11

188 17 7
                                    

Plötzlich stand Annalena neben Robert. Sie hatte einen mitleidigen, bedauernden Ausdruck in ihrem Blick. Doch Robert verstand nicht. Was machte sie unangekündigt in seinem Büro? Was wollte sie ihm damit sagen? Und mit einem Mal standen noch viele andere Mitglieder seiner Partei dort. Er hörte nur ein lautes, aufgeregtes Stimmengewirr. Doch er konnte nicht wahrnehmen, was sie alle diskutierten. Was sie ihm sagen wollten. Also starrte er auffordernd zu Annalena. Sie musste doch jetzt endlich mal Licht ins Dunkel bringen.

"Hast du es noch nicht mitbekommen, Robert? Die Meldungen in der Presse? Und Christians Bestätigung?", fragte ihn Annalena. Jetzt wurde ihm so einiges klar. Mit einem Mal spürte er all die schlimmen Gefühle, die man nur spüren konnte. Wie in Trance versuchte er zu sprechen, doch aus seinem Mund kamen keine Worte. Und er hörte immer mehr und immer deutlicher, wie all die Anwesenden ihre Wut bekundeten. Wie sie ihn beschimpfen. Ihn und Christian. Ihn aufforderten, endlich Stellung zu beziehen. Doch Robert konnte es nicht. Stattdessen schaute er auf sein Handy und sah die schlechten Nachrichten sofort. Überall wurde nur über sie beide geschrieben. Über ihre Beziehung. Und der logische Schritt, der daraus folgen musste. Ihr Rücktritt von ihren Ämtern. Robert wurde so panisch, dass er kaum noch normal atmen geschweige denn denken konnte. In seinem Kopf ertönten immer wieder die Worte Rücktritt und Beziehung. Immer und immer wieder. Bis es plötzlich schwarz war.

Und Robert aufschreckte. Er war nicht in seinem Ministerium. Neben ihm lag Christian. Sie waren nach wie vor in Brüssel. Er hatte nur geträumt. Trotzdem hatte es sich so real angefühlt und Robert zutiefst erschüttert. Es hatte selbst im Traum so unfassbar weh getan, diese Situation zu erleben. Wie sollte es dann erst in der Realität werden? Christian neben ihm hatte nichts mitbekommen. Der hatte manchmal auch wirklich einen zu tiefen und festen Schlaf. Also stand Robert so leise wie möglich auf und lief in das angrenzende Badezimmer. Er brauchte dringend kaltes Wasser auf seiner Haut, um diesen Schock los zu werden. Zumindest um es zu versuchen. Wahrscheinlich würde er diesen Traum nicht so schnell vergessen können. Denn er zeigte ihm mal wieder, wie es mit ihnen enden könnte. Wie schnell alles gehen könnte, sodass sie beide ihren Beruf aufgeben müssten. Und das konnte und wollte Robert nach wie vor nicht zulassen.

Es war erst 3 Uhr Nachts, als Robert dort im Badezimmer stand und sein Spiegelbild betrachtete. Wieder einmal holten ihn all seine Gedanken ein. Doch wenigstens fühlte er sich nicht so alleine, wie in all den Monaten zuvor. Denn Christians Anwesenheit machte so einiges mit ihm. Sie konnte ihn zumindest ein wenig beruhigen und ablenken. Deshalb legte er sich dann auch relativ schnell wieder neben ihn und nahm sich noch schnell sein Handy. Davon würde Christian sicherlich nicht aufwachen. Auch wenn es mitten in der Nacht war, schrieb er schnell Annalena eine Nachricht. In ein paar Stunden würde sie diese dann sicherlich lesen.

"Hey Annalena, hinterfrage einfach nicht den Grund, warum ich dir das jetzt schreibe, aber falls du jemals mitbekommen solltest, dass jemand aus unserer Partei über mich und Christian redet, kannst du mir dann bitte sofort Bescheid geben? Oder wenn du irgendetwas in den Medien mitbekommen solltest? Ich erkläre es dir einfach demnächst nochmal alles."

Wahrscheinlich musste sie ihn nun für verrückt oder verwirrt halten. Aber es war Robert in diesem Moment wirklich egal. Um irgendwie wieder einschlafen zu können, suchte er den Körperkontakt zu Christian und legte sich nah an ihn. So konnte er dann doch wieder halbwegs normal weiter schlafen.

Christian wachte am Morgen auf und war überrascht, als er einen Arm um seiner Hüfte spürte. Definitiv Roberts Arm. Er lag beinahe auf Robert, so sehr hatte er ihn umfasst. Es war ihm etwas unangenehm, denn natürlich machten die Berührungen etwas mit ihm. Und er wusste, dass er besser aufstehen sollte. Aber wie konnte er das übers Herz bringen, wenn er Robert endlich mal wieder so nah bei sich spüren konnte? Also blieb Christian noch eine ganze Weile liegen und genoß diesen Moment. Diese Nähe zu Robert, die in wenigen Stunden wieder vorbei war. Sie würden wieder nach Hause fliegen. Er in seine Wohnung fahren. Robert in seine eigene. Er in sein Finanzministerium. Robert in sein Wirtschaftsministerium. Ihre Wege würden sich fürs erste also wieder unweigerlich trennen müssen. Und allein der daran Gedanke tat weh.

Einige Stunden später befanden sich beide wieder in Deutschland und mussten erstmal verarbeiten, was in den letzten zwei Tagen passiert war. Dass sie sich wieder angenähert hatten. Doch eigentlich blieb ihnen kaum Zeit. Der politische Alltag ließ ihnen keine Zeit und beide mussten sich noch einige Male erklären, wieso sie bei der Konferenz in Brüssel nicht anwesend waren. Beide nicht. Es war natürlich ziemlich auffällig, was beide jedoch erst im Nachhinein bemerkten. Und gerade bei Annalena und Marco gab es einiges an Erklärungsbedarf. So kam es dann, dass Robert am Abend mit Annalena gemeinsam in seiner Wohnung saß und sie Essen bestellten. Er wollte ihr in Ruhe berichten, was passiert war. Und zufälligerweise hatten sie beide an diesem Abend keine anderen Termine.

Einige Tage später fand in Berlin ein Spendenball statt, an dem unter anderem Christian und Robert teilnehmen sollten. Und da es nach wie vor nicht öffentlich war, dass Andrea und Robert getrennt waren, begleitete Andrea ihn. Dafür war sie extra nach Berlin gekommen und Robert wusste es wirklich sehr zu schätzen. Denn sonst hätte es die Gerüchte wahrscheinlich noch mehr angeheizt. Die ganzen letzten Tage war in den Medien nämlich nur die Rede davon, dass Christian und er bei dieser Konferenz zufälligerweise beide krank waren. Zumindest offiziell behaupteten sie das. So richtig abgenommen hatte ihnen man das aber nicht. Diverseste Politiker aus der Opposition nahmen dies natürlich als Anlass, auf sie beide einzuschlagen.

So ließ sich beispielsweise Friedrich Merz zitieren, dass das Verhalten der beiden ja unverantwortlich gewesen wäre und Deutschland eine bessere Repräsentation verdient hätte. Oder Markus Söder, Roberts absoluter Lieblingsministerpräsident, schrieb einen aufgebrachten Tweet. In diesem forderte er, dass Christian und Robert für solch ein unangebrachtes Verhalten nicht mehr tragbar wären und schleunigst zurücktreten sollten. Und sie sollten endlich aufklären, was da bei ihnen los war. Verärgert schrieb Christian dann auch noch einen Tweet, in welchem er nochmal erklärte, dass sie einfach beide krank geworden waren. Wahrscheinlich hatten sie sich gegenseitig angesteckt. Und das konnte man ihnen ja wohl schlecht vorwerfen. Seitdem ruhte die ganze Sache etwas, doch an diesem Abend, bei der Gala, waren natürlich wieder viele Menschen anwesend, gegenüber denen sie sich nochmal äußern müssten, wenn sie denn darauf angesprochen werden würden. Deshalb war Robert wirklich nicht motiviert. Und er musste natürlich mal wieder einen Anzug tragen, davon war er auch nicht so begeistert. Würde er doch lieber einfach nicht so förmlich rumlaufen. Und andere Dinge tun.

Christian hingegen war aus einem anderen Grund ziemlich angespannt. Es war der erste öffentliche Auftritt, bei dem er gemeinsam auf Robert und Andrea traf. Beziehungsweise er überhaupt mal bewusst auf Andrea traf. Und er selber war alleine. Er hatte ja niemanden mehr, mit dem er sich zeigen konnte. Und es würde ihm ziemlich sicher das Herz zerreißen, wenn er Andrea und Robert so zusammen sah. Denn eigentlich sollte er doch derjenige sein, der an Roberts Seite war. Aber dafür war es zu spät. Und zu kompliziert. Zumindest fürs erste. Er hoffte einfach, dass sie alle gut mit der Situation umgehen würden. Und dass es für Andrea kein allzu großes Problem würde, ihn zu sehen. Denn für sie war es sicherlich nicht einfacher. Und als er in der Location dann auch noch sah, dass sie an einem Tisch saßen, da wurde Christian noch angespannter. Denn dann würden sie sich den ganzen Abend sehen und kommunizieren müssen. Hoffentlich ging das einfach gut.

Christian war schon ziemlich früh da und deshalb auch der erste an dem runden Tisch. Er sah, dass auch Annalena und ihr Mann Daniel an ihrem Tisch saß. Und tatsächlich auch Marco, das beruhigte ihn dann doch noch etwas. Aber bevor er Marco irgendwo erkennen konnte, verschlug ihm der Auftritt von einem anderen Mann den Atem. Und sein Herz schlug für diesen kurzen Augenblick deutlich schneller als zuvor.


Ich hoffe euch gefällts! Ich bin momentan nicht so schnell mit dem Updaten, weil ich nicht allzu viele Ideen habe und nicht so kreativ bin. Von daher dauert alles etwas länger, aber ich gebe mir natürlich trotzdem Mühe ;)

Die Leere in uns Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt