| 45 | 𝓦𝓪𝓱𝓻𝓱𝓮𝓲𝓽 𝓸𝓭𝓮𝓻 𝓦𝓾𝓷𝓼𝓬𝓱𝓽𝓻𝓪𝓾𝓶

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Kat stürmte nach draußen auf den Gehsteig. Ihre Hüfte hatte wieder zu schmerzen begonnen. Im Laufe des Tages hatte sich ein dunkelblauer Fleck auf ihrem Oberschenkel an der Stelle gebildet, mit der sie so unsanft auf dem Parkettboden gelandet war. Trotzdem konnte sie von Glück reden, dass ihr nicht mehr passiert war. Abgesehen davon, dass sie sich wohl doch unbemerkt den Kopf gestoßen hatte. Eine Gehirnerschütterung war die einzige Erklärung, warum sie derart neben sich stand und Dinge tat, die sie normalerweise nie tun würde. Was war bloß los mit ihr? So eifersüchtig, so verzweifelt, so bedürftig war sie doch gar nicht. Bei Oliver fiel sie von einem Extrem ins Nächste und hatte das Gefühl, sich selbst nicht mehr zu kennen.

Gerade mal einen Schritt hatte sie machen können, da tauchte Oliver wie aus dem Nichts vor ihr auf. Kat schnappte nach Luft und stolperte nach hinten, aber dann legte er seine Hand um ihren Oberarm. Sein Griff war sanft, aber zugleich auch fest.

»Mir ist nicht entgangen, wie er dich ansieht«, sagte er, als würde das erklären, warum er in aller Öffentlichkeit über sie hergefallen war.

»Du weißt nicht, was du gesehen hast«, gab sie zurück. Sie war wütend auf sich selbst, weil sie zugelassen hatte, dass er so weit gegangen war. Und weil es ihr insgeheim gefallen hatte.

»Ich weiß, was ich gesehen habe.« Die Luft wurde aus ihrer Lunge gepresst, als er sie ruckartig an sich drückte. Den Kopf beugte er so weit vor, dass sein Gesicht nur ein paar Zentimeter von ihrem entfernt war. Diese Nähe ließ sie erstarren. »Ich weiß genau, wie er dich ansieht, und du weißt das auch.«

Sie brachte kein einziges Wort heraus, als sie in seine Augen blickte, die die Farbe des endlosen Himmels hatten, denn sie ... Oh Gott, ihre Lippen waren sich so nah, das Verlangen, das in ihr wach wurde, hatte nichts mit dem gerade Erlebten zu tun, sondern nur damit, seine Lippen zu kosten.

Mit der anderen Hand streichelte er ihr den Rücken und fasste ihr ins Haar. »Ich kenne diesen Blick ... und du auch. Weil es der Blick ist, mit dem ich dich ansehe.«

Ihr Herz stockte, als sie begriff, was er da gesagt hatte. Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Es war, als würde etwas in ihrer Brust anschwellen, das ihren Puls beschleunigte.

Ein kehliger Laut kam über Olivers Lippen, und in der nächsten Sekunde kam er noch näher. Plötzlich setzte ihr gesunder Menschenverstand wieder ein, und sie riss sich aus Olivers Umarmung los.

Ihr Atem ging unregelmäßig, während sie weiter vor ihm zurückwich, bis sie gegen den Wagen hinter ihr stieß. Ihre Lippen kribbelten, obwohl sie sich nicht mal geküsst hatten.

Sie hielt sich die Hand vor den Mund und starrte Oliver an. »Was hast du dir dabei gedacht?«

Er atmete angestrengt ein und aus. »Kat ...«

Kat wollte weiter auf Abstand zu ihm gehen, aber er bekam ihren Arm zu fassen und zog sie an sich. »Was hast du ...?«

»Ich laufe nicht vor dir weg«, murmelte sie.

»Doch das tust du. Und du gehst mir schon wieder aus dem Weg.« Er legte die Hände um ihre Taille, als sie zurückweichen wollte. »Von wegen. Du gehst hier nicht weg.«

»Was ... was soll das werden?«, hauchte sie.

»Ich will dich davon abhalten, wieder vor mir wegzulaufen.« Er zog sie ein Stück weiter zu sich heran, und sie musste sich mit den Händen auf seinen Schultern abstützen, um eine Berührung diverser Körperpartien zu vermeiden.

»Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest: Ich stehe nicht darauf, herumkommandiert zu werden.«

Damit hatte sie alles ausgesprochen, was ihr Gehirn an intelligenten Antworten anbieten konnte. Langsam hob sie den Kopf und schaute Oliver in die Augen. Er sah sie so an, wie ... ja, genauso, wie er es gesagt hatte. Und da waren sie wieder, die Schmetterlinge in ihrem Bauch.

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