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Robert bekam kaum ein Auge in der Nacht zu. Und als er aufstand, da gab es immer noch keine neue Nachricht von Christian. Na gut, bei ihm war es jetzt auch mitten in der Nacht. Aber trotzdem. Robert zeriss es das Herz. Warum war Christian so komisch? Was gab es denn bitte für einen Grund? Robert kannte keinen. So stand er auf und machte sich auf den Weg zu seinen Terminen, stand jedoch vollkommen neben sich. Die Stunden vergingen, aber Christian meldete sich nach wie vor nicht. Nichts passierte. Und Robert schaute gefühlt alle zwei Sekunden auf sein Handy. Aber es half alles nichts. Diese Ungewissheit war schrecklich. Am liebsten wäre Robert persönlich nach Washington, um Christian zur Rede zu stellen. Aber klar, er musste jetzt Geduld haben. Auch wenn das wirklich schwierig war.

So kam es, dass Robert am Nachmittag wieder verzweifelt neben Andrea saß. Jakob war noch unterwegs und die anderen Jungs auch noch nicht da. Also musste Andrea Roberts schlechte Laune wieder auffangen. Irgendwann hatte Robert es dann selber satt und musste sich ein wenig ablenken. Also entschloss er, eine Runde joggen zu gehen. Dann würde er sicherlich seinen Kopf frei bekommen. Eigentlich war es immer so. Beim Sport konnte er wieder klar denken. Und da er für diesen Tag die wichtigsten Dinge erledigt hatte, hatte er auch mal kein schlechtes Gewissen dabei. Also lief er und entdeckte diese wunderbare Natur rund um Flensburg aufs Neue. Er hatte hier so viel Zeit verbracht und liebte es, wieder dort zu sein. Seine Heimat erinnerte ihn an gute Zeiten. Und positive Erinnerungen konnte er gerade mehr denn je gebrauchen.

Völlig fertig, aber ziemlich zufrieden kam er dann wieder zurück und brauchte erstmal eine kalte Dusche. Wie gern er diese jetzt mit Christian teilen würde. Wie gern er seine Berührungen auf seiner eigenen Haut spüren wollte. Aber all das war gerade nicht möglich. Immerhin waren es nur noch 4 Tage, bis sie sich wiedersehen würden. Und mit Erschrecken hatte Robert festgestellt, dass der Freitag, an dem Christian zurück kommen würde, ja sein eigener Geburtstag war. Er hatte es vollkommen verdrängt. Und wusste jetzt schon, dass Christians Rückkehr das größtmögliche Geschenk war, was man ihm machen konnte. Hoffentlich war bis dahin alles geklärt.

Andrea saß währenddessen im Wohnzimmer. Robert war im Bad noch nicht fertig, als sein Handy, was dort neben ihr auf dem Tisch lag, klingelte. Und sie erkannte Christians Namen auf diesem. Ihr war klar, dass sie das Gespräch Robert ermöglichen musste. Also lief sie mit dem Handy Richtung Badezimmer und klopfte vorsichtig.

"Robert, Christian ruft dich an!"

Sofort flog die Tür auf und Andrea erblickte Robert, der nur ein Handtuch um seine Hüfte trug. Verdammt, das machte es Andrea nicht gerade leichter. Roberts Körper sah immer noch so gut aus, wie vor ein paar Monaten. Wo auch immer er die Zeit her hatte, zu trainieren. Andrea nahm den Anruf nun einfach an und schloss mit den folgenden Worten die Tür:

"Jetzt nimm schon das Handy. Ich bin ja schon wieder weg."

Erleichtert und unfassbar nervös hielt Robert dann sein Handy in der Hand. Er wusste gar nicht, was er sagen sollte. Er hatte sich auch noch gar nicht auf die Situation eingestellt.

"Robert, wo bist du? Bist du dran?"

"Oh Gott Christian sorry. Ja, ich stehe im Bad bei uns im Haus. Tut mir Leid, ich hab gerade wirklich nicht mit dir gerechnet."

"Aha. Du bist im Badezimmer und Andrea ist bei dir? Gut zu wissen."

Nun bemerkte auch Robert die genervte Stimmlage, die Christian an den Tag legte. Aber er verstand es nicht. Sollte nicht vielmehr Robert derjenige sein, der Grund hatte, sauer zu sein. Immerhin hatte sich Christian bei ihm nicht gemeldet. Und jetzt machte er so merkwürdige Andeutungen. Was sollte das denn jetzt schon wieder?

"Was? Christian, was soll das? Andrea hat mir nur kurz mein Handy gegeben, das ist alles. Natürlich war ich die ganze Zeit alleine hier. Und wenn schon. Du bist doch derjenige, der sich einfach nicht gemeldet und stattdessen schön bei Instagram gepostet hat. Christian, was ist los? Was ist passiert? Warum hast du mich ignoriert?"

"Ist das dein Ernst? Stört es dich, dass ich meinen Instagram Account betreibe? Außerdem habe ich mich doch gemeldet. Ich weiß gar nicht was du hast, was das Problem ist. Also wirklich."

Völlig verwirrt starrte Robert auf das Handy. Was redete Christian da bloß? Warum war er so unfassbar komisch drauf? Ja, er hatte sich gemeldet. Aber Stunden später. Und dann auch nur mit einer sehr komischen Nachricht. Das war nicht so, wie Robert es von ihm kannte. So war Christian nie zu ihm. Er sagte ihm immer Bescheid, wenn er irgendwo heil angekommen war. Und insbesondere dann, wenn Robert ihn darum gebeten hatte. Aber dieses Mal war es anders gewesen. Er hatte Stunden auf eine Nachricht warten müssen. Das war alles andere als normal und fair gewesen.

"Du verdrehst mir gerade absolut meine Worte im Mund. Du kannst mit deinem Instagram Account tun und lassen, was du willst. Das ist mir vollkommen egal. Aber mir ist es nicht egal, wenn ich stundenlang auf eine Nachricht von dir warten muss, auch wenn du mir schon längst hättest schreiben können. Kannst du dir vorstellen, welche Sorgen ich mir gemacht habe? Ich hab mir alle möglichen Szenarien vorgestellt. Ich hab mich sogar gefragt, ob dein Flieger überhaupt angekommen ist. Das war absolut nicht schön, Christian. Und dann hab ich mir die Schuld gegeben, dass du so komisch geschrieben hast. Du kannst mir alles erzählen, aber so schreibst du normalerweise nicht. Und normalerweise meldest du dich auch direkt und lässt mich nicht Stunden hängen. Also, was ist passiert?"

"Das fragst du noch?", antwortete Christian nur bissig.

"Ich verstehe es nicht, Christian. Ich habe keine Ahnung, warum du so drauf bist. Ich hab mir nichts zu Schulden kommen lassen. Ich hab mir nichts vorzuwerfen. Und schon gar nicht, seitdem du gestern Morgen weg bist. Es ist doch nichts passiert. Ist es, weil ich in meine Heimat gefahren bin? Bei Andrea und den Jungs bin? Aber daran ist doch nichts falsch. Ich darf meine Familie ja wohl besuchen, wann immer ich es für richtig halte. Also. Was verdammt nochmal ist dein Problem? Sprich doch einfach mal Klartext!"

Robert wurde mit jeder Sekunde verwirrter und wütender. Was hatte Christian denn bloß für ein Problem? Es war doch alles gut. Robert sollte doch derjenige sein, der sauer sein durfte. Immerhin hatte sich Christian bei ihm nicht gemeldet. Es war nicht anders herum. Er hatte Christian nicht hängen gelassen. Er hatte sich vielmehr unfassbare Sorgen gemacht. Gedacht, dass Christian etwas zugestoßen wäre. Er konnte nicht schlafen, weil er sich so verrückt gemacht hatte. Und jetzt drängte Christian ihn in die Rolle des Schuldigen. Was auch immer er getan haben soll. Er wusste es nach wie vor nicht.

"Das könnte ich dir genauso gut sagen. Sprich du doch einfach mal Klartext! Was für ein Spiel treibst du hier? Hmm? Wahrscheinlich ist jeder Satz, den du sagst, sowieso eine Lüge. Dass du dir Sorgen gemacht hast. Das glaube ich dir jetzt wirklich nicht. Wahrscheinlich warst du vielmehr froh, nichts von mir zu hören."

"Stopp, Christian. Also jetzt mal ganz langsam. Ich habe keine Ahnung, was dein Problem ist. Und ich weiß auch wirklich nicht, was du mir unterstellen willst. Aber ich liebe dich. Und es tut weh, wenn du so mit mir sprichst. So emotionslos. Du weißt doch genau, dass ich am liebsten jede Sekunde mit dir verbringen würde. Am liebsten säße ich jetzt neben dir und nicht Tausende von Kilometern entfernt. Du weißt das. Also hör auf, solche Dinge zu sagen."

Verzweifelt seufzte Robert und schob ruhiger und mit einem liebevollerem Ton hinterher:

"Christian, was ist los? Bitte rede mit mir. Ich liebe dich und ich kann es nicht ertragen, wenn du nicht ehrlich zu mir bist. Also bitte sag mir endlich, wo das Problem liegt."

"Das Problem? Das Problem ist, dass du schon immer ein Fremdgeher warst, bist und es auch immer bleiben wirst."


Ohoh, was ist denn da nur in Christian gefahren? Danke fürs Lesen!

Die Leere in uns Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt