| 8 | 𝓓𝓪𝓼 𝓣𝓸𝓻 𝓲𝓷 𝓭𝓮𝓻 𝓜𝓪𝓾𝓮𝓻

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»Was zum Teufel geht hier vor sich?«, rief Oliver außer sich vor Wut, rollte sich von ihr und sprang geschmeidig auf die Beine. Er drehte sich um und ging entschlossen auf das Gebüsch zu, aus dem der Schuss gekommen war.

»Oliver!«, kreischte Claire panisch. »Halten Sie ihn auf!«

Da ertönte der nächste Knall. Kat reagierte instinktiv. Sie sprang auf, rannte mit eingezogenem Kopf zu ihm und stieß ihn zur Seite. Die Kugel verfehlte ihn nur um wenige Millimeter und zerschlug den rechten Flügel des Steinengels. Wieder landeten sie im Gras neben der Grabumrandung.

»Kat! Ihr müsst hier weg! Sie kommen!« Claires Stimme klang atemlos. Kat kämpfte die Panik hinunter, die in ihr hochstieg. Jemand schoss auf sie! Jemand wollte sie umbringen! Warum? Sie hatte doch überhaupt nichts getan! Auf allen vieren kroch sie über den Erdboden zu Oliver.

»Geht es Ihnen gut?«, brachte sie heraus. Ohne ihr zu antworten, packte er ihre Hand und zerrte sie mit sich hinter das Mausoleum. Außer Atem lehnte er sich dagegen und sank zu Boden. Dann zog er sie zu sich nach unten. Der steinerne Engel ragte über ihnen, als wolle er sie beschützen.

»Kat! Verschwindet!«, warnte Claire sie erneut.

Kat wollte sich gerade zu ihm drehen, als seine Hand plötzlich ihren Hals umklammerte. »Gehören Sie zu denen? Sollten Sie mich ablenken?«, herrschte er sie an.

Kat hustete und schnappte hilflos nach Luft. Sein Griff verstärkte sich. »Nein«, krächzte sie. »Ich weiß nicht, wer die sind. Hätte ich Sie sonst aus der Schusslinie gestoßen?« Sie konnte nicht mehr atmen. Wieso glaubte er ihr nicht?

Olivers Augen brannten sich in ihr Gesicht. Voller Schrecken beobachtete sie, wie sich an seiner Schulter ein dunkler Fleck auf seinem Hemd bildete. Gleich darauf lief Blut seinen Arm hinunter, tropfte warm auf ihren Hals. »Oliver!« Ihre Stimme war schrill vor Panik. »Was ist mit Ihnen?«

Er schüttelte kurz den Kopf. »Es geht mir gut.«

»Bitte«, flehte sie. »Wir müssen hier weg.« Kat kämpfte gegen die Todesangst, die ihren Rücken hinaufkroch. Oliver war getroffen, sie waren unbewaffnet und die Angreifer kamen näher. Ein Ast zerbrach in unmittelbarer Nähe, bevor ein weiterer Schuss sie zusammenzucken ließ.

Endlich lockerte sich sein Griff und er gab sie frei. Kat sog gierig die Luft ein und rieb sich über den Hals. Seine Finger hatten rote Abdrücke auf ihrer Haut hinterlassen. Sie würde seine Hand noch tagelang an ihrer Kehle spüren.

»Kat, hier entlang. Folgen Sie meiner Stimme.« Claires Stimme erklang von irgendwo hinter dem Grabstein zu ihrer Linken.

»Los, kommen Sie.« Kat griff nach Olivers Hand, kämpfte sich auf die Beine und zog ihn mit sich hinter das Grab neben Claires. In den Büschen raschelte es. Dumpfe Schritte waren zu hören. Sie kamen.

Kat blickte sich nicht um, folgte stur Claires Stimme, die sie scheinbar ziellos durch das Labyrinth aus Gräbern und Mausoleen lenkte. Bald wusste sie nicht mehr, wo sie waren. Aber über ihr hämmerndes Herz konnte sie keine Schritte mehr hören. Sie hatten ihre Verfolger abgehängt. Das Adrenalin rauschte in ihren Ohren und Schweiß lief ihren Rücken hinunter. Sie packte Olivers Hand fester, spürte das warme Blut zwischen ihren Fingern und plötzlich wurde ihr klar, wie knapp sie dem Tod entkommen waren. Wenn Claire sie nicht gewarnt hätte ...

Unvermittelt ließ Oliver ihre Hand los, strauchelte und ging zu Boden. Kat stürzte sofort zu ihm. Sein Gesicht war unnatürlich blass. Blut tropfte unablässig seinen Arm hinunter. Seine Augen waren ganz glasig und Schweiß stand ihm auf der Stirn. Kat überlegte nicht lange. Sie schlüpfte aus ihrem Hoodie und presste ihn fest gegen seine Schulter. Oliver stieß einen Schmerzensschrei aus. »Halten Sie noch etwas durch«, flüsterte sie. »Es ist nicht mehr weit.« Zumindest hoffte sie das. Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihren Hoodie. »Fest drücken. Wir müssen die Blutung stoppen. Können Sie aufstehen?« Sie erhob sich, hielt ihm die Hand hin und zog ihn auf die Beine, als er sie ergriff. Verzweifelt versuchte Kat das Blut an ihren Händen und den dunklen Fleck auf ihrem Hoodie zu ignorieren, der sich immer weiter ausbreitete. Er verlor zu viel Blut. Er brauchte einen Arzt. Was sollte sie tun?

Mondscheinsonate ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt