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Irgendwann verschwand die Sonne langsam hinter den Bäumen und es zogen auch einige Wolken auf. Also entschieden die beiden, langsam mal wieder von diesem wunderschönen Ort aufzubrechen. Auch wenn beide sich eigentlich gar nicht aufraffen wollten. Die Zeit könnte einfach stehen bleiben und beide könnten nicht glücklicher sein. Aber es half ja nichts. Und es sah auch noch so aus, als ob es bald anfangen würde zu regnen.

"Machen wir uns wieder auf den Weg? Müssen wir die Sachen hier alle mitnehmen?", fragte Robert deshalb.

"Nein, die meisten Sachen können eigentlich hier bleiben, da sollte nichts dran passieren. Da werde ich mich wann anders drum kümmern. Aber ja, lass uns so langsam wieder los. So ganz vertraue ich dem Wetter hier nicht."

Christian hatte im Vorhinein mit Marco vereinbart, dass er sich nicht um die Sachen kümmern müsste. Das würde Marco machen. Deshalb konnten sie sich dann auf den Rückweg machen. Aber beide hatten es schon geahnt. Mit einem Mal brachen die Wolken über sie herein. Sie waren noch längst nicht am Parkplatz angekommen. Und Christian war sich bei dieser schlechten Sicht nicht mehr so ganz sicher, welcher der richtige Weg war. Sowas musste doch jetzt wirklich nicht passieren. Der Tag lief doch bis dahin so gut. Und so langsam merkte Christian, dass er wirklich nicht mehr wusste, wo sie waren. Deshalb blieb er stehen. Beide waren schon vollkommen durchnässt. Und jetzt bemerkte auch Robert, dass da etwas nicht stimmte.

"Christian, was ist los? Warum bleibst du stehen?", fragte er ziemlich laut, damit Christian ihn überhaupt verstand. Das Wasser, was auf sie herab prasselte, war immerhin ziemlich laut. Christian drehte sich um und schaute schuldbewusst zu Robert. Da wusste er eigentlich schon, was Sache war.

"Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, auf welchem Weg wir hier sind. Und ich erkenne hier absolut gar nichts. Ach verdammt, so sollte das hier nicht enden. Und jetzt sind wir auch noch komplett nass. Man..."

"Ist doch alles gut. Es ist immerhin nur Regen. Davon werden wir nicht sterben. Außerdem hat es doch auch was, hier mit dir im Wald. Also lass uns ruhig bleiben."

Mit den Worten zog Robert Christian wieder zu sich und legte seine Lippen auf die des Jüngeren. Damit Christian sich wieder etwas beruhigte. Und was half da besser als Roberts Anwesenheit. Und bei Robert wurden in der Zwischenzeit einige Erinnerungen wach. Er hatte einen ähnlichen Moment mal erlebt. Und diese Erinnerung ließen ihn für einen ganzen Moment nicht los.

Genervt lief Robert los. Er musste einfach dringend raus aus seiner WG. Er brauchte einfach mal etwas Ruhe. Und die hatte er in seiner WG in Freiburg gerade absolut nicht. Spontan hatte er Andrea angerufen und gefragt, ob sie sich am Rande des nahegelegenen Waldes treffen wollten. Das hatte ihn einiges an Überwindung gekostet. Schon länger hatte die junge Frau Interesse bei ihm geweckt. Aber sie machte es ihm nicht einfach, an sie heran zu kommen. Und dementsprechend hatte er keine Ahnung, was sie von ihm hielt. Er hoffte einfach, dass sie ähnlich wie er fühlte. Und jetzt wollten sie sich treffen. Hoffentlich kam sie auch. Alles andere würde Robert ziemlich treffen. Er war schon vor ihr da und setzte sich auf einen Holzstamm, der umgekippt auf dem Boden lag. Er hatte hier schon einige Stunden verbracht. Ewig in der Stadt zu sitzen war einfach nicht seins. Er brauchte die Natur, um sich zu erden. Und Andrea schien es da scheinbar ähnlich zu gehen. Sie hatten sich mal in der Uni Bibliothek darüber unterhalten, als beide zusammen für ihr Studium gelernt hatten. Aber das war tatsächlich einer der wenigen Momente, in denen sie privat miteinander gesprochen hatten. Und umso erleichterter war Robert, als er die junge Frau vor sich stehen sah, die ihn selbstbewusst anlächelte. Robert war deutlich unsicherer. Gerade in ihrer Gegenwart.

"Hallo Robert. Herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag."

Verwundert schaute Robert zu ihr. Woher wusste sie das denn? Woher wusste sie, dass heute sein Geburtstag war? Er hatte es kaum jemanden erzählt. Deshalb verstand Robert nicht so ganz.

"Wie, woher weißt du denn das? Ich kann mich nicht dran erinnern, mal mit dir darüber gesprochen zu haben."

"Nein.", lachte sie nur. "Aber wenn ich mich schon mit dir treffe, dann will ich auch wenigstens etwas über dich wissen. Und so schwer herauszufinden war das nun wirklich nicht."

Sie verbrachten den ganzen Nachmittag miteinander und Roberts Herz schlug immer schneller. Diese Frau machte so einiges mit ihm. Das wurde Robert mit jeder Sekunde klarer. Und er war froh, dass er seinen Geburtstag mit ihr verbrachte. Was besseres hatte er sich nicht vorstellen können. Obwohl er sowieso keine Vorstellungen oder Erwartungen hatte. Sie waren noch so in ein Gespräch vertieft, als es anfing zu regnen. Nicht sonderlich stark, aber sie beschlossen, dass sie sich beide wieder auf den Weg nach Hause machen wollten. Robert war schon fast weg, als Andrea nochmal auf ihn zu ging und ihn einfach in einen Kuss zog. Robert war völlig überwältigt und überrascht. Wusste er doch gar nicht, was er für Andrea bedeutete. Aber offensichtlich ging es ihr ähnlich wie ihm. Fühlte sie ähnlich wie er. Robert wusste in dem Moment, dass das zwischen ihnen etwas Großes war. Dass da etwas entstanden ist. Und das an diesem Tag, an dem er nichts erwartet hatte.

Als Christians Lippen auf Roberts lagen, da wusste Robert, dass dieser Tag so ähnlich wie der damalige war. Natürlich war alles anders. Er stand dort mit Christian Lindner. Sie waren schon einige Zeit zusammen. Und sie liebten sich. Aber trotzdem hatte dieser Moment das gleiche magische an sich, wie es damals bei ihm und Andrea gewesen war. Und jeder wusste, was aus Andrea und ihm geworden war. Und Robert wusste, dass Christian ihm keinesfalls weniger wichtig war. Er war ihm unfassbar wichtig. Und dankbar dafür, dass sie diesen Tag zusammen verbracht hatten. Dass er alle Erwartungen übertroffen hatte.

Irgendwann standen Robert und Christian tatsächlich wieder am Parkplatz und der Porsche vor ihnen. Erleichtert atmete Christian auf. Sie hatten den Weg irgendwie wieder zurück gefunden. Christian hatte zwischenzeitlich wirklich Panik bekommen. Und erneute Panik kam in ihm auf, als er feststellte, dass sie mit ihren nassen Klamotten in den Porsche steigen müssten. Seine armen Sitze. Hoffentlich waren die anschließend nicht vollkommen ruiniert. Aber Christian zweifelte gerade ziemlich an dieser Hoffnung. Sein armer Porsche. Verzweifelt stand er vor diesem und fragte sich, was er nun tun sollte. Robert hingegen wurde etwas ungeduldig. Immerhin waren sie komplett nass und so langsam wurde es auch kalt. Robert sehnte sich einfach nach einer warmen Dusche. Am besten aber ohne Christian, sonst würden sie viel zu lange brauchen. Das war ja momentan nicht wirklich vertretbar.

"Willst du das Auto jetzt mal aufmachen oder es lieber noch weiter stundenlang anhimmeln?"

Eigentlich wollte Christian letzteres machen. Wer konnte ihm das bei diesem Auto auch verübeln? Bei diesem Auto. Aber natürlich wollte er Robert nicht länger warten lassen und brachte es übers Herz, dass sie seinen Porsche nass machten. Was ein schrecklicher Gedanke, den Christian ziemlich quälte. Aber wenn er Robert dann so glücklich lächelnd neben ihm sah, da waren diese quälenden Gedanken doch etwas in den Hintergrund geraten. Und auf der Autobahn bekam Christian seinen Kopf dann endgültig frei, als er auf der linken Spur heftig auf das Gaspedal trat. Das war ein Gefühl der Befreiung. Auch wenn Robert ihn dafür tadelnd ansah. Aber gut. Das musste Christian jetzt akzeptieren. Zum Glück hatte der Regen aufgehört, sonst hätte Christian wohl kaum Sichtweite auf der Autobahn gehabt und hätte nicht so schnell fahren können. Das wäre wieder ein ziemlicher Schmerz gewesen. Aber das musste er ja zum Glück nicht hinnehmen. Und so genoss er es, sich wieder auf den Weg zurück nach Potsdam zu machen. Der Abend würde hoffentlich genauso gut werden wie der restliche Tag. Vielleicht könnte er Robert ja dazu überzeugen, mit ihm duschen zu gehen. Das hatten sie sich nach diesem Regen doch sichtlich verdient. Und Robert hatte heute sowieso alles verdient. Nein, eigentlich immer, dachte sich Christian. Dafür, dass Robert ihm verziehen hat, dass er ihn liebt, allein dafür hatte er alles verdient.


Christian hat ein wenig sein Orientierungssinn verlassen, das kommt mir selber irgendwie bekannt vor. Aber wem passiert das nicht schon mal?

So endlich geht's weiter :) Momentan brauche ich ein wenig länger, aber natürlich versuche ich mich trotzdem zu beeilen. Ich hoffe euch gefällt es!

Die Leere in uns Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt