Kapitel 9

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Am nächsten Morgen …

„Erzählst du mir von ihr?“ Trish lag auf Horatios Bauch, und er streichelte über ihren nackten Rücken. Die aufgehende Morgensonne schien sanft ins Zimmer. Der cremeweiße Vorhang, der vor dem gekippten Fenster hing, wehte leicht im Wind.

Trish schloss die Augen und dachte kurz an letzte Nacht zurück, in der sie sich zum ersten Mal geliebt hatten. Horatio war – wie nicht anders zu erwarten gewesen – sehr zärtlich gewesen.

„Du willst etwas über Marisol wissen?“ wunderte sich der Rothaarige.

„Mhm.“

Horatio seufzte. „Ich lernte Erics Schwester kennen, als sie bereits krank war. Sie hatte Krebs.“

„Das wusste ich nicht“, sagte Trish leise, während sie sich an seine Brust kuschelte.

„Sie war sehr krank, und die Ärzte hatten ihr damals kaum Hoffnung gemacht. Die Therapie verursachte schlimme Nebenwirkungen, und um diese zu bekämpfen, besorgte sie sich am Hafen Drogen. Als sie für ihre ganze Selbsthilfegruppe welches besorgen wollte, wurde sie von der Polizei erwischt.“

Trish wusste, wie viele Monate Gefängnis auf Drogenbesitz standen, sagte aber nichts.

„Ich legte ein gutes Wort für Marisol beim Richter ein, und sie wurde nicht angeklagt. Wir lernten uns besser kennen und wurden ein Paar. Damals habe ich Eric um Erlaubnis fragen wollen, aber er sagte, dass es Marisol sehr gut ginge und er ihr wohl kaum etwas verbieten könnte für die letzten Monate, die sie noch zu leben hätte.

Durch unsere Beziehung bekam Marisol so viel neue Lebensenergie, dass sie wieder ganz gesund wurde. Es waren ein paar sehr schlimme Monate, aber wir standen sie gemeinsam durch. Als sie mich fragte, ob wir heiraten könnten, sagte ich ja.“ Horatio atmete hörbar ein und aus. „Ich sehe sie noch genau vor mir. Wie sie in ihrem weißen Kleid vor mir stand und wir gemeinsam zum Standesamt gingen. Eric war auch gekommen und gab uns seinen Segen.“ Er seufzte.

„Wie lange habt ihr euer Glück genießen können?“

„Es war keine drei Monate später, als die Mala Noche, eine der gefürchtetsten und kriminellsten Banden in Miami, auf der Bildfläche erschienen.“

Trish nickte kaum merklich.

„Weil ich wusste, dass sie sich an mir rächen wollten, stellte ich Marisol unter Polizeischutz. Ihr gefiel das ganz und gar nicht, aber ich hatte Angst, dass man ihr etwas antun würde. Ich war gerade im Labor, als mich die Meldung erreichte, dass man auf Eric und seine Schwester geschossen hätte. Ich fuhr sofort hin. Beide hatten sehr viel Blut verloren, wobei es Eric nur am Arm getroffen hatte. Ich begleitete Marisol im Krankenwagen, aber auf dem Weg dorthin rammte man uns. Sie wollten um jeden Preis erreichen, dass wir nicht rechtzeitig dort ankamen.“ Horatio stockte wieder und schloss die Augen. Er sah das Blut an seinen Händen, Marisols fahles Gesicht, als sie ihn mit großen Augen anstarrte und ihn flüsternd bat, bei ihr zu bleiben.

Trish schloss ebenfalls die Augen. Ihr gingen ebenfalls Bilder durch den Kopf, aber sie sagte nichts.

„Ich schaffte es, sie ins Krankenhaus zu bringen, aber sie hatte so viel Blut verloren, dass die Ärzte kaum noch Hoffnung hatten. Man rief mich am Abend an, dass ich kommen sollte. Da wusste ich, dass ich sie verlieren würde. Eine Stunde später starb sie. Ich war bei ihr.“

Trish streichelte ihm über die nackte Brust. „Wie konntest du bloß damit leben?“

„Eric und ich versprachen, ihren Tod zu sühnen. Und das haben wir. Wir sind nach Rio de Janeiro geflogen und haben Antonio Riaz zur Strecke gebracht. Er war es, der den Mord an Marisol in Auftrag gegeben hatte“ Plötzlich spürte Horatio etwas Nasses auf seine Brust tropfen. „Sieh mich mal an“, bat er.

Trish zog die Nase hoch und wischte sich über ihr Gesicht.

„Trish, sieh mich an“, bat Horatio noch einmal. Dann legte er seine Hand unter ihr Kinn und hob ihren Kopf. Er sah, dass sie weinte.

„Es tut mir leid. Ich weiß auch nicht, wieso ich weine.“ Vielleicht erinnert mich das alles an meinen tragischen Verlust, dachte sich Trish. Horatio hatte sich ihr geöffnet. Wann war sie bereit, es bei ihm zu tun?

„Wein nicht, Trish. Ich bin darüber hinweg. Und ich habe dich.“

„Und Marisol?“

„Marisol wird in meinem Herzen bleiben. Aber du hast mir gezeigt, dass es sich noch immer lohnt, zu leben.“

Trish nahm seine Hand und küsste sie. „Wo ist dein Ring?“ fiel es ihr auf.

„Ich trage ihn nicht mehr.“

„Du trägst ihn nicht mehr? Wieso?“ wunderte sie sich.

„Ich habe eingesehen, dass es Zeit wird, nach vorne zu sehen. Ich möchte nicht länger mit und in der Vergangenheit leben.“

Csi Miami (Neuanfang)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt