40. Christians Outing

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*Christians POV*

Freudestrahlend brachte ich die Pizzakartons zurück ins Schlafzimmer. "Dein Shirt ist auf links.", lachte Robert und setzte sich auf. "Sag doch gleich, dass du willst, dass ich es ausziehe.", entgegnete ich und zog mir den lästigen Stoff über den Kopf. Mein grüner Freund freute sich schon über seine Pizza mit extra Grillgemüse und schob mir meine Salamipizza zu. Wir saßen eine Weile kauend und schweigend so da und genossen die Ruhe. Irgendwann brach ich dann doch die Stille. „Wann kann ich dich besuchen? Und wo fährst du nochmal hin?" Robert kaute quälend langsam auf seinem Stück Pizza rum, bevor er mir endlich antwortete. „München, und du könntest am Wochenende kommen, dann fahren wir zusammen wieder zurück." „Willst du denn auch sicher, dass ich komme und dann auch mit dir im Hotel bleibe?" Er atmete schwer aus aber nickte dann. „Ich möchte uns nicht länger verstecken, auch wenn mir das alles erstmal Angst macht." Wie in einer Achterbahn mit doppeltem Looping kribbelte alles in mir und ich überlegte schon direkt, wo ich überall mit Robert hingehen wollen würde.

„Sollen wir dann trotzdem vorher selbst bekannt geben, dass wir zusammen sind, bevor wir nochmal fotografiert werden?" Er nickte entschlossen und schlug vor, nach dem Essen ein passendes Bild rauszusuchen und die Caption zusammen zu formulieren. „Es wird sich einiges für dich ändern, wenn du öffentlich geouted bist, das werden leider nicht alle positiv annehmen. Aber die Liebe zwischen uns bleibt gleich und ich unterstütze dich.", erklärte ich. „Ohne dich würde ich das nie durchstehen. Und ich denke, dass zumindest viele unserer WählerInnen mich supporten werden." „Das stimmt wohl, deine Parteikollegen stehen auch sicherlich hinter dir." Ich dachte daran zurück, welche homophoben und vor allem biphoben Sprüche ich mir schon hatte anhören müssen - vor allem auf der Arbeit in meinen Parteikreisen, wo ich mir den Umgang nicht so aussuchen konnte wie privat. Manche Leute waren eben doch noch ziemlich konservativ und ich hoffte, Robert würde weniger verurteilt werden.

„Deine Söhne werden doch auch sicher normal reagieren.", unterbrach ich meine eigenen Gedanken. „Klar, vielleicht kommt das etwas unerwartet, aber ich weiß ja, dass sie Allys der LGBTQ+ Community sind. So haben Andrea und ich sie schließlich erzogen. Außerdem ist einer unserer Söhne selbst queer." Ich schenkte ihm ein glückliches Lächeln, wenigstens verlief sein Outing bisher besser als meins. Als könnte er meine Gedanken lesen, sprach mich Robert darauf an, wie es damals bei mir gewesen war. Ich seufzte und legte mein letztes Stück Pizza wieder hin. „Naja, vor 25 Jahren waren die Menschen noch nicht ganz so offen wie heute.", begann ich und sah nachdenklich in seine aquariumsblauen Augen. „Meine Mutter hat es schon immer irgendwie geahnt und war nicht überrascht, als ich es ihr mir 16 erzählt hatte. Ich wusste schon immer, dass ich nicht nur auf Frauen stehe und berichtete ihr dann davon, als ich mir im klaren darüber wurde, dass es sowas wie Bisexualität überhaupt gibt." Robert nickte und hörte mir aufmerksam zu. Er hatte mittlerweile aufgegessen und meine Hand genommen. „Und dein Vater?" Ich atmete schwer aus. „Wir hatten sowieso nie das beste Verhältnis zueinander und ich wusste, er würde das nicht verstehen. Als ich dann in meiner ersten schwulen Beziehung mit 21 war, wollte ich es ihm dann sagen. Ich glaube, er leugnet bis heute, dass das richtige Liebe sein kann, sowas wie bi oder pan sein existiert für ihn nicht. Für ihn war ich immer der sexuell verwirrte Sohn, der ihn nie richtig zufriedenstellen kann. Bis heute nicht! Obwohl ich doch Parteivorsitzender und Finanzminister bin und nebenbei ziemlich viel Geld hab und umwerfend aussehe!"

Tränen sammelten sich jetzt in meinen Augen. Bei dem Thema kamen meine Daddy Issues schon wieder durch, obwohl ich mittlerweile eigentlich gut damit zurechtkam. „Tut mir leid, ich bin mir sicher, dass er tief in seinem inneren doch sehr stolz auf dich ist. Du bist so ein toller Mann und hast so viel erreicht.", meinte er aufbauend und wischte mir eine kleine Träne von der Wange. „Danke", flüsterte ich traurig und atmete tief ein und aus. „Die meisten meiner Freunde haben mich zum Glück auch unterstützt, aber im Nachhinein kamen doch ziemlich viele homophobe Sprüche, die ich damals noch nicht verstand." Robert sah mich mitfühlend an und strich mit seinem Daumen über meinen Handrücken. "Ich hab aber irgendwann gelernt für mich einzustehen und mich in meinem privaten Umfeld mit besseren Leuten zu umgeben." Ich atmete ein paar Mal tief durch und versuchte wieder auf bessere Gedanken zu kommen.

*Roberts POV*

Zu hören, was Christian für negative Erfahrungen gemacht hatte, schmerzte und ich schämte mich gerade sehr dafür, wie ich mich am Anfang unserer Datingphase verhalten hatte. Kein Wunder, dass er immer so empfindlich reagiert hatte. Manchmal war ich aber auch ein Idiot - auch wenn ich es nicht so gemeint habe. Mir fehlten die richtigen Worte, weshalb ich das Thema wechselte. "Weißt du denn schon was für ein Bild wir posten könnten?" Er lächelte jetzt und öffnete sofort seine Fotos, um mir seine engere Auswahl zu zeigen. "Wie wär's denn mit dem vom Strand? Da gucken wir doch beide gut." Christian war einverstanden und bereitete den Post direkt in der Instagram App vor. Er bestand auf einen schwarz-weiß Filter und nuschelt etwas Unlogisches vom 'Lindner-Effekt', allerdings gefiel mir das Bild in Farbe tausendmal besser. Er gestikulierte wild und versuchte zu verdeutlichen, wie gut er doch in schwarz-weiß aussah, gab dann aber doch irgendwann nach. "Dann nehmen wir aber einen anderen Filter!" "Jaja, mach du nur.", entgegnete ich leicht überfordert und schaute mit auf sein Handy. Als Christian zufrieden war, zeigte er mir das Bild noch einmal bestätigend. Mich machte das alles etwas nervös, da das Bild immerhin fast 400.000 Follower*innen angezeigt werden würde und es darüberhinaus noch viel mehr Accounts erreichen könnte.

Christian kannte mich inzwischen wie seine linke Anzugtasche und strich mir beruhigend über den Rücken, als ich tief ausatmete. "Wir müssen das noch nicht machen, wenn du dich nicht bereit dazu fühlst. Oder wir machen es über einen anderen Weg bekannt?" Ich schüttelte nur mit dem Kopf. "Die Angst bleibt, egal, wie wir damit an die Öffentlichkeit gehen. Ich komme schon klar." Ich schenkte ihm ein halbherziges Lächeln. Christian wanderte mit seiner Hand hoch an meinen Hinterkopf und drückte mich näher zu ihm, damit wir uns küssen konnten. Seine weichen Lippen beruhigten mich sofort und ließen mich meine Gedanken für ein paar Sekunden vergessen. "Also, was schreiben wir unter das Bild?", fragte er, nachdem er den Kuss beendet hatte. "Du kannst das besser, überleg dir was." Christian überlegte kurz und sah mich dann mit aufgeregten Augen an. "Ich hab ne bessere Idee! Was, wenn wir einfach einen Livestream machen?" Die Idee war wirklich viel besser, also einigten wir uns darauf. "Dann machen wir das am Wochenende, wenn ich dich besuchen komme?" "Abgemacht."

"Ich muss dann auch mal mit meinen Söhnen Facetimen, möchtest du dabei sein?" "Ja, gerne." Ich wählte alle ihre Kontakte aus und ließ klingeln. Es dauerte nicht lange, bis auch alle vier abgenommen hatten. Nach ein bisschen Smalltalk legte ich endlich die Karten auf den Tisch. Christian saß vor mir und war noch nicht im Bild zu sehen. "Ich muss euch was sagen. Ich bin in einer neuen Beziehung... mit einem Mann." Wie zu erwarten reagierten alle normal und freuten sich für mich. "Und wer ist der Glückliche? Kennt man den vielleicht?", fragte mein ältester Sohn Tim. "Kann man so sagen, er ist auch gerade hier. Möchtet ihr ihn kennenlernen?" "Klar!", warf mein Jüngster ein. Ich sah Christian noch einmal bestätigend an, woraufhin er sich neben mich stellte. "Also Jungs, das ist mein Freund Christian." Es folgte eine quälend lange Minute voller Stille und schlecht zu deutenden Gesichtsausdrücken. "Hey", sagte Christian schließlich schüchtern und winkte vorsichtig mit einem Lächeln auf den Lippen. "Schön euch kennenzulernen!"

Mental Illness kickt momentan richtig rein & ich hab grad auch nicht so viele gute Ideen für neue Kapitel, daher schaffe ich es leider immer noch nicht richtig wieder regelmäßiger zu updaten 🫠

Habt ihr Wünsche/Vorschläge für einen Date-Tag in München, den Lindbeck gemeinsam verbringen? Ich hab schon ein paar Ideen zu den Bayern Klischees, aber kenne mich jetzt auch nicht wirklich in der Stadt aus 🫢

Lindner meine Schmerzen (Christian Lindner x Robert Habeck)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt