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Am nächsten Morgen saß Robert vollkommen übermüdet, aber doch ziemlich aufgeregt neben Christian in seinem Porsche. Dieses Mal fuhr Christian wieder selber. Er war auch deutlich ausgeruhter, denn immerhin hatte er ein paar Stunden Schlaf bekommen. Nicht so wie Robert. Er war gefühlt die ganze Nacht wach gewesen und ist jede mögliche Situation durchgegangen. Wie es an diesem Tag werden würde. Was in den Gesprächen passieren würde. Es ließ ihm einfach keine Ruhe. Und am liebsten wäre Robert direkt zu Friedrich Merz gefahren und hätte die ganze Sache geklärt. Das wäre sicherlich nicht so angenehm für den CDUler geworden. Aber Christian konnte Robert von diesem Vorhaben nochmal abhalten. Christian musste wirklich die Nerven behalten. Sonst würde das Alles kein gutes Ende nehmen. Aber wie konnte er nicht konzentriert sein, wenn er seinen Porsche fuhr? Sein Porsche richtete seinen Blick doch immer wieder auf das Wichtige und Relevante.

Die Landschaft zog an Robert vorbei und irgendwann schaffte er es doch tatsächlich einzuschlafen. Später fragte er sich, wie das plötzlich funktioniert hatte. Denn immerhin hatte er es die ganze Nacht versucht. Aber vielleicht lag es an Christians ruhiger Fahrweise, dachte Christian zumindest. Auf jeden Fall war Christian froh, dass sich Robert noch etwas ausruhen konnte. Immerhin würde dieser Tag ein anstrengender und vielleicht einschneidender Tag werden. Auch wenn Christian es nicht hoffte. Und natürlich hatte auch er Angst. Angst davor, wie die Gespräche laufen würden. Was ihre Kollegen sagen würden. Ob er in wenigen Stunden als Finanzminister und Parteivorsitzender zurücktreten müsste. Er versuchte diesen Gedanken einfach schnell zu verdrängen. Natürlich, er hätte und würde alles für Robert und ihre Beziehung aufgeben. Aber jetzt so kurz davor zu stehen, das war dann doch nochmal eine andere Sache. Die ihn auch an seiner Überzeugung etwas zweifeln ließ. Er wollte heute nicht zurücktreten müssen. Auch nicht, obwohl es um ihre Beziehung ging. Vielleicht hatte er es sich die ganze Zeit zu einfach vorgestellt. Dass er damit umgehen könnte. Vielleicht war es doch anders. Aber darüber wollte Christian jetzt wirklich nicht nachdenken.

Deshalb schaute er lieber kurz zu Robert, der zwar einen ernsten Gesichtsausdruck hatte, selbst beim Schlafen, aber trotzdem einfach friedlich aussah. Das holte Christian dann doch wieder in die Realität zurück und weg von seinen negativen Gedanken. Sie beide würden das schon schaffen. Sie hatten schon so viel geschafft. Zusammen, aber auch jeder für sich. Und egal was heute passieren würde, Robert würde am Abend wieder neben ihm im Bett liegen. Und morgen früh würden sie zusammen aufstehen und frühstücken. Egal was heute also passierte, es würde sie nicht trennen. Sie waren nach wie vor die selben Menschen. Und würden sich genauso lieben wie gestern, als sie in ihrer heilen Welt in Dänemark einfach nur glücklich waren.

Christian war nach wie vor traurig, dass ihre geplante Zeit in Dänemark so abrupt und jäh geendet hatte. Er hatte sich wirklich darauf gefreut, dort mal zwei Tage abschalten zu können. Und einfach mit Robert zusammen sein zu können. Es war doch sonst immer schon schwer genug. Da hatten sie sich diese Auszeit eigentlich mehr als verdient. Und dieser Ort war dafür perfekt geeignet. Auch wenn Christian wirklich nichts dagegen gehabt hätte, mal wieder nach Sylt zu fahren. Aber gut, da konnte er Robert wohl so schnell nicht zu bewegen. Was er wirklich schade fand. Aber wer weiß, vielleicht hätten sie bald mehr Zeit. Je nachdem, was heute noch passieren würde.

Mittlerweile waren sie schon hinter Hamburg angekommen, was hieß, dass sie noch mindestens 3 Stunden unterwegs wären. Robert hatte seine Augen nach wie vor geschlossen und Christian versuchte einfach, weiter konzentriert zu bleiben. Es brachte ihnen nichts, wenn er jetzt einen Unfall baute. Dementsprechend versuchte er auch, mit seinen Gedanken nicht schon wieder abzuschweifen, was allerdings schwieriger als gedacht war. Irgendwann wurde dann aber auch Robert wieder wach. Und Christian war froh, dass er so wenigstens wieder jemanden hatte, mit dem er sprechen konnte. Sonst hätte er noch anfangen müssen, Selbstgespräche zu führen.

"Wie lange haben wir noch?", fragte Robert mit einer verschlafenen Stimme. Christian verliebte sich jedes Mal aufs Neue, wenn er Robert so verschlafen sah und seine Stimme hörte. Wie könnte man Robert dann auch noch widerstehen? Christian konnte es auf jeden Fall nicht. Bei dem Gedanken musste er leicht lächeln. Es war immer noch unrealistisch, dass er der Mann an Roberts Seite war. Es war surreal. Wie ein Traum. Der doch irgendwie wahr war.

"In etwas weniger als drei Stunden sollten wir da sein. Haben also noch etwas Zeit. Möchtest du direkt zum Kanzleramt fahren, oder erst noch kurz zu dir nach Hause?"

"Nee, lass es uns einfach direkt hinter uns bringen. Je schneller es vorbei ist, desto besser. Und heute Abend komme ich ja eh mit zu dir und meine Sachen hab ich ja auch alle mit. Also müssen wir den Umweg nicht auch noch machen."

"Okay gut. Fühlst du dich bereit dafür? Und waren wir uns jetzt einig damit, dass wir vorschlagen, erstmal das direkte Gespräch mit Merz zu suchen und ihn so von unserer Seite aus unter Druck zu setzen. Und wenn er dann nicht zurück zieht mit seiner Drohung, dann werden wir abwarten, bis er es veröffentlicht und ihn dann auch in der Öffentlichkeit unter Druck setzen?"

"Also bereit bin ich absolut nicht. Aber wie soll man für so etwas auch bereit sein? Aber ja, ich würde sagen, dass das ein guter Plan, eine gute Strategie ist. Sofern momentan überhaupt etwas gut sein kann. Aber gut. Da müssen wir jetzt durch. Und irgendwie wird das schon."

"Ja, irgendwie schaffen wir das. Ich würde ja gerne sagen, dass der Markt das schon regeln wird, aber hier glaube ich nicht wirklich daran. Eher an ein Marktversagen."

"Christian", lachte Robert leicht. "Hör auf wie ein deprimierter FDPler zu reden. Das kann man sich ja nicht anhören. Du und dein Markt." Robert hatte direkt etwas bessere Laune, als er sich über diesen Spruch lustig machte. Christian wusste, wie man Robert belustigen konnte. Auch wenn es oftmals, so wie hier, nicht absichtlich war. Trotzdem musste auch Christian jetzt leicht grinsen. Robert lachen zu sehen war sowieso besser als alles andere. Auch wenn er über ihn lachte. Das konnte Christian dieses Mal akzeptieren. Da hatte der Markt wohl doch gute Arbeit geleistet. Das müsste ja wohl auch Robert jetzt anerkennen, dachte sich Christian.

"Wenigstens hat dich der Markt zum Lachen gebracht. Also dann doch was positives geregelt. Aber nein, ich habe ehrlich gesagt auch Angst davor, was passieren wird. Und ich kann es absolut nicht einschätzen. Aber Robert, kannst du mir eins versprechen? Dass uns das, was heute passieren wird, nicht auseinander bringt? Dass wir nicht wieder alles in Frage stellen?"

"Ja. Wir lassen uns nicht auseinander bringen. Egal, was da passieren wird. Wir gehen da zusammen rein und später auch wieder zusammen raus. Und wenn es für die anderen, für den Kanzler nicht passt, dann müssen sie es so hinnehmen. Wir werden uns nicht aufgeben. Nicht noch einmal."

Beruhigt schaute Christian zu Robert. Er hörte sich überzeugt an. So, als ob er nicht mit dem Gedanken spielte, alles hinzuwerfen. Und das beruhigte Christian wirklich ungemein. Und es gab ihm die nötige Sicherheit, die er für diese Gespräche brauchte. Er wollte ja immerhin überzeugend wirken. Ohne Roberts Rückenhalt wäre das wahrscheinlich nicht möglich. Ziemlich sicher nicht. Und so kam es, dass Christian nach einiger Zeit sein Auto hinter das Kanzleramt lenkte, wo sie parken konnten. Es war also soweit. Jetzt würde es kein Zurück mehr geben. Jetzt ging es für sie beide um Alles. Alles, was sie sich politisch je aufgebaut hatten. Wenn sie in einigen Stunden wieder in Christians Auto an dieser Stelle sitzen würden, dann könnte sich so viel geändert haben. Es könnte vorbei sein. Aber es könnte auch noch eine Chance für sie geben. Es war vollkommen offen, was letztlich passieren würde. Und das bereitete beiden eine ungeheure Angst.

Christian lehnte sich ein letztes Mal rüber zu Robert, um den Geschmack seiner Lippen auf seinen eigenen zu spüren. Und Christian merkte genau, wie unruhig Robert war. Dann trennten sie sich und betraten gemeinsam durch einen hinteren Eingang das Kanzleramt.
Jetzt war es also soweit. Alles vorbei oder noch eine Chance. Darum kreisten ihre Gedanken.

Und es geht weiter... Was meint ihr, wie enden die Gespräche für die beiden wohl?
Ich beeile mich mit dem Weiterschreiben, sodass es so schnell wie möglich weitergeht ;)

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