"Ich weiß, Annalena hat dir gesagt, dass es um morgen geht. Ich hab ihr gesagt, dass sie das sagen soll. Aber es ging eigentlich um deinen Geburtstag. Ich brauchte etwas Unterstützung und dachte, so ist es am einfachsten. Ja, das war wahrscheinlich wirklich blöd, dass ich dich deshalb angelogen habe."
"Mhh. Also ist nichts...passiert?", fragte Robert unsicher. So ganz glauben wollte er die ganze Sache nicht. Und er war nach wie vor sauer auf Christian. Er hasste es, belogen zu werden. Und es dann so zu erfahren.
"Nein, natürlich nicht! Was soll denn passiert sein? Denkst du ehrlich, dass ich hier...nein, Robert. Das ist doch vollkommen absurd."
Robert zuckte nur mit seinen Schultern und stand dann auf. Er war eigentlich noch so müde, dass er seinen Kopf erstmal wieder klar bekommen musste und am liebsten einen Moment für sich alleine war. Und auch sonst fühlte er sich gerade nicht sonderlich gut. Also ließ er Christian einfach sitzen und lief in das Badezimmer. Er machte sich nicht sonderlich viele Gedanken darüber, was Christian nun dachte. Er brauchte einfach einen kurzen Moment für sich, unabhängig von dem Gespräch mit Christian. Aber natürlich ging ihm dieser erstaunt hinterher. Vor der Tür des Badezimmers blieb Christian dann aber stehen, war aber doch etwas besorgt, weil Robert plötzlich so schnell aufgestanden war.
"Robert, bitte sei nicht sauer. Es tut mir wirklich Leid, dass es so gelaufen ist. Aber lass uns da doch jetzt nicht eine größere Sache draus machen, als es wirklich ist. Das wäre wohl besser, als vor Morgen noch zu streiten."
"Gib mir doch einfach mal einen Moment für mich, Christian. Ich bin gerade etwas durch mit meinen Nerven, und das liegt nichtmal nur an dir."
Dann seufzte Christian nur und ging weg vom Badezimmer. Wenn er Ruhe wollte, dann sollte Robert sie auch bekommen. Auch wenn er ihn nicht so wirklich verstand. Manchmal verstand er wirklich nicht, was in Robert vorging. Sie waren doch einfach unterschiedlich gestrickt. Und das kam dann doch manchmal hervor. Frustriert lief Christian in sein Arbeitszimmer, in das Robert sowieso nie ging. Dann musste er sich auch keine Gedanken machen. Auch wenn er das alles etwas kindisch fand. Aber gleichzeitig überlegte er sich, wie er das ganze wieder gut machen könnte. Vielleicht, indem er sich darum kümmerte, dass sie etwas zu Essen bekamen. Er könnte ja etwas in einem guten Restaurant bestellen. Und vielleicht könnte er dann nochmal in Ruhe mit Robert sprechen. Ja, das war doch eine gute Idee. Also machte er sich auf die Suche nach einem Restaurant und blieb letztendlich doch bei einem Italiener hängen, der ihnen mal von Annalena empfohlen wurde.
Da es schon Abend wurde und Robert draußen auf der Dachterrasse saß, bestellte Christian dann einfach etwas zu Essen und machte den Tisch so gut es ging fertig. Und achtete natürlich darauf, dass Robert ein vegetarisches Gericht bekam. Einen Fauxpas wollte er sich da wirklich nicht leisten. Vor allem wusste er nach wie vor nicht, ob Robert noch ernsthaft sauer war. Oder ob er vielleicht auch einfach der Situation geschuldet so angespannt war. Immerhin hatte er sich sein Handgelenk an diesem Tag gebrochen, stand unter Schmerzmitteln und am morgigen Tag stand das Gespräch mit Merz an. Das trug alles sicherlich nicht zur Entspannung bei. Und so ganz wusste Christian auch nicht, wie er damit umgehen sollte. Aber er versuchte es jetzt einfach mal.
Nach einiger Zeit klingelte es an der Tür, was auch Robert dazu brachte, wieder im Inneren des Gebäudes zu erscheinen. Erstaunt sah er, wie das Essen auf dem Tisch stand, auf dem sogar eine Kerze leuchtete. Da kam mal wieder der Romantiker in Christian durch. Und auch Christian betrat dann mit einem Glas Wein in der Hand den Raum und lächelte Robert unsicher an. Er hatte wirklich gar nicht mitbekommen, was Christian da auf die Beine gestellt hat. Christian lächelte unsicher, als er Roberts Schweigen bemerkte. War es richtig gewesen? Oder hätte er es heute einfach lassen sollen?
"Das hast du echt organisiert? Und dann auch noch meine Lieblingspasta?"
"Ja, irgendwie muss ich es ja wieder gut machen. Und du hast heute wirklich genug durchgemacht. Da müssen wir den Abend ja wenigstens noch ein wenig besser gestalten. Ist es in Ordnung?"
"Natürlich ist es das", lachte Robert und zog Christian endlich wieder in seine Arme. Obwohl er mit seinem Handgelenk wirklich höllisch aufpassen musste. Aber er wollte zeigen, dass er nicht mehr sauer auf Christian war. Im Nachhinein hörte sich seine Geschichte doch plausibel an. Und was sollte Annalena schon von Christian wollen. Oder er von ihr. Er konnte es sich einfach nicht vorstellen. Und Christian hatte sich wirklich Mühe gegeben. Und es machte ihn wie jedes Mal glücklich, wieder seine Lippen auf die von Christian zu legen. Was dieses Mal jedoch beinahe etwas ausgeartet wäre, hätte Christian ihre Küsse nicht abgebrochen. Mit einem unzufriedenen Laut ließ Robert es zu, denn Christian wollte nicht, dass ihr Essen kalt wurde. Und auch Robert merkte so langsam, dass er wirklich Hunger hatte. Und die Sache mit Christian war ja nur aufgeschoben.
"Christian, lass uns einfach vergessen, was da heute passiert ist. Ich war wahrscheinlich auch einfach zu gereizt. Aber die Sache mit der Hand und dann auch noch Morgen, das ist doch alles mehr, als ich gedacht hatte. Und ich war und bin wirklich fertig mit meinen Nerven."
"Was denkst du über Morgen?", fragte Christian. Denn er wollte verstehen, was in seinem Gegenüber vorging. Er selber war noch relativ ruhig. Das würde sich wahrscheinlich erst am kommenden Morgen ändern. Denn dann musste alles klappen. Robert musste erst einen kurzen Moment nachdenken, bevor er die richtigen Worte dafür fand, was in ihm vorging.
"Es fühlt sich so an, als ob wir wieder an einem Abgrund stehen würden, und wir diesen nur mit Glück überqueren können. Wie vor ein paar Tagen. Jeder falsche Schritt könnte alles zum Einstürzen bringen. Und ich merke seit spätestens heute, dass der Boden unter uns so langsam zu bröckeln beginnt. So fühlt es sich zumindest an. Und es macht mich wahnsinnig nervös. Ob wir diesen Abgrund überqueren können oder nicht. Und wahrscheinlich habe ich auch etwas Angst davor, dass wir es nicht schaffen werden. Auch wenn wir solch eine Unterstützung bekommen. Hoffentlich wird es das erleichtern."
Trotz dieser ernsten Situation musste Christian schmunzeln. Robert und seine Metaphern. Er hatte sich ja schon wirklich gewundert, dass sich dies in ihrem Alltag bisher in Grenzen hielt. Aber Christian würde lügen, würde er sagen, dass er es nicht jedes Mal wieder in gewisser Weise süß fand. Er musste sich daran erinnern, wie sehr er sich bei den Koalitionsverhandlungen zusammen reißen musste, als Robert plötzlich von Schrauben gesprochen hat. Und das war ja beileibe nicht die einzige Situation.
"Ich glaube das einzige, was uns wirklich hilft, ist einen kühlen Kopf zu bewahren. Dann machen wir zumindest keine dummen Fehler. Und alles andere können wir jetzt nur abwarten. Aber warum sollten wir es jetzt nicht schaffen? Um in deiner Metapher zu bleiben, vor ein paar Tagen war der Abgrund, vor dem wir standen, wohl deutlich größer und tiefer. Und jetzt stehen wir immer noch hier und haben alle Chancen, dass es morgen Abend nicht anders sein wird. Und realistisch gesehen ist Merz in einer schlechteren Situation als wir. Zumindest rechtlich."
"Hast du gar keine Bedenken? Vielleicht sind wir auch zu viele Menschen. Vielleicht können wir uns nicht zusammen reißen. Ich zumindest. Ich hab keine Ahnung wie ich reagieren werde, wenn ich vor ihm stehe. Nicht, dass nachher noch andere Knochen an meinem Körper kaputt sind. Das muss wirklich nicht sein."
"Natürlich habe ich Bedenken. Aber ich weiß, dass wir zurecht positiv sein können. Und ich glaube es sind vielleicht gerade deshalb die anderen auch da, damit sie uns davon abhalten, dumme Dinge zu tun. Mach dir da mal nicht zu viele Sorgen. Das wird schon klappen. Wir sollten einfach nicht zu negativ an die ganze Sache ran gehen."
Robert musste leicht Grinsen. Ihm kam ein Gedanke, nachdem Christian die letzten Sätze gesagt hatte.
"Jetzt fehlt nur noch, dass du sagst, Probleme sind auch nur dornige Chancen.", lachte Robert und Christian musste auch grinsen.
"Ist doch ein guter Leitspruch, hab mal ein wenig mehr Glauben daran."
Robert und die Metaphern und Christian und die dornigen Chancen ;) Ich hoffe, es gefällt euch!
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Die Leere in uns
FanfictionFortsetzung von "Der ganze Lärm um uns" Acht Monate waren vergangen seit der Trennung. Acht Monate, in der sich die Welt für Christian und Robert neu sortierte. Acht Monate, die für beide unfassbar hart waren. Doch beide hatten gelernt, mit dieser s...