Kapitel 13

122 4 0
                                    

Am nächsten Tag.

„Ist Lieutenant Caine zu sprechen?“ Trish stand an der Rezeption des Labors. Sie freute sich, mit ihm ihre Mittagspause zu verbringen. Vor einer Stunde hatte er sie vom Handy aus angerufen und sie herbestellt.

„Lt. Caine ist bei einem Einsatz“, kam es nur knapp von der Empfangsdame.

Trish fand es schade. Vorwürfe konnte sie Horatio keine machen. Seine Arbeit ging vor, und wenn ein Verbrecher gejagt werden musste, war keine Zeit, um Mittagspause zu machen. Sie war sicher, dass er sie informiert hätte, wenn dafür Zeit geblieben wäre.

„Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?“

Trish drehte sich um. Vor ihr stand ein junger Mann. Braungebrannt, Dreitagebart, kurz geschorenes dunkles Haar. Er trug ein hellblaues Hemd, das er bis zu den Ellbogen hochgekrempelt hatte. Sie hatte ihn noch nie gesehen.

Der Mann starrte sie mit offenem Mund an. „Sie müssen Trish sein.“

„Ja, woher kennen Sie meinen Namen?“ Sie reichte ihm die Hand.

„Ähm, Horatio hat mir von Ihnen erzählt. Ich bin Eric Delko. Außerdem … Sie sehen Calleigh sehr ähnlich.“

Trish riss die Augen auf. „Ja, ich weiß, das höre ich öfter. Dann sind Sie ein Arbeitskollege von Calleigh und …. Marisols Bruder?“ reimte sie sich zusammen. Er musste Horatio enger stehen als nur ein Kollege, denn Horatio hätte sonst nicht von ihr erzählt.

„Ja, richtig. Der bin ich.“

Trish wusste nicht, wie viel Horatio ihm erzählt hatte. Peinliches Schweigen entstand. „Ich hoffe, Sie hassen mich nicht.“

Eric sah sie erschrocken an. „Wieso sollte ich das tun?“

„Na ja.“ Trish räusperte sich. „Horatio und ich …. Wir sind zusammen. Und ich weiß nicht, ob Sie etwas dagegen haben.“

Eric grinste. „Und deshalb sollte ich Sie hassen? Es wird Zeit, dass er sich endlich ins Leben zurücktraut.“

Trish war erleichtert, dass er so dachte.

„Auch wenn es etwas gewöhnungsbedürftig war, dass er den Ehering nicht mehr trägt. Es war so selbstverständlich.“

„Dann haben Sie doch ein Problem damit?“

Eric schüttelte den Kopf. „Nein, wir haben darüber gesprochen. Horatio und ich werden Marisol auch ohne Ring in Erinnerung behalten.“

Erics Handy klingelte plötzlich. „Entschuldigen Sie, ich muss da kurz drangehen.“

Trish lächelte nur und wandte sich um. Sie wollte das Gespräch nicht belauschen, aber sie hörte etwas von 417, und sie wusste, was dieser Code hieß: Person mit Waffe ….

Als Eric auflegte, sah er sie besorgt an. „Das war Frank. Der Einsatz wird etwas länger dauern. Man hat weitere Kräfte angefordert. Ich muss los.“

„Warten Sie! Was genau ist los? Es sind Waffen im Spiel?“

Eric wusste nicht, dass Trish ein Ex-Cop war und wunderte sich. „Hören Sie, ich will Sie nicht belügen, aber ich will Ihnen auch keine Angst machen. Horatio verhandelt gerade mit einem Geiselnehmer.“

Trish schluckte und sah dem jungen Mann hinterher … Sie wusste, dass Horatio einen gefährlichen Beruf ausübte. Tag für Tag. Er und sein Team wurden zu Tatorten und Morden gerufen und waren auch in Verfolgsjagden verwickelt. Aber eine Geiselnahme? Horatio würde mit dem Irren in direkten Verhandlungen stehen. Nur der kleinste Fehler konnte tödlich für ihn enden.

Eine junge Frau mit schulterlangem, leicht gelocktem Haar kam auf sie zu.

„Sie sind Trish, oder? Die Freundin von Horatio?!“ preschte die Dunkelhaarige vor.

Trish wunderte nichts mehr. Allem Anschein nach war sie hier im Labor sehr bekannt, oder der Flurfunk funktionierte ausgezeichnet. „Ja, die bin ich. Nett, so viele von Horatios Kollegen kennenlernen zu dürfen …. Und Sie? Warum sind Sie nicht beim Einsatz dabei?“

Die Frau zeigte auf ihren weißen Kittel. „Ich bin zurzeit die Labortante.“

Trish lächelte unsicher.

