Robert ließ beinahe sein Handy fallen, als er diese Worte hörte. Er verstand nicht. Wieso holte Christian das jetzt hervor? Er wusste doch genau, dass Robert sich selber oft Vorwürfe gemacht hatte, dass er Andrea betrogen hatte, als sie noch zusammen waren. Und dass sie Christian und ihn dann auch noch in Dänemark erwischt hatte. Ja, er war fremdgegangen. Aber das war ein einziges Mal gewesen. Und das auch noch mit Christian. Aber wieso sagte Christian das? Er hatte es nicht nochmal getan. Er hatte Christian erst Recht nicht betrogen! Natürlich nicht!
Robert war zutiefst erschüttert und brachte kaum mehr als nur ein paar geflüsterte Worte heraus. Seine Stimme zitterte."Was? Wieso sagst du das?"
"Weil es verdammt nochmal die Wahrheit ist, Habeck. Ich habe dir vertraut. Ich habe dich von ganzem Herzen geliebt. Und ich dachte, du tust es auch. Aber offensichtlich ist es nicht so. Und dass du jetzt schon wieder bei Andrea bist, sagt doch schon alles. Du bist wirklich ein schlechter, hinterlistiger Mensch."
Robert lief es eiskalt den Rücken runter. Das war nicht der Christian, den er liebte. Er würde so etwas nicht sagen. Irgendwas muss also passiert sein, dass Christian so über ihn sprach. Und was sollten diese Andeutungen mit Andrea nur? Er wusste doch, dass Robert zu ihr und den Jungs fahren wollte. Und es war nie ein Problem. Aber scheinbar war es jetzt anders.
"Ich habe nichts getan, verdammt nochmal. Hör auf, solche Dinge zu sagen. Oder sag mir wenigstens, wieso du denkst, dass ich was auch immer getan haben soll. Ich weiß es ja immer noch nicht. Ziemlich absurd, oder?"
"Als ob du wirklich so ahnungslos wärst. Hast du das Bild nicht auch schon längst bekommen? Bist du im Ernst zurück zu Andrea, nur weil ich mal ein paar Tage nicht da bin? Ist das wirklich dein Ernst? Ich dachte wirklich, dass du mich liebst und dass das mit euch längst Geschichte ist. Aber offensichtlich ist das ja nicht so."
"Warte Christian. Welches Bild? Ich weiß wirklich nicht, wovon du sprichst."
Nur wenige Sekunden später erschien besagtes Bild auch in ihrem Chat und Robert starrte es einige Sekunden an. Es zeigte tatsächlich ihn und Andrea. Wie sie gemeinsam vor ihrem Haus standen. Es musste schon einige Wochen her sein, denn Robert erinnerte sich an den Moment. Auf dem Bild sah es so aus, als ob Roberts Lippen auf denen von Andrea lagen. Aber man konnte Andrea kaum erkennen, weil Roberts Kopf so vor ihrem war, dass es eigentlich jede x-Beliebige Person hätte sein können. Und natürlich küssten sie sich nicht. Die Perspektive war einfach nur verdammt blöd. Sie hatten miteinander gelacht, als Robert sich verabschiedet hatte. Und dabei waren sie sich so nahe gekommen. Aber um Gottes Willen, sie hatten sich nicht geküsst. Es war absolut nichts passiert.
"Woher hast du das Bild?", fragte Robert zunächst nur, weil er noch so verdutzt war. Und so neben sich stand.
"Marco hat es mir gestern Morgen geschickt, bevor ich in den Flieger eingestiegen bin. Er hatte es wohl irgendwo im Internet gefunden oder geschickt bekommen, ich weiß es nicht. Und an der Echtheit des Bildes hab ich ehrlich gesagt keine Sekunde gezweifelt. Es war auch einfach zu passend. Es war so klar, dass du irgendwann wieder zu Andrea zurück gehst. Gib es doch zu, du liebst sie immer noch und ich war nur ein netter Zeitvertreib."
"Nein nein nein. Christian, ich liebe dich und nur dich. Lass es mich bitte erklären. Ich kannte das Bild bis gerade auch noch nicht und musste es gerade erst einmal einordnen. Wir haben uns nicht geküsst. Nie, seitdem wir getrennt sind. Und schon gar nicht auf diesem Bild. Auch wenn es tatsächlich auf den ersten Blick so aussieht. Wir haben uns da einfach nur verabschiedet, weshalb wir uns so nah waren. Und ich habe gelacht, deshalb hab ich mein Gesicht so verzogen. Die Perspektive ist einfach unfassbar ungünstig geworden. Aber Christian, bitte glaub mir. Warum sollte ich das tun? Und wenn du mir nicht glaubst, dann guck doch nochmal genauer auf das Bild. Meine Körperhaltung ist doch eine ganz andere, wenn ich jemanden küsse. Wenn ich dich küsse. Das weißt du doch. Und ich beuge mich doch gar nicht genug zu ihr runter. Also bitte Christian, vertrau mir. Und das Bild muss auch schon vor einigen Wochen entstanden sein, als ich nur kurz hier war. Also nicht jetzt."
"Wirklich? Das soll ich dir glauben? Ich weiß ja nicht."
Christian war schon deutlich nachdenklicher geworden. Seitdem Marco ihm dieses Bild geschickt hatte, da war sein Herz in Tausend Teile zersprungen. Er konnte und wollte es nicht wahr haben, dass Robert ihn betrügt hatte. Allein der Gedanke war so unfassbar schmerzhaft. Deshalb ignorierte er Robert erst einmal. Sollte er doch spüren, wie sehr er ihn verletzt hatte. Sollte Robert die gleichen Schmerzen doch empfinden. Aber hatte er ihm wirklich Unrecht getan? War da wirklich nichts mit Andrea gewesen? Er hatte es sofort geglaubt. Weil Christian genau wusste, wie gut das Verhältnis zwischen Robert und Andrea noch war. Es war einfach zu passend. Aber jetzt geriet auch er ins Grübeln.
"Christian, ich hab mir in den letzten Stunden solche Sorgen um dich gemacht. Ich habe schon gesagt, dass ich dachte, dir wäre etwas passiert. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, weil ich nicht wusste, was mit dir los war. Ob es dir gut ging. Ich stand den ganzen Tag vollkommen neben mir und hab wahrscheinlich nur Blödsinn von mir gegeben. Ich war eben laufen, weil ich nicht mehr klar denken konnte. Christian, das kam alles nur so, weil ich dich so sehr liebe. Ich könnte dich niemals betrügen und dann so weitermachen, als ob nie etwas geschehen wäre. Das könnte ich nicht. Und du weißt doch genau, dass ich dich kein zweites Mal verlieren möchte. Keinesfalls. Ich würde unsere Beziehung doch nicht so leichtfertig aufs Spiel setzen. Niemals. Dafür habe ich zu sehr gelitten, als wir getrennt waren. Ich weiß doch genau, was mich dann erwarten würde, würde ich dir so etwas antun. Also bitte Christian, bitte glaube mir. Bitte vertrau mir. Ich liebe dich und nur dich. Dieses Bild ist einfach nur wahnsinnig ungünstig geschossen und verzerrt die ganze Realität."
Christian musste tief durchatmen. Hatte er sich wirklich zu Unrecht die ganzen letzten Stunden so schlecht gefühlt? Er glaubte Robert. Er wusste, dass er ihn nicht anlügen würde, wäre da etwas passiert. Aber gleichzeitig tat auch dieses Eingeständnis weh. Christian wusste, dass er Robert nicht vertraut hatte. Und das war keine schöne Erkenntnis. Auch für Robert nicht. Er hörte immer noch die Worte, die Christian ihn an den Kopf geworfen hatte. Er sei ein Fremdgänger, ein schlechter, hinterlistiger Mensch. So etwas von Christian zu hören, das schmerzte doch sehr. Diese Wut zu spüren. Es tat weh. Aber das wichtigste war in diesem Moment, dass Christian ihm endlich glaubte.
"Okay. Es tut mir Leid, Robert. Aber es war so echt, so realistisch. Bitte versteh es zumindest ein wenig, dass ich deshalb so reagiert habe. Und verzeih mir meine Worte. Ich liebe dich doch. Aber ich war so wütend. Ich wollte es einfach nicht wahr haben, aber es schien plötzlich alles vorbei zu sein. Unsere Beziehung. Du schienst plötzlich nicht mehr der zu sein, den ich liebe. Und das musste ich eben loswerden. Es tut mir Leid."
"Schon in Ordnung. Wahrscheinlich hätte ich nicht anders reagiert. Aber bitte tu mir einen Gefallen. Bitte nenn mich nicht mehr Fremdgänger. Du weißt genau, wie sehr es immer noch weh tut. Ich bin kein Mensch, der andere Menschen so verletzt. Umso schlimmer ist es, dass ich Andrea betrogen habe. Auch wenn es mit dir war. Du weißt, wie nahe mir das geht."
Christian nickte nur, auch wenn Robert das am anderen Ende des Handys natürlich nicht sehen konnte. Aber das vergaß Christian in diesem Augenblick. Vereinzelt spürte er Tränen in seinen Augen brennen, so mitgenommen war er von der Situation. Die letzten Stunden waren für ihn unfassbar hart gewesen. Er hatte nicht nur eine Träne verloren.
"Aber darf ich dich noch etwas fragen? Liebst du sie noch? Würdest du es jemals in Betracht ziehen, wieder zu Andrea zurück zu gehen? Hast du es jemals in Betracht gezogen?"
Soo, ein wenig mehr Klarheit hier. Das schulde ich euch auch wirklich, nachdem das letzte Kapitel so viel Verwirrung gebracht hat :) Ich hoffe, ihr seid jetzt ein wenig beruhigt.
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Die Leere in uns
FanfictionFortsetzung von "Der ganze Lärm um uns" Acht Monate waren vergangen seit der Trennung. Acht Monate, in der sich die Welt für Christian und Robert neu sortierte. Acht Monate, die für beide unfassbar hart waren. Doch beide hatten gelernt, mit dieser s...