8

203 18 7
                                    

"Nein, natürlich nicht. Mir ist das alles nicht leicht gefallen und ich gehe da dann anders mit um, als du es getan hast.", antwortete Robert etwas vorwurfsvoll. Obwohl er wirklich erleichtert war, dass es wohl keine ernsthafte neue Beziehung bei Christian gegeben hatte. Auch wenn dieser Gedanke eigentlich nicht fair war. Denn eigentlich sollte er es Christian wünschen, dass er wieder glücklich wurde. Auch ohne ihn. Denn mit ihm war es einfach nicht möglich. Zumindest nicht momentan.

"Warum machen wir es uns nur noch schwerer, als es eh schon ist?", seufzte Robert leise. Mit diesem Kuss hatten sie nichts verbessert. Es hatte einfach alles wieder aufgewühlt. Und ihnen schmerzlich bewusst gemacht, dass sie diese Emotionen nicht mehr erleben durften. Diese Emotionen, die sie schon bei einem einzelnen Kuss so intensiv gespürt hatten.

"Weil wir nach wie vor die selben Gefühle haben wie vor acht Monaten. Oder liebst du mich etwa nicht mehr?", fragte Christian etwas provokativ. Er wollte es einfach hören. Dass er ihn nach wie vor liebte. Er musste es hören. Er brauchte die Bestätigung. Denn ihm erging es ja immerhin so. Christian liebte Robert nach wie vor. Hat es jede einzelne Sekunde getan. Doch Robert schwieg. Natürlich liebte er Christian noch. Sonst würde ihm das alles doch nicht so schwer fallen. Aber es war nicht schlau, Christian das so zu sagen. Dachte er sich zumindest. Denn dann hatte Christian wieder berechtigten Grund zur Hoffnung. Dass es vielleicht noch nicht vorbei war. Dass es in Ordnung wäre, wenn er ihn küssen würde. So wie er es eben getan hatte. Aber es war nicht in Ordnung. Das war nicht mehr ihre Lebensrealität. Sie waren nicht mehr zusammen.

Abwartend schaute ihm Christian in die Augen. Die ihn immer wieder so sehr fesselten. Doch nachdem keine Antwort kam, machte Christian einen Schritt zurück. Und wurde wieder deutlich distanzierter.

"Das ist wohl Antwort genug. Dann tut es mir Leid, was eben passiert ist. Vergiss es am besten einfach." Mit diesen Worten drehte sich Christian um und ließ einen verwirrten und irritierten Robert zurück. Das war nicht der Plan gewesen. Er wollte Christian doch auch nicht verärgern. Das hatte er aber damit wohl gerade erreicht. Frustriert seufzte Robert. Und merkte, dass er kaum noch Zeit hatte, bis sie zu der Konferenz mussten. Wahrscheinlich hatte sich Christian schon auf den Weg gemacht. Deshalb machte auch er sich dann fertig und ließ sich von seinen Sicherheitsleuten in Richtung des großen Gebäudes, in dem die Vertreter der EU tagten, begleiten. Christian konnte er nicht mehr ausmachen. Vielleicht war es in diesem Moment auch ganz gut. Denn er spürte noch immer die warmen Lippen Christians auf seinen. Sie hatten dort mal wieder schmerzlich hinterlassen, wie sehr er ihn doch eigentlich vermisste. Aber er konnte und durfte es Christian gegenüber so nicht zeigen. Sonst würde alles nur noch mehr in einer Katastrophe enden.

Nachdem Robert seine europäischen Amtskollegen begrüßt hatte, ließ er sich auf seinem Platz nieder. Neben ihm stand schon das Schild, auf welchem Christians Name zu sehen war. Doch von ihm weit und breit keine Spur. Obwohl es in Kürze losgehen sollte. Christian war doch eigentlich nie zu spät. Hatte er ihn eben wirklich so sehr aus der Bahn geworfen? Na gut, es war schon wirklich emotional gewesen. Und absolut nicht einfach. Robert bekam ein schlechtes Gewissen und schaute auf seine Uhr, die ihm zeigte, dass er noch wenige Minuten Zeit hatte. Er gab trotzdem kurz einem Kollegen Bescheid, dass er noch kurz etwas wichtiges erledigen müsste. Und so stand er dann auf und suchte das Gebäude nach Christian ab.

Er fand ihn auf keinen der Gängen, durch die er lief. Wobei er sich auch nicht allzu gut auskannte. Er vertraute einfach auf die angebrachten Schilder. Orientierung war hier auch kaum anders möglich. Als er ein Schild mit dem Symbol für die Toiletten entdeckte, versuchte er dort sein Glück. Doch auch dort fand er Christian nicht vor. Und die Uhr lief immer weiter voran. Er hatte eigentlich keine Zeit mehr und sollte zurück gehen. Aber es fühlte sich falsch an. Dank ihm war Christian immerhin eben so durch den Wind gewesen. Zwei Gänge weiter fand er erneut eine Toilette und stoß auch diese Tür auf. Und der Anblick, der sich ihm da bot, ließ sein Herz für einen kurzen Moment stehen bleiben, bevor er den Raum betrat.

Christian stand in dem großen Raum, total verloren. Er umfasste das Waschbecken so sehr, dass seine Knöchel hervor traten. Er war blass, sein ganzes Gesicht war weiß. Und als Robert genau hinsah merkte er, wie durch Christians ganzen Körper ein Zittern verlief. Gott, was war nur passiert? Hatte Robert etwa all das ausgelöst? Schockiert ging er auf den Jüngeren zu, hielt aber bewusst einen kleinen Abstand. Er hatte keine Ahnung, wie Christian sonst reagieren würde. Er wollte behutsam an die Sache ran gehen.

"Christian, verdammt, was ist los? Warum stehst du hier so? Ist irgendetwas passiert?", fragte er so ruhig es ihm möglich war.

Christians Blick war abwesend und er fand auch nicht zu Robert. Stattdessen redete er leise und mit einem Ausdruck in der Stimme, den Robert noch nicht gehört hatte. Und das Zittern seines Körpers übertrug sich auch auf die Stimme.

"Was... Was machst...du hier?".

Robert ging nun doch näher zu Christian und versuchte, ihn etwas zu stützen. Es schien ihm so, als ob er sonst jeden Moment umkippen würde. Und er hatte keine Ahnung wieso. Er hatte absolut keinen blassen Schimmer, was sich dort abspielte. Aber er fühlte sich schuldig.

"Hey Christian, bleib ganz ruhig. Es ist alles gut. Wir setzen uns jetzt einfach hier auf den Boden und du kannst dich an die Wand lehnen. Und dann kannst du mir erzählen, was los ist."

"Aber wir müssen doch..."

"Nein, du gehst hier so keinen Schritt weg. Du kippst hier sonst gleich um. Also los. Halt dich ruhig an mir fest und dann setzen wir uns. Das ist schon alles in Ordnung. Ich hab Bescheid gesagt, dass wir noch kurz etwas klären mussten."

Also stützte Robert Christian etwas und sie ließen sich zusammen auf den Boden dieses Raumes sinken. Christian schien noch immer wie in Trance zu sein. Er war auf jeden Fall geistig nicht ganz anwesend. Robert nahm nun einfach seine Hand und umschloss sie mit seiner eigenen, damit Christian wenigstens etwas Halt hatte. Denn sonst schien er diesen gerade absolut nicht zu haben. Sein Körper sah nach wie vor ziemlich angeschlagen aus. Und er wusste nach wie vor nicht, wieso das der Fall war.

"Christian, guck mich an. Was ist passiert? Es tut mir Leid, was ich eben alles zu dir gesagt habe. Nur weiß ich doch gerade selber nicht, was richtig und was falsch ist. Aber was ist los?"

"Ich...ich weiß nicht, was los ist. Ich kriege so schlecht Luft und mir ist so heiß.", sagte er so leise, dass Robert es kaum verstand. Und bei diesen Worten beließ er es dann auch erst einmal. Robert hingegen machte sich nur noch größere Sorgen. Christian atmete wirklich sehr schwer und es schien immer schlimmer zu werden.
Also kniete er sich vor ihn und versuchte so zu erreichen, dass Christian sich auf ihn fokussierte.

"Christian, hey, ich bin da. Du musst ganz ruhig weiter atmen. Es ist alles gut. Ich rufe jetzt unsere Sicherheitsleute an und sage ihnen, dass wir dringend einen Arzt brauchen. Und dann wird dir gleich geholfen. Aber bis dahin musst du einfach ruhig weiter atmen. Ich bin jetzt da und gehe auch nicht mehr weg."

Christian versuchte wirklich, auf Roberts Worte zu hören. Doch sein Herz raste so sehr, dass er nicht ruhig werden konnte. Und mit jeder Sekunde, die verging, wurde dieses schreckliche Gefühl der Enge in ihm nur noch größer. Er wusste selbst nicht, was mit ihm los war. Hatte keine Erklärung. Verstand nicht, was sein Körper mit ihm anstellte. Damit es etwas besser wurde, die Hoffnung hatte zumindest Robert, löste er endlich die Krawatte des Jüngeren sowie die obersten Knöpfe seines Hemdes. Selbst diese Berührungen lösten eine leichte Gänsehaut bei Christian aus. Auch wenn er sich wirklich nicht darauf konzentrieren konnte. Er versuchte einfach, seine Atmung halbwegs zu kontrollieren. Auch wenn ihm das mehr oder weniger gut gelang. Aber mit Roberts Anwesenheit musste es einfach besser werden.

Ich hoffe euch gefällt das Kapitel. Danke fürs Lesen!

Die Leere in uns Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt