Kapitel 19

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Horatio sah auf die Uhr. Es war zweiundzwanzig Uhr. Trish und er hatten ausgemacht, dass sie ihn anrief, wenn sie vom Gericht losfuhr. Normalerweise hätte er sich keine Sorgen gemacht. Sie hatte ihm klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass sie auf sich aufpassen konnte. Aber Horatio konnte nicht aus seiner Haut.

Er griff nach seinem Handy und wählte ihre Nummer. Es klingelte und klingelte, aber niemand hob auf der anderen Seite ab. Vielleicht war sie bereits auf dem Weg zu ihm.

Horatio setzte sich vor den Fernseher und sah sich die Spätnachrichten an. Als die Nachrichten zu Ende waren, zappte er wahllos durch die Kanäle und blieb an einem Film aus den 50er hängen. In Schwarz-Weiß ... Die Uhr an der Wand zeigte halb elf.

Konnte Trish wirklich noch immer im Gericht sein? Sie hatte von Problemen mit der Alarmanlage im Gebäude geredet, und so wie er Trish kannte, würde sie erst Feierabend machen, wenn alles reibungslos lief. Aber es war schon verdammt spät.

Als sein Handy klingelte, nahm er bereits nach dem ersten Ton ab. „Trish?"

„Nein, ich bin es."

Horatio erkannte die Stimme sofort. Es war Calleigh.

„Horatio, du musst zum Gericht kommen. Es ist was passiert."

Horatio stockte der Atem. „Was ist los?"

„Steven Gallehead hat mich gerade angerufen. Du solltest besser kommen. Es geht um Trish. Sie wurde überfallen."

Horatio drückte Calleigh weg und machte sich auf den Weg.

Wenig später im Gerichtsgebäude ...

„Horatio, was machst du denn hier?" Steven Gallehead war erstaunt, seinen Kollegen zu sehen.

Horatio sah den Mittfünfziger an, der viel Ähnlichkeit mit seinem Freund Frank Tripp hatte, mit nur einer Ausnahme: Er hatte mehr Haar auf dem Kopf und war Leiter der Nachtschicht im CSI-Labor.

„Ich habe Calleigh angerufen, als ich erfahren habe, dass es um ihre Schwester geht. Sie ist drinnen", fuhr Steven fort. „Aber das erklärt immer noch nicht, wieso du hier bist."

Horatio sah ihn an. Sollte er Steven sagen, dass er mit Calleighs Schwester zusammen war? „Calleigh hat mich informiert. Es ist eine private Angelegenheit", antwortete er kurz und knapp.

„Ah, verstehe." Steven sah sich auf dem Parkplatz um. „Ganz schön schlimm, was vorhin passiert ist. Aber es wäre nicht das erste Mal. Du weißt es genau wie ich, Horatio. Wir hatten allein in der letzten Woche drei Vergewaltigungen. Ich habe Chris und Stella angewiesen, nach Fingerabdrücken am Auto zu suchen. Und sie werden sich auch im Gebüsch umsehen, ob der Täter vielleicht etwas zurückgelassen hat, was uns nützlich sein könnte."

Horatio nickte. Da die Tat zu so später Stunde passiert war, war die Nachschicht zuständig, und Steven hatte die Leitung. „Ich brauche dir nicht zu sagen, dass es mir sehr wichtig ist, dass ..."

Steven winkte ab. „Du kennst meine Leute. Sie arbeiten mindestens genauso gründlich wie deine von der Tagschicht." Er lächelte. „Horatio, mach dir keine Sorgen. Wenn der Täter was hinterlassen hat, dann finden wir es."

Horatio nickte und ging dann ins Gerichtsgebäude. Trish saß, mit einer Wolldecke um die Schultern, und einer Tasse Kaffee in der Hand an einem der Schreibtische. Sie trug eine pinkfarbene Jogginghose und ein weißes Sweatshirt.

Als sie ihn sah, glaubte er, ein Lächeln auf ihrem Gesicht zu sehen. „Hey. Wie geht es dir?"

„Mach dir keine Sorgen", wimmelte Trish ab und sah an ihm vorbei.

Horatio legte ihr seine Hand auf die ihre und berührte dabei kurz ihre Kaffeetasse. „Der ist ja schon kalt. Soll ich dir einen neuen holen?"

„Nein, brauchst du nicht." Trish starrte in ihre Tasse. Ein Officer hatte ihr den gebracht, aber sie hatte nur ein paar Mal an der schwarzen heißen Flüssigkeit genippt.
Horatio nahm ihr die Tasse aus der Hand. „Dir geht es wirklich gut?"

