Christians Atem überschlug sich beinahe. Seit einigen Minuten saß Robert auf dem Fahrersitz seines geliebten Porsches, denn Christian fühlte sich in keinster Weise in der Lage, auch nur einen Meter zu fahren. Und mit Roberts Auto wollten sie nicht fahren, sonst wären sie Morgen ja noch nicht da. Sie machten sich auf den Weg Richtung Flensburg und von dort sollte es dann nach Dänemark gehen. Heute sollte Christian Roberts Söhne kennenlernen. Und das ließ seine Nervosität absolut in die Höhe schießen. Eigentlich schon seit Tagen. Christian hatte Angst, dass es nicht gut lief. Dass er Robert enttäuschte. Aber es waren noch einige Stunden hin, bis sie tatsächlich ankommen würden. In Roberts Zuhause. Bei seiner Familie.
Robert war zwar auch etwas nervös, aber er war sich doch sicher, dass es gut laufen wird. Er hoffte, dass er die Situation richtig einschätzte. Aber eigentlich war er sich sicher. Nur musste er Christian jetzt beruhigen. Das war wohl der schwierigere Teil. Denn dieser schaute abwesend aus dem Fenster und wippte nervös mit seinem Bein. Das tat er wirklich oft, wenn er unsicher war. Deshalb legte Robert seine rechte Hand, die er auf der Autobahn ohnehin kaum zum Schalten benötigte, auf Christian Oberschenkel. Überrascht schaute dieser zu ihm und einen kurzen Moment war Robert ziemlich abgelenkt. Christians Augen waren auch einfach zu fesselnd.
"Ey, guck auf die Straße, Robert. Ich hab ein wenig Angst um meinen Porsche, wenn du so weiter machst."
"Um deinen Porsche machst du dir also Sorgen, aber nicht um unser Leben", lachte Robert. Das war so typisch für Christian. Der Porsche war wirklich sein Heiligtum. Es hatte ihn schon sehr verwundert, dass Christian ihm den Fahrersitz so einfach überlassen hatte. Das kam ihm tatsächlich etwas merkwürdig vor, war aber dann doch durch seine Nervosität ziemlich schnell begründet. Und so ganz wohl fühlte Robert sich auch nicht am Steuer eines so klimaschädlichen Autos.
Kleinlaut antwortete Christian: "Ich mache mir schon genug Gedanken über mein Überleben, wenn ich bedenke, was heute passieren wird."
"Ach Christian, es wird schon nicht so schlimm. Und Überleben wirst du sowieso. Die Jungs sind aufgeschlossen und deinem Charme kann man doch sowieso nicht widerstehen. Also mach dir nicht so viele Gedanken. Abgesehen davon haben wir jetzt zwei Tage nur für uns, darauf kannst du dich doch wenigstens freuen."
Ja, könnte Christian. Aber dieser Gedanke war in seinem Kopf noch nicht angekommen. Ehrlich gesagt war er noch ziemlich weit entfernt. In seinem Kopf malte er sich unfassbar viele Szenarien aus, wie die Begegnung mit Roberts Söhnen laufen würde. Er hatte wirklich Angst, dass er blöde Fehler machte. Die Namen der Jungs vergessen oder verwechseln zum Beispiel. Oder blöde Dinge sagen. Oder irgendwelche dummen Dinge machen. Diese Nervosität war einfach schrecklich. Er fragte sich wirklich, warum er sich darauf eingelassen hatte.
"Aber was ist, wenn alles schief läuft? Es kann doch alles Mögliche passieren. Nachher vergesse ich ihre Namen oder verwechsel sie oder was weiß ich. Robert, das wird doch nie im Leben was.", sprach Christian verzweifelt aus. Es schien ihn wirklich zu belasten.
"Und wenn schon. Wobei, bei den Zwillingen könnte es tatsächlich schwierig werden, aber das bekommst du auch hin.", lachte Robert. "Nein, jetzt mal im Ernst, Christian. Selbst wenn so etwas passieren sollte, dann ist das nicht der Weltuntergang. Das würden sie dir auch nicht verübeln. Und ich dir sowieso nicht. Ich bin einfach froh, dass du dich darauf einlässt. Damit machst du mir wirklich ein großes Geschenk. Und egal was passiert, allein dass du mitkommst, lässt alles in den Hintergrund rücken, was schief laufen könnte. Wir schaffen das schon zusammen. Ich bin da ziemlich zuversichtlich."
Christian starrte einfach weiter abwesend aus dem Fenster. Es war gerade mal eine Stunde vergangen, seitdem sie losgefahren waren. Sie hatten also immer noch eine weite Strecke vor sich. Das beruhigte Christian minimal. Auch wenn er jetzt wirklich Angst hatte, dass er die Zwillinge, Konrad und Anton, verwechselte. Da hatte sich Christian vorher gar nicht so genau Gedanken drüber gemacht. Aber gut. Jetzt konnte er der Situation sowieso nicht mehr entfliehen. Außer, er stieg an der nächsten Raststätte einfach aus. Oder blieb in Flensburg einfach im Porsche sitzen. Die Gedanken waren verlockend, aber natürlich keine Option. Das wusste Christian. Er musste da jetzt einfach durch. Immerhin war damals auch Robert mit zu seiner Mutter gefahren, was sicherlich für ihn auch nicht einfach war. Aber es war trotzdem eine verdammt nervenaufreibende Situation.
"Robert, ich hab ehrlich Angst, dich zu enttäuschen. Was ist, wenn es einfach nicht passt? Wenn sie mich nicht mögen? Wenn wir nicht miteinander klar kommen? Wenn alles irgendwie schief läuft? Wie soll das dann mit uns weitergehen?", fragte Christian verzweifelt. Es schien alles so aussichtslos. Er war sich beinahe sicher, dass es nicht gut laufen konnte.
"Ach Christian. Ich liebe dich, egal was da heute passiert. Denkst du wirklich, dass mich die Jungs so beeinflussen könnten? Natürlich ist es mir wichtig, dass ihr gut miteinander auskommt. Aber es hat auch nicht die höchste Priorität. Immerhin wird es wohl nicht allzu oft vorkommen, dass wir uns alle zusammen begegnen. Also auch wenn das nicht so gut laufen sollte, dann ist das in Ordnung. Aber eigentlich sehe ich trotzdem keinen Grund, warum es nicht gut laufen sollte."
Christian atmete erleichtert durch. Diese Worte hatten dann doch etwas beruhigendes. Zumindest in gewisser Weise. So konnte sich Christian dann doch etwas beruhigen und war nicht mehr ganz so nervös. Aber trotzdem war jeder Meter, dem sie Flensburg näher kamen, eine kleine Herausforderung. Und irgendwann bog Robert dann von der Autobahn ab und Christian konnte das Schild mit der Aufschrift "Flensburg" erkennen. Sie waren also so gut wie da. Robert fuhr einige Landstraßen entlang und sie waren etwas außerhalb der Stadt. Christian schaute sich ziemlich neugierig um. Immerhin interessiere es ihn, wo Robert mindestens die Hälfte seines Lebens verbracht hatte. Um sie herum waren einige Felder und dann bog Robert in eine kleine Straße ein, an dessen Ende sich ein großes, rustikales Haus befand. So hatte es sich Christian in gewisser Weise vorgestellt.
Nervös atmete Christian durch. Jetzt war es also soweit. Robert schaute ihn ermutigend an und drückte seine Hand. Er war bei ihm und sie würden das jetzt gemeinsam durchziehen.
"Bereit?", fragte ihn Robert mit einem Lächeln im Gesicht. Wie sollte er dem auch widerstehen?
"Eigentlich nicht, aber jetzt gibt's kein Zurück mehr. Also lass es uns hinter uns bringen.", antwortete Christian unsicher. Also stiegen sie gemeinsam aus und Robert war froh, dass Christian sich jetzt doch einen Ruck gab. Er nahm trotzdem seine Hand, um ihm wenigstens etwas Sicherheit zu geben. Sie mussten nur die Einfahrt hochgehen, da hörte Robert schon seine Söhne im großen Garten. Sie hatten die beiden wohl noch nicht bemerkt und sprachen deshalb Dänisch. Das war mittlerweile absolute Normalität in ihrer Familie, immerhin lebten die vier jungen Männer alle in Dänemark und studierten dort. Und Robert musste schmunzeln, als er hörte, was sie sagten. Sie unterhielten sich auch über die bevorstehende Situation und freuten sich darauf, Christian kennenzulernen. Das stimmte Robert dann doch zuversichtlich.
Er ging also als erstes in den Garten und begrüßte seine Söhne erstmal freudig. Christian hielt sich noch etwas im Hintergrund, er wusste nicht so genau, wie er sich verhalten sollte. Aber er wollte Robert auch den kurzen Moment mit seinen Kindern lassen. Immerhin hatten sie sich auch einige Zeit nicht gesehen. Doch nach kurzer Zeit wurde Christian von Andrea begrüßt, die ihm gegenüber ziemlich herzlich war. Das nahm ihm etwas seiner Nervosität. Und er stand nicht mehr allzu verloren dort. Doch dann war auch dieser Moment vorbei und Robert stand wieder neben ihm. Wahrscheinlich war jetzt also der Moment gekommen, in dem er auf die vier jungen Männer zugehen sollte.
Und wie automatisch, so richtig konnte er seinen Körper nicht steuern, tat Christian das dann auch. Auch wenn er sich dabei wirklich komisch vorkam. Denn immerhin standen ihm hier vier Mini Versionen von Robert gegenüber. Schon seltsam.
"Also wie ihr wahrscheinlich wisst, ich bin Christian. Und ja, ich freue mich, euch endlich kennenzulernen und dass ihr nichts dagegen habt, dass ich heute mit hier bin."
Unsicher lächelte Christian die Jungs an, währenddessen Robert seine Hand drückte. Er war stolz auf ihn. Stolz auf seinen Freund.
So langsam wird es Ernst... Mal sehen, wie das Kennenlernen so laufen wird :)
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Die Leere in uns
FanfictionFortsetzung von "Der ganze Lärm um uns" Acht Monate waren vergangen seit der Trennung. Acht Monate, in der sich die Welt für Christian und Robert neu sortierte. Acht Monate, die für beide unfassbar hart waren. Doch beide hatten gelernt, mit dieser s...