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"Nein, warum sollte ich das tun? Christian, ich hab mich doch längst entschieden. Und zwar für dich. Sonst hätte ich diese Entscheidung nicht gefällt, mich damals von Andrea zu trennen. Und warum sollte ich jetzt zu ihr zurück? Dann hätte ich das doch längst getan, als wir beide getrennt waren. Aber du weißt, dass ich es nicht getan habe. Es gibt kein Zurück mehr. Christian, ich liebe dich. Und ich würde dir sowas nie antun. Nie."

"Liebst du sie noch?"

"Das ist nicht fair Christian. Es ist doch klar, dass meine Gefühle nicht von heute auf morgen weg sind. Und auch nicht nach ein paar Monaten. Das kannst du mir nicht verübeln. Ich hab immerhin mein ganzes Leben mit ihr verbracht. Und ja, natürlich ist das noch Liebe. Aber es ist anders. Nicht mehr so wie früher. Nicht so wie mit dir. Aber das musst du auch akzeptieren können, Christian. Alles andere ist wirklich nicht fair."

Christian fühlte sich wirklich schlecht. Er war vollkommen durcheinander. Eben noch dachte er, dass Robert ihn betrogen hatte. Jetzt wusste er, dass es wohl nicht so war. Aber er hatte es geglaubt. Er hat Robert misstraut. Eigentlich hat er es ohne zu Zögern geglaubt. Und das tat auch Christian weh. Er verstand sich selber nicht. Warum vertraute er Robert einfach nicht?

"Es tut mir Leid, Robert. Ich weiß auch nicht, wieso ich dir so schnell misstraut habe. Bitte verzeih mir."

"Ich weiß. Lass uns Morgen nochmal in Ruhe sprechen, ich muss ehrlich gesagt meine Gedanken erstmal sortieren. Das war alles gerade ganz schön viel. Aber denk dran, ich liebe dich. Und nur dich."

"Ich dich auch Robert, es tut mir Leid."

Nachdem keiner mehr ein Wort sagte, legte Robert auf. Und starrte fassungslos in den Spiegel, der sich vor ihm befand. Er konnte nicht glauben, was da so eben passiert war. Christian hatte wirklich gedacht, er hätte ihn betrogen. Mit Andrea. Das hatte er ihm zugetraut. Mit einem Mal fielen bei Robert alle Emotionen und die ganze Anspannung ab und Tränen liefen ihm über sein Gesicht. Er musste sich erstmal hinsetzen. Er fühlte sich völlig überwältigt, aber nicht im positiven Sinne. Damit hatte Robert wirklich nicht gerechnet. In keinster Weise. Und er war auch eigentlich wirklich sauer auf Christian. Was er ihn da an den Kopf geworfen hatte, war echt nicht in Ordnung gewesen. Es tat unfassbar weh, solche beleidigenden Dinge von Christian zu hören. Christian, der ihn doch eigentlich liebte. Und den Robert mehr als alles andere liebte. Und er hatte ihm nicht vertraut. Das tat beinahe noch mehr weh. Gleichzeitig hatte er ihn auch stundenlang ignoriert, obwohl es eigentlich keinen berechtigten Grund gab. Hätte ihm Christian einfach mehr vertraut.

Robert musste sich erst noch etwas anziehen, bevor er wieder nach unten Richtung Wohnzimmer ging. Wahrscheinlich waren seine Augen noch gerötet, als er sich neben Jakob setzte. Er musste wohl eben gerade zurück gekommen sein. Und verwundert schaute sein ältester Sohn zu ihm.

"Was ist denn mit dir passiert?", fragte Jakob ihn und war ziemlich verwundert, seinen Vater so zu sehen. Das passierte doch eigentlich nicht allzu oft, dass er offensichtlich so durch den Wind war.

"Ja ich freue mich auch dich zu sehen. Ich bin nur gerade etwas neben der Spur, weil ich mit Christian telefoniert habe. Aber es ist nichts passiert, womit ich dich belästigen müsste."

Jakob war zwar immer noch etwas verwundert, nahm es aber so hin. Sein Vater würde schon mit ihm sprechen, würde er das wollen. Und offensichtlich wollte er das gerade mit sich selber ausmachen. Ja, Robert wollte seinen Sohn damit nicht belästigen. Immerhin hatte sich die Situation ja geklärt. Und den Rest musste Robert jetzt selber verarbeiten.

"Warst du schon Laufen?", fragte ihn Jakob stattdessen.

"Ja, ich hatte eben schon etwas Zeit. Aber wenn du nochmal hier raus willst, dann können wir gerne noch ein Stück ans Wasser gehen. Anton und Konrad hatten ja schon Bescheid gesagt, dass sie doch erst Morgen kommen werden. Also musst du heute sowieso wohl noch mit Andrea und mir Vorlieb nehmen."

Kurze Zeit später liefen Robert und Jakob zusammen Richtung Meer. Andrea war nicht mitgekommen, sie musste noch etwas anderes erledigen. Und so musste Robert zumindest nicht erzählen, was mit Christian passiert war. Das war dann doch ganz angenehm. Da es noch nicht allzu spät Abends war, war auch rund um Flensburg noch relativ viel los. Deshalb war es wirklich von Vorteil, dass die beiden Männer ruhige Orte kannten, an denen nichts los war. Sonst könnte Robert ohne Schutz auch kaum rausgehen. Aber so war es natürlich optimal. Sie setzten sich auf eine Wiese direkt am Meer und dort war sonst keine Menschenseele. Robert hing die meiste Zeit seinen Gedanken nach. Wollte Jakob mit ihm sprechen, dann würde er das schon von sich aus tun. Aber offensichtlich war auch Jakob mit seinen Gedanken woanders.

Und Robert fragte sich, was er falsch gemacht hatte. Dass Christian ihm so sehr misstraute. Normal war das sicher nicht. Oder? Robert wusste es nicht. Er wusste gar nichts. Gestern Morgen war noch alles gut, sofern bei ihnen alles gut sein konnte. Und jetzt war schon wieder etwas passiert. Sie hatten gefühlt auch nie Ruhe. In ihre Beziehung kam einfach keine Ruhe. Und so langsam machte Robert dies unsicher. Christian hatte ihn ziemlich verunsichert. Vor allem, wenn er bedachte, was er zu ihm gesagt hatte. Er sei ein Fremdgänger und wird es auch immer bleiben. Er sei ein schlechter, hinterlistiger Mensch. Dachte Christian tief in seinem Inneren wirklich so? War das seine eigentliche Meinung von ihm? Und jetzt hatte er sie in einem ehrlichen Moment gesagt? Natürlich, er hatte sich entschuldigt. Aber es tat weh. Unfassbar weh. So etwas möchte man von niemandem gesagt bekommen. Und schon gar nicht von der Person, die man liebt. Aber vielleicht war Christian auch einfach so emotional in diesem Moment gewesen, dass er Dinge gesagt hatte, die er so eigentlich nicht meinte. Robert hoffte es einfach. Aber den Schmerz linderte es trotzdem nicht.

Jakob beobachtete seinen Vater noch eine Weile, bis er entschloss, ihn erneut darauf anzusprechen, was bei ihm los war. Immerhin merkte er, dass Robert unfassbar komisch drauf war. Allein dass er nicht redete, war eigentlich eine Seltenheit. Und so richtig trauen wollte Jakob der ganzen Sache nicht. Außerdem war er alt genug, um mit seinem Vater ehrlich zu sprechen. Auch wenn es um Christian ging.

"Willst du jetzt endlich erzählen, was los ist? Irgendwas beschäftigt dich ja offensichtlich. Und ich bin mittlerweile alt genug, mit mir kannst du auch offen sprechen."

Verwundert schaute Robert zu ihm. Er hatte schon beinahe vergessen, dass Jakob ja neben ihm saß. So still war es gewesen. Aber gut, Jakob hatte Recht. Er konnte mit ihm reden. Und wahrscheinlich sollte Robert auch mit jemandem reden. Und nicht unbedingt mit Andrea. Denn irgendwie hing sie da ja auch mit drin. Zumindest mehr als Jakob.

"Also gut. Christian hat mich vorhin angerufen, nachdem ich vom Joggen zurück war. Und er war unfassbar komisch und hat ziemlich beleidigende Dinge zu mir gesagt. Und ich hab wirklich nicht verstanden, was das Problem war. Dann hat er mir ein Bild von mir und Andrea geschickt, auf dem es so aussieht, als ob wir uns geküsst hätten. Haben wir natürlich nicht. Die Perspektive auf dem Bild war einfach unfassbar schlecht gewählt. Aber dann habe ich die ganze Sache zumindest richtig stellen können. Und Christian hat sich natürlich auch entschuldigt und ich habe nur gesagt, dass ich erstmal ein wenig Zeit brauche, um das alles zu verarbeiten. Weißt du, es tut weh, wenn man solche Beleidigungen von jemandem hört, den man so sehr liebt. Und wenn man merkt, wie sehr diese Person einem misstraut. Christian hatte gar keinen Zweifel daran, dass ich ihn betrügt haben musste. Er hat mir in keinster Weise vertraut und mich stattdessen gestern erstmal ignoriert. Obwohl ich mir solche Sorgen um ihn gemacht habe. Und ich kann es nicht nachvollziehen. Ich weiß einfach nicht, was ich denken soll. Ob ich die ganze Sache zu Ernst nehme. Oder ob ich berechtigterweise gerade Zweifel habe. Ich weiß es einfach nicht."

"Die Frage ist doch, wie hättest du dich verhalten, wenn du erfährst, dass Christian dich vermeintlich betrogen hat. Wie hättest du reagiert? Aber um Gottes Willen, kann bei euch nicht einfach mal alles gut laufen?"

"Ich wünschte es mir."



Und es geht weiter :) Ob Jakob Robert wohl von seinen Zweifeln wieder abbringen kann? Oder nimmt es Robert doch mehr mit, als wir alle hoffen?
Im nächsten Kapitel werden wir mehr erfahren, danke euch fürs Lesen!

Die Leere in uns Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt