Ich träume oft von der Nacht von vor 3 Jahren. Kurz bevor er mir die Kehle durchschneidet, wache ich auf. Wenn ich wieder einschlafe, träume ich von der Nacht von vor einigen Wochen"
Meine Nägel krallten sich immer tiefer in das Leder und meine Hand zitterte, so angespannt war mein Körper.
"Ich träume jedoch immer öfter davon, dass ich nachts aufwache und er plötzlich neben mir liegt. Er fasst mich an und flüstert mir schreckliche Dinge ins Ohr. Es fühlt sich so real an, dass es mir Angst macht. Es ist so real", den letzten Satz flüsterte ich nur noch.
"Dann nimmt er das Skalpell und streicht mit der stumpfen Seite über mein Gesicht, meinen Hals und meinen Unterleib. Ich spüre das kalte Metall auf meiner Haut. Und mit einem Schnitt beendet er alles. Er beendet einfach alles", presste ich durch zusammen gebissene Zähne hervor. Tränen liefen meine Wangen entlang und tropften auf meine Beine. Mein Körper bebte. Dr. Marlok reichte mir ein Taschentuch, was ich dankend entgegennahm.
"Ich denke, wir beenden die Sitzung jetzt"
-
"Und dir geht es wirklich gut? Du siehst aus als hättest du geweint"
"Zum letzten Mal. Mir. Geht. Es. Gut. Ich will einfach nur nach Hause" Er zuckte mit den Schultern.
"Wenn du meinst", murmelte er noch bevor er sein Auto aufschloss. Wir setzten und rein und fuhren zunächst schweigend los.
"Ist irgendwas passiert?" Ich atmete tief durch und fuhr mir durchs Haar.
"Es ist alles OK. Die Sitzung gerade ist in eine etwas andere Richtung verlaufen als wir gedacht haben. Das ist alles. Ich hab mich wieder beruhigt" Zum Beweis lächelte ich ihn kurz an, was er auch erwiderte.
"Gut. Ich habe nämlich eine Überraschung für dich" Sofort schnellte mein Kopf in seine Richtung.
"Eine Überraschung?" Er nickte.
"Und was ist das für eine Überraschung?", fragte ich so beiläufig wie nur möglich. Doch Jonah fiel nicht darauf herein.
"Wenn ich es dir sagen würde dann wäre es doch keine Überraschung mehr", erklärte er, während er das Auto geschickt durch den Verkehr manövrierte.
"Nicht mal einen kleinen Tipp?" Er schüttelte den Kopf und legte seine Hand auf meinen Oberschenkel. Sofort breitete sich eine angenehme Wärme und ein Kribbeln in meinem Körper aus.
"Wieso erzählst du mir dann von der Überraschung?" Er grinste.
"Weil es so lustig ist" Ich schüttelte lächelnd den Kopf und schlug ihm auf die Schulter.
"Du bist echt fies" Er zuckte mit den Schultern.
"Ich kann damit leben" Er fuhr auf den Parkplatz gegenüber der Halle und parkte. Wir stiegen aus und gingen schweigend zur Halle. Er hielt mir die Eingangstür auf und auch die Doppelflügeltür. Ich schlüpfte unter seinen Armen hindurch und drehte mich mit dem Rücken zur Halle.
"So, und was ist das jetzt für eine Überraschung?" Ich verschränkte die Arme und verlagerte mein Gewicht auf mein rechtes Bein. Er jedoch grinste mal wieder und gab mir das Zeichen mich umzudrehen. Doch bevor ich das tun konnte, hörte ich schon eine bekannte Stimme.
"Schön, dass sich hier nichts verändert hat" Jonah formte mit seinem Mund das Wort 'Überraschung'. Mit offenem Mund drehte ich mich um. Vor mir stand mein Vater.
"Dad!" Ich lief in seine ausgebreiteten Arme und ließ mich von ihm in eine Umarmung ziehen.
"Ich dachte, dass du erst übermorgen wieder kommst", murmelte ich an seine Brust. Er strich mir sanft über den Kopf.
"Das dachte ich auch aber das Meeting wurde frühzeitig beendet und ich hab dir nichts erzählt, weil ich dich überraschen wollte. Was mir auch gelungen ist, wie ich sehe" Er drückte mich nochmal bevor er sich aus der Umarmung löste.
"Und? Irgendwas das ich verpasst hab?" Ich blickte zu Jonah, der auch meinen Blick gesucht hatte.
"Nein", antworteten wir gleichzeitig.
" Wirklich?", fragte Dad misstrauisch.
"Alles in bester Ordnung", erklärte ich schnell.
"Na dann ist ja gut. Ally, sind die Jungs auch zur Schule gegangen als ich nicht da war?" Ich nickte.
"Wow! Jungs, ich bin stolz auf euch", verkündete er gut gelaunt und legte seine Boxhandschuhe an.
" So und jetzt zeigt mir mal, was ihr in meiner Abwesenheit gelernt habt"

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Scars of the past
RomansaNach zwei Jahren Aufenthalt in Frankreich findet Allison sich in Seattle bei ihrem Vater wieder. Dieser ist Sozialbeamter und hilft Jugendlichen, die schon mal mit der Polizei in Konflikt geraten sind. Dabei hatte Ally mit viel gerechnet. Aber nicht...