Trish nickte und zog die Decke enger. „Wie lange wird das noch dauern? Ich möchte nach Hause."

Horatio versuchte, in ihrem Gesicht zu lesen. Sie vermied es, ihm in die Augen zu blicken. „War schon jemand bei dir, um deine Aussage aufzunehmen?"

„Ja, eine CSI von der Nachtschicht. Sie war sehr nett. Sie wollte auch meine Kleidung haben, um sie im Labor nach Spuren zu untersuchen. Den Trainingsanzug hat mir Calleigh mitgebracht."

Horatio nickte. Das war die normale Vorgehensweise. Er wusste, dass das Team von der Nachtschicht ebenso hervorragende Arbeit leistete wie sein Team. Wenn sie keine Spuren in der Nähe des Tatorts fanden, dann vielleicht auf der Kleidung. Calleigh hatte geistesgegenwärtig mitgedacht, als Gallehead sie angerufen hatte. „Wo ist Calleigh?"

„Sie wollte nur kurz was fragen gehen und dann wiederkommen."

Horatio sah sich um und sah Calleigh, wie sie sich mit einem uniformierten Polizisten unterhielt. „Meinst du, ich kann dich kurz alleine lassen?" fragte Horatio mit schief gelegtem Kopf.

Trish nickte. „Ja, geh ruhig."

Horatio ging zu Calleigh. Er wurde das Gefühl nicht los, dass es Trish nicht so gut ging, wie sie es ihn glauben lassen wollte. Verständlich war es. Sie war überfallen worden. Kein Wunder also, wenn ihr dieses Erlebnis noch immer in den Knochen steckte.

„Horatio, schön, dass du da bist." Calleigh schien erleichtert.

„Hast du schon mit ihr reden können? Hat sie dir was erzählt?" Horatio sah mit Besorgnis zu Trish hinüber.

„Nichts, Horatio. Sie sagt nichts. Weder, was genau passiert ist, noch ob sie den Täter erkennen konnte." Calleigh stemmte die Hände in die Taille.

„Wo ist der Wachmann, der uns angerufen hat? Ich würde gerne mit ihm sprechen."

„Ich sehe mal, wo er ist, Horatio. Bin gleich wieder da." Calleigh ging fort und kam mit dem Wachmann zurück.

„Sie haben uns angerufen?" fragte Horatio.

„Ja, Sir. Ich informierte die Polizei."

Horatio nickte und gab dem uniformierten Mann Mitte Sechzig die Hand. „Können Sie mir sagen, was vorgefallen ist?"

Der Mann überlegte einen Moment. „Also, Mrs. Duquesne meldete sich kurz nach zweiundzwanzig Uhr bei mir ab. Ich war gerade auf meinem Rundgang durch das Gebäude. Alles war ruhig. Als ich am Eingang stand, sah ich hinten auf dem Parkplatz zwei Personen neben Mrs. Duquesnes Wagen und ging nachsehen. Da hörte ich sie schon um Hilfe rufen."

„Und dann?"

„Ich bin sofort hin. Die zweite Person rannte davon und war nicht mehr gesehen."

„Haben Sie die Person erkennen können?"

„Nein, Sir, es tut mir leid. Er war maskiert. Aber ich glaube, es war ein Mann. Er bewegte sich jedenfalls wie einer und war von der Statur her wie ein Mann gebaut."

Horatio überlegte. „Und weiter?"

„Mrs. Duquesne sagte mir, ich solle nicht die Polizei informieren und dass es ihr gut ginge, aber so sind die Vorschriften. Sie hat sie selbst gemacht." Als hätte er gegen einen Befehl verstoßen, hob der Wachmann abwehrend die Hände.

Calleigh sah sich noch einmal nach ihrer Schwester um. Wieso nur erzählte sie nicht, was vorgefallen war?

„Ach, da wäre noch etwas, Sir. Mrs. Duquesne, also wie soll ich sagen, sie hatte kaum etwas an. Ich befürchte, dass er ihr etwas Schlimmes angetan haben könnte."

„Vielen Dank, Mr. ...."

„Mein Name ist Edwards, Barney Edwards", sagte der Wachmann dienstbeflissen.

Horatio reichte ihm noch einmal die Hand, dann entließ er den Wachmann. Als er Calleigh ansah, sah er, dass sie Tränen in den Augen hatte. „Du hast gehört, was er gesagt hat?"

Calleigh konnte nur nicken.

„Würdest du bitte mit ihr ins Krankenhaus fahren, damit sie sich untersuchen lässt?" bat Horatio sie.

Csi Miami (Neuanfang)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt