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Robert und Christian kamen gemeinsam mit ihren Sicherheitsleuten in dem Brüsseler Hotel an, was man sich für sie rausgesucht hatte. Hier stiegen für gewöhnlich die Regierungsmitglieder ab. Doch dieses Mal gab es ungeahnte Probleme.

"Es tut mir wirklich Leid, Ihnen das mitteilen zu müssen, aber aufgrund der Konferenz, an der Sie teilnehmen, ist unser Hotel ausgebucht. Dementsprechend konnten wir keine weiteren Zimmer zur Verfügung stellen, die nicht schon gebucht waren."

Verwirrt schauten sich Robert und Christian an. Was wollte der junge Mann, der nur gebrochenes Deutsch sprach, Ihnen damit nun sagen?

"Was genau heißt das denn nun?", fragte Robert dann noch einmal nach.

"Nun, wir mussten einerseits ihre Sicherheitsleute auf die vorhandenen Zimmer aufteilen, da wir nicht mehr die Kapazitäten hatten. Außerdem war es uns nur noch möglich, sie beide, Herr Lindner und Herr Habeck, auf ein gemeinsames Zimmer zu verlegen. Es tut uns wirklich Leid für diese Unannehmlichkeiten. Allerdings war es wie gesagt nicht anders möglich."

Innerlich drehten sich die Gedanken bei Robert immer schneller und er wusste nicht, was er denken sollte. Zusammen mit Christian auf einem Zimmer? Das konnte eigentlich nicht gut gehen. Trotzdem nickte er dem jungen Mann zu und wartete, bis man ihnen ihre Zimmerkarten gab. Wie sollten sie das nur aushalten? Wie sollte Robert das aushalten? Jede Sekunde, die Christian bei ihm war, würde all seine Gefühle wieder aufwühlen. Warum musste sowas ausgerechnet bei ihnen passieren? Aber es half nun auch nicht. Er warf einen Blick zu Christian, reden könnten sie wohl erst, wenn sie auf dem Zimmer wären, denn jetzt waren noch zu viele Menschen um sie anwesend. Er konnte Christians Gesichtsausdruck nicht wirklich einschätzen. Er wirkte nicht verärgert, was Robert durchaus erwartet hätte. Er wirkte auch nicht sauer. Aber sein Gesicht war versteinert und er schien distanziert. Wie so oft in den letzten Monaten. Und es verletzte ihn jedes Mal. Diese Distanz, die er ihm gegenüber bewahrte. Obwohl sie sich mal so nah waren. Aber das war einmal. Jetzt standen sie gemeinsam vor einem Hotelzimmer in Brüssel. Und wussten beide nicht so Recht mit der Situation umzugehen. Robert schloss dann hinter ihnen die Tür und stand dann etwas unbeholfen in dem riesigen Zimmer, was man ihnen bereitgestellt hatte. Christian konnte er schon gar nicht mehr sehen, er ist wohl schon in den nächsten Raum gegangen. Doch hören konnte er ihn sehr wohl, denn seine Aufregung war nicht gerade leise.

"Auch das noch! Das gibt es doch gar nicht. Erst schaffen die es nicht, mir ein eigenes Zimmer zu geben und jetzt sowas. Ich fasse es nicht.", sprach Christian laut und verägert.

Robert verstand nicht so ganz, was Christians Problem war, also ging er verwundert zu ihm.

"Was... Oh ja, ein Doppelbett. Na super." Ziemlich schnell war der Grund für Christians Aufregung gefunden. Und auch Robert ließ der Fakt, dass sie nur ein großes Doppelbett hatten, nicht kalt. Doch er war bei weitem nicht so sauer wie Christian. Der lief verärgert aus dem Raum. Womit er aber nichts an der Situation änderte. Aber Robert fragte sich wirklich, was sie dem Schicksal getan hatten. Warum jetzt auch noch so etwas? Er versuchte doch wirklich alles, um endlich von Christian los zu kommen. Er gab sich doch wirklich Mühe. Aber wie sollte er das nur schaffen, wenn solche Dinge passierten? Trotzdem mussten sie da jetzt durch. Das gehörte zu ihrem Beruf, das sollten sie professionell angehen. Es half ja alles nichts. Auch wenn die Vorstellung, wieder neben Christian zu schlafen, etwas in ihm auslöste. Etwas, was stärker war als irgendetwas, was man beschreiben konnte. Robert konnte seine Gefühle nicht beschreiben. Sie waren noch immer viel zu stark und intensiv.

Christian hingegen stand verärgert im Bad des Hotelzimmers. Hier konnte er mal einen Moment für sich sein. Ohne Robert. Denn natürlich war es auch für ihn nicht einfach. In seinem Kopf schwirrten immer noch die Worte aus Roberts Brief herum. Als er dann gesehen hatte, dass sie zusammen in einem Bett schlafen sollte, da wurde es ihm zu viel. Er konnte das nicht. Nicht diese Nähe zu Robert aushalten. Denn es war so schmerzhaft. Er wollte ihn wieder küssen, ihm nahe sein, all das tun, was sie getan hatten, als sie zusammen waren. Und nicht einfach so nebeneinander her leben. Aber er musste das jetzt irgendwie schaffen. Auch wenn er gerade nicht ansatzweise wusste, wie er das schaffen sollte. Etwas ruhiger ging er dann wieder aus dem Bad heraus.

"Ist alles in Ordnung, Christian?", fragte ihn Robert ziemlich unsicher. Er machte sich wirklich Gedanken. Er wusste sofort, wenn Christian nicht gut drauf war.

"Wie soll alles in Ordnung sein? Es war absolut nicht der Plan, dass das hier so endet. Und ich glaube kaum, dass es eine gute Idee ist, wenn wir hier zusammen in einem Bett schlafen. Aber gut, was soll man machen."

"Ist ja nicht so, als ob es das erste Mal wäre.", murmelte Robert mehr für sich. Doch Christian hörte das natürlich genau.

"Ja, aber wir sind nicht mehr zusammen, Robert. Und ich kann das nicht mehr. Nicht so tun, als ob einfach alles gut wäre. Es ist überhaupt nichts gut. Ich hätte alles aufgegeben. Und jetzt stehen wir hier und wissen beide nicht, wie wir mit uns umgehen sollen. Nach ganzen 8 Monaten. Und gestern... Marco... ". Christian suchte merklich nach den richtigen Worten. Es war unfassbar schwer für ihn. Und wenn Robert so vor ihm stand, da fiel es ihm ungemein schwer, überhaupt klare Gedanken zu fassen.

"Marco hat deinen Brief gefunden und ihn mir gegeben. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr mich das aufgewühlt hat und..."

"Warte, was? Du hast ihn gelesen? Marco hat ihn gefunden?", schockiert schaute Robert zu Christian. Er hatte die Sache mit dem Brief ja schon beinahe verdrängt. Gott, hatte er Glück gehabt, dass Marco ihn gefunden hatte. Aber Christian sollte das doch niemals lesen. Er wollte nicht, dass Christian so genau wusste, was er gedacht und empfunden hatte.

"Ja, wir haben ihn beide gelesen. Ich weiß immer noch nicht, was ich dazu sagen soll, wenn ich ehrlich bin."

"Christian, das war direkt am Abend unserer Trennung. Dir muss klar sein, dass ich da ziemlich stark von meinen Gefühlen abhängig war. Deshalb war es auch nie der Plan, dass du diesen Brief je bekommst. Und Gott, dass Marco ihn auch gelesen hat. Allein der Gedanke schon.", unterbrach Robert Christian.

"Nein, Robert. Es hat wieder alles bei mir aufgewühlt. So aufgeschrieben zu sehen, was du gefühlt hast, das hat es wieder alles zurück geholt. Und seitdem lässt mich der Gedanke nicht mehr los, dass du trotzdem noch die Hoffnung hattest, dass diese Trennung nicht endgültig war. Robert, auch wenn ich es nicht gezeigt habe, aber meine Gefühle haben sich nicht verändert. Deshalb fällt es mir jetzt auch so schwer, den Gedanken zuzulassen, wieder neben dir zu schlafen. Es fühlt sich gleichzeitig so richtig und doch so falsch an."

Robert wollte das am liebsten alles nicht hören. Christian hätte diesen Brief nie lesen sollen. Nie. Dann gäbe es diese Gedanken jetzt nicht. Dann könnte sich ihr Verhältnis möglicherweise endlich normalisieren. Aber so?

"Christian, du weißt genau, dass es nach wie vor falsch wäre. Ich habe darauf gehofft, dass eines Tages der richtige Zeitpunkt kommen wird. Ja, ich hoffe auch jetzt noch darauf. Aber dieser Zeitpunkt kann noch nicht gekommen sein. Es hat sich doch nichts an der Situation geändert. Wir sollten es schaffen, endlich eine Normalität zu finden. Und dann sollten wir auch damit umgehen können, uns das Zimmer hier zu teilen. Aber natürlich fällt es mir auch schwer. "

Christian nickte nur und wandte sich von Robert ab. Ja, eine Normalität herstellen. Aber wie? Wie, wenn sie immer so viel miteinander zu tun hatten? Wie war das überhaupt möglich? Christian wusste es nicht. Er hatte keine Vorstellung, wie das jemals funktionieren könnte.

Die Leere in uns Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt