Kapitel 6: Lass mich gehen

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„Jetzt wo ihr da seid, können wir ja endlich anfangen." begann Olli.

„Jap." antwortete ich nur und nickte.

Ich konnte noch keinen komplett korrekten Satz verfassen. Meine Gedanken waren immer noch in dem Nebenraum, in dem ich heute schon zweimal war. Aber meine Gedanken befanden sich definitiv beim zweiten Mal. Beim ersten war ja nix spannendes passiert. Ich kriegte noch mit, dass die Jungs irgendein Gespräch anfingen und irgendwas von nem Manager redeten. Dann war ich weg. Nicht gedanklich, sondern wirklich. Ich war einfach eingeschlafen! Aber gut, ich hatte ne scheiß Nacht. Ich war um 22 Uhr ins Bett gegangen, war dann bis 3 Uhr noch wach und heute morgen hatte mein Wecker um 8:30 Uhr geklingelt. Ich könnte jetzt sagen: Na, immerhin 5h 30min. Neeee. Ich war immer wieder wach zwischendurch. Entweder musste ich aufs Klo, mir war warm oder ich hab schlecht geträumt. Schlimmer konnte eine Nacht doch gar nicht sein, oder? Der jetzige Traum war übrigens nicht besser. Ich verwandelte Richard mit einem magischen Pinsel in einen Hasen und Till in eine Karotte, der dann von Richard gefressen wurde. Ganz komisch. Woher bekam man bitte diese Träume? Musste ich mir Sorgen machen? Irgendwann war der Traum zum Glück vorbei.  Dann träumte ich nicht mehr. Endlich ein ruhiger Schlaf.

Till's Sicht

Wie süß. Sie war tatsächlich eingeschlafen. Kein Wunder, wenn man so viel rumschrie. Paul hatte aber auch schon mal erwähnt, dass sie momentan echt Schlafprobleme hatte. Woher die kamen, wusste er nicht genau. Wahrscheinlich Stress oder sowas. Ich beobachtete sie ganz genau. Sie war so friedlich, wenn sie schlief. Niedlich irgendwie. Sah aber auch unbequem aus, wie sie da „lag": Im Schneidersitz, die Hand stützte den Kopf und der Ellenbogen stützte sich auf der Sofalehne ab. Das konnte nur unbequem sein.

„Komm Till. Befrei dat arme Mädel ma aus der Position da." meinte Flake. „Du kiekst se schon die janze Zeit so an."

„Nein. Tu ich nicht." verteidigte ich mich.

„Doch. Tust du." Alle anderen nickten.

Unauffällig war genau mein Ding. Ich warf einen Blick zu Paul und bat quasi um Erlaubnis. Kira war immerhin seine Schwester. Nicht, dass das dann voll die komische Situation wurde. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass er etwas sagte wie: Vergiss es. Du rührst sie mit keinem Finger an! Jedoch nickte er mir zu.

„Na komm. Ick will nich, dat meene Schwester morjen den janzen Tach rumheult, weil ihr Nacken oder Rücken wehtut wie Sau!"

Ich griff um Kiras Taille und zog sie vorsichtig von der Lehne weg, um sie bloß nicht zu wecken. Dann legte ich ihren Kopf in meinen Schoß. Für einen kurzen Moment schien es, als würde sie aufwachen, da sie sich plötzlich bewegte. Schnell begann ich ihren Kopf zu kraueln, was zu helfen schien, da sie wieder einschlief.

„Jetzt aber mal Klartext..." begann Schneider. „Was ist letztens bei dir zu Hause und in dem Nebenraum eben wirklich passiert?"

Ich zögerte. Einerseits waren die Jungs meine besten Freunde. Schon fast Brüder. Andererseits fielen mir Kiras Worte wieder ein: „Kannste mir vielleicht wat versprechen? Kann dit hier unter uns bleiben? Ick will nicht, dass die Jungs dit mitkriejen..." Und was habe ich geantwortet? Genau: „Ich würde nie mit ihnen darüber reden, wenn ich deine Erlaubnis nicht habe." Und hatte ich ihre Erlaubnis? Nein, hatte ich nicht. Also hielt ich meine Klappe.

Wie ein DiamantWo Geschichten leben. Entdecke jetzt