| 17 | 𝓐𝓵𝓹𝓽𝓻𝓪𝓾𝓶

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Um sich abzulenken, sah sich Kat noch ein paar Zeitungsartikel über die Explosion an. In den Tagen nach der Katastrophe erschienen fast täglich Berichte darüber. Eine endgültige Zahl der Verstorbenen und Verletzten wurde veröffentlicht und nach ein paar Wochen gab das Museum bekannt, welche Kunstwerke den Flammen zum Opfer gefallen waren. Die New Yorker Polizei, das FBI und die NSA suchten auf Hochtouren nach den Tätern. Es hatte nie ein Bekennerschreiben gegeben. Keine der verdächtigen Terrororganisationen hatten sich für den Anschlag verantwortlich gezeigt. Die Videos der Überwachungskameras waren bei der Explosion zerstört worden, Zeugenaussagen hatten nichts Ungewöhnliches ergeben und auch die Straßenkameras im näheren Umkreis des Museums hatten keine verdächtigen Aktivitäten aufgezeichnet. Kat nahm an, dass man Oliver ebenfalls befragt hatte. Wahrscheinlich noch im Krankenhaus. Aber da er sich in einem anderen Teil des Gebäudes befunden hatte, konnte er nichts gesehen haben. Die Einzige, die womöglich etwas gesehen hatte, war Claire. In den Sekunden vor ihrem Tod könnte sie dem Täter begegnet sein ...

Leider konnte sie niemandem mehr davon berichten.

Kat richtete sich auf.

Das stimmte nicht. Sie konnte davon berichten. Nämlich ihr. Vielleicht war das der Grund, warum sie noch hier war. Sie wollte ihren Tod aufklären.

Kat warf den Laptop zur Seite und sprang aus dem Bett. Wenn sie morgen mit Claire sprachen, musste sie sie unbedingt darauf ansprechen. Kat rannte den kurzen Weg bis zum Gästezimmer und riss, ohne anzuklopfen die Tür auf. Sie musste unbedingt Oliver davon erzählen ...

Doch als sie in der Mitte des Raumes stand, bemerkte sie, dass es dunkel war. Das Mondlicht schien durch die geöffnete Balkontür und war die einzige Lichtquelle. Ein leises Stöhnen drang an ihr Ohr und sie fuhr herum. Schemenhaft konnte sie Oliver erkennen, der auf dem Bett lag und sich unruhig hin und her wälzte. Seine Finger krallten sich in das Bettlaken und sein Atem ging keuchend. Diese Alpträume hatte sie auch gehabt. Immer wiederkehrende Träume, wie sie verzweifelt versuchte, ihre Eltern zu retten, und jedes Mal zu spät kam. Schuld war ein schreckliches Gefühl, das sich unermüdlich durch die Eingeweide fraß. Tag und Nacht.

Dabei hatte er an dieser Tragödie genauso wenig Schuld wie sie an dem Unfall ihrer Eltern. Sie hatte lange gebraucht einzusehen, dass sie die Vergangenheit nicht ungeschehen machen konnte, egal wie viel Schuld sie sich auflud. Kat kannte nur ein Heilmittel gegen solche Alpträume, zumindest hatte es ihr immer geholfen. Sie machte auf dem Absatz kehrt, stürmte die Treppe hinunter und lief in die Küche. Das Wohnzimmer war inzwischen verlassen und dunkel, ihre Großmutter war ebenfalls ins Bett gegangen. So leise wie möglich setzte Kat Wasser auf, bevor sie in den Schränken nach Grannys Teemischungen suchte.

Zehn Minuten später stieg sie vorsichtig mit einer dampfenden Tasse die Treppe wieder hinauf. Der Duft von Lavendel wehte ihr hinterher. Die Tür zum Gästezimmer stand noch immer offen, so dass sie mühelos hineinschlüpfen konnte.

Oliver hatte sich zwischenzeitlich auf die Seite gedreht und die Bettdecke auf den Boden geworfen. Sein Atem ging ruhiger, aber sein Kopf rückte weiter unruhig über das Kissen. Kat stellte die Tasse auf das Nachtkästchen, bevor sie ihn leicht an der Schulter berührte.

»Oliver, wachen Sie auf«, sagte sie leise, um ihn nicht zu erschrecken.

Er gab ein tiefes Stöhnen von sich, wachte aber nicht auf.

Sie schüttelte ihn etwas fester. »Oliver, ich bin es. Wachen Sie auf.«

Plötzlich schreckte er hoch, schlug ihren Arm zur Seite und setzte sich auf. Kat stieß einen überraschten Schrei aus und sprang zurück.

»Was? Was ist passiert?«, fragte er schlaftrunken. Er sah sich verwirrt im Zimmer um und schien einen Moment nicht zu wissen, wo er war. Dann entdeckte er Kat und entspannte sich.

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