Ist weniger gefährlich. Spaß beiseite. Irgendjemand muss ja die ganzen Spuren auswerten, die wir an den Tatorten finden. Hallo. Ich bin Natalia Boa Vista.“

Sie gaben sich die Hand.

„Normalerweise bin ich auch dabei, aber wir haben mit Personalmangel zu kämpfen.“

Trish nickte.

„Ist nicht leicht für Sie, oder?“

Trish sah sie an. „Hier zu warten und nichts tun zu können? Nein.“

„Machen Sie sich keine Sorgen. Es wird schon gut gehen. Das wäre nicht das erste Mal, dass Horatio es mit einem Geiselnehmer zu tun kriegt.“

In diesem Moment lief einer der uniformierten Polizisten über den Flur an ihnen vorbei. „Es kam gerade über Funk rein. Es sind Schüsse gefallen.“

Trish hielt sich die Hände vor den Mund. „Oh mein Gott. Geht es Horatio gut?“

„Mehr weiß ich auch nicht, Ma’am. Sorry.“

Natalia verfluchte den Officer innerlich. Hatte er diese Information nicht für sich behalten können? Sie sah Trishs Unruhe. „Horatio ist ein sehr guter Schütze, glauben Sie mir. Ich weiß das aus Erfahrung.“ Natalia strich ihr behutsam über den Rücken. „Er und die Anderen kommen da heil heraus.“ Den Gedanken, dass etwas schief gehen konnte, hatte Natalia verdrängt. Sie hatte gelernt, damit zu leben. Wie sollte sie sonst ihrer Arbeit nachgehen? Wenn sei ständig in Angst lebte, dass dem Team oder ihr selbst etwas zustoßen könnte?

Sie erinnerte sich daran, wie Horatio und Eric angeschossen worden waren oder Calleigh nach einem Brand im Koma gelegen hatte. Wie Tim Speedle im Einsatz sein Leben verloren hatte ... Speedle hatte sie nie persönlich kennen lernen dürfen, aber Eric - er war nicht nur Speedles Kollege, sondern auch sein bester Freund, hatte viel von ihm erzählt, und Natalia hatte aus diesen Erzählungen herausgehört, was für ein toller Kollege und Mensch dieser Tim gewesen sein musste. Ein Mensch, der viel zu früh ums Leben gekommen war. Daran durfte sie jetzt nicht denken. Ihr Job war und blieb gefährlich.

Währenddessen beim Einsatz ….

Bereits seit einer halben Stunde redete er auf den Geiselnehmer ein, der mit der Frau in seiner Gewalt vor dem Bürogebäude stand und keine Anstalten machte, aufzugeben. Er war umzingelt von einer Horde von Polizisten. Die Straße war abgesperrt worden, der Verkehr wurde umgeleitet.

Horatio wusste nicht, wie spät es war, aber der Stand der Sonne verriet ihm, dass es bereits Mittag sein musste. Ihm fiel das Essen ein. Trish war sicher schon im Labor und wartete auf ihn.
Das Essen musste warten, und Horatio war sich sicher, dass Trish dafür Verständnis hatte.

Plötzlich fiel ein Schuss. Horatio sah nur aus dem Augenwinkel, wer der Schütze war. Er kam von einem der jüngeren Polizisten. Horatio vermutete, dass es wohl einer der ersten Einsätze für ihn sein musste und er der Situation noch nicht gewachsen war. Der Schuss löste eine Kettenreaktion aus.

Der Geiselnehmer ballerte wild um sich, und Horatio gab den Befehl, zu schießen. Ein wahrer Kugelhagel durchzog die Luft, und der Geiselnehmer wurde von mehreren Schüssen getroffen. Sein Griff lockerte sich, als er zu Boden glitt, und die Geisel duckte sich, um sich in Sicherheit zu bringen.

„Feuer einstellen!“ Horatio hob die Hand, als er keine Gefahr mehr sah. Es hing ein Hauch von Schießpulver in der Luft; der Geiselnehmer lag auf dem Boden. Er war tot. Neben ihm die Frau, die er gefangen gehalten hatte, mit einem Streifschuss im Arm.

Horatio atmete erleichtert aus. Es war vorbei. Auch wenn sie dabei ein Opfer zu beklagen hatten. Es war vorbei.


Csi Miami (Neuanfang)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt