Kapitel 1

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Katarina (2 Wochen später)

"Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du uns wirklich verlassen willst." schluchzt meine Mutter. "Mom, ich bin 25 Jahre alt. So langsam will ich auch auf eigenen Beinen stehen und nicht mehr bei meinen Eltern wohnen. Ich habe euch lieb, aber das ist eine einmalige Chance." Ich sehe wie mein Grandpa hinter meiner Mutter sagt "Das hast du gut gesagt." Da keiner reagiert, nehme ich an, dass er nur seine Lippen bewegt hat. Das macht er öfters, wenn kein anderer seine Worte mit bekommen soll.
Meine Mutter zieht mich zum wiederholten Male in ihre Arme. Hilfesuchend schaue ich zu meinem Vater. Er signalisiert mir in Zeichensprache, dass er ihr noch einen Moment gibt. Nach einigen Augenblicken zieht er meine Mutter schließlich in seine Arme.
"Ich hab euch alle lieb und ich werde ganz sicher zu Besuch kommen. Oder ihr mich, wenn ich mich eingelebt habe." Ich winke noch ein letztes Mal, bevor ich ins Auto einsteige und los fahre. Leider hat mein Bruder heute keine Zeit gehabt, wodurch wir uns schon gestern verabschiedet hatten.
Mein erster Stopp ist die Hundeschule für Assistenzhunde und Diensthunde. Sie bilden dort die Blindenhunde und eben auch Gehörlosenhunde aus. Aufgeregt steige ich aus und gehe auf das Gebäude zu. Ich habe mit Buddy schon viel gearbeitet, da ich ihn selber auch zum Polizeihund oder eher gesagt Spürhund ausgebildet habe. Ich fand es einfach wichtig, dass Buddy sich auch selbst verteidigen kann, bei meinem Beruf. Und heute ist auch endlich seine Ausbildung zum Gehörlosenhund abgeschlossen. Ich melde mich vorne bei der Anmeldung an und werde dann auch gleich in ein Büro geführt. "Ah Hallo Ms. McCarthy, sie sind bestimmt wegen Buddy hier. Ich lasse ihn holen." Ich bejahe und warte dann. "Sie wissen, dass wir eigentlich andere Hunderassen für die Ausbildung zum Gehörlosenhund bevorzugen?" Die Leier schon wieder. "Ja, das weiß ich. Das wurde mir oft genug gesagt. Aber es war Liebe auf den ersten Blick. Außerdem erfüllt Buddy die Anforderungen und hat auch die ersten Tests bestanden, wodurch er weiter ausgebildet wurde. Er hat auch die Ausbildung abgeschlossen, also wovor warnen sie mich immer wieder?" Durch meinen kleinen Ausraster leicht eingeschüchtert, antwortet mir die Frau "Nun wir wissen eben nicht, ob Buddy im Ernstfall auch richtig reagiert. Wir haben noch nie einen Tamaskan ausgebildet." Ich nicke verstehend "Entschuldigen Sie bitte meine harschen Worte. Nur werde ich, seit ich Buddy dafür ausgewählt habe immer wieder daraufhin gewiesen." Sie lächelt. Plötzlich spüre ich einen Stupser an meinem Bein und ich schaue runter. "Hey Buddy, ich habe dich auch vermisst." Ich hocke mich herunter und kraule ihn am Bauch durch, da er sich vor Freude auf den Rücken geworfen hat. Das war bisher immer unsere Begrüßung gewesen, wenn ich ihn besuchen kam.
Das besondere an einem Tamaskan ist, dass sie dem Wolf so ähnlich sehen sollen wie möglich. Buddy geht mir, wenn ich stehe bis zur Mitte meines Oberschenkels. Sein Fell ist dieses typische grau-braun von Wölfen. Oben auf seinem Rücken ist es dunkler und unten an seinem Bauch fast weiß. Seine Beine und auch sein Hals sind eher cremefarben. Das Gesicht ist wieder etwas dunkler, genauso wie die Rute. Ich weiß nicht wieso er hier im Tierheim gelandet ist als Welpe, aber wir haben uns sofort ineinander verliebt. Er kam damals auf mich zu getapst und warf sich wie heute vor mir auf den Rücken. Inzwischen ist Buddy eineinhalb Jahre alt. Die Ausbildung hat ein ganzes Jahr gedauert.
Ich wende mich wieder der Frau zu. "Muss ich noch irgendwas unterschreiben?" Sie löst ihren Blick von Buddy und nickt, ehe sie mir die Unterlagen überreicht. "Somit sind Sie nun die Besitzerin von Buddy. Falls sie Fragen zu der Ausbildung haben, können sie uns jederzeit Besuchen kommen oder auch anrufen." "Alles klar. Vielen Dank." verabschiede ich mich und gehe mit Buddy zu meinem Auto. Buddy ist ganz aufgeregt, dass ich ihn endlich mitnehmen kann. Bisher haben wir immer nur hier auf dem Gelände und im angrenzenden Wald trainiert. Ich öffne die Tür zur Rückbank und Buddy schaut mich fragend an. Ach ja. "Na los." sage ich das Kommando und mache das dazugehörige Zeichen. Irgendwann wird nur noch das Zeichen reichen. Buddy springt rein und macht es sich sofort gemütlich. Ich streichle ihm nochmal über den Kopf, ehe ich die Tür schließe und nochmal kurz den Anhänger überprüfe. Da ich nichts feststellen kann, steige ich ein und fahre los nach Chefield.

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Nach mehreren Pausen, komme ich endlich an der Adresse an, wo mein Haus stehen soll. Sprachlos steige ich aus und suche die Fotos von dem Haus raus. Ich halte sie vor dem Haus und vergleiche sie. Ja, das ist dasselbe Haus, nur das auf den Fotos der Leuchtturm, der auf der rechten Seite ans Haus anschließt nicht zu sehen ist. Geschickt enden die Fotos immer an der Stelle. Ich lasse Buddy hinaus, welcher sich sofort an meine Seite stellt. Gemeinsam schauen wir zum Haus und Leuchtturm. Chefield liegt an der Küste, umgeben von Wäldern. Eigentlich sehr schön. Durch die Stadt bin ich noch nicht gefahren, da das Haus etwas außerhalb liegt. "Sie müssen Ms. McCarthy sein oder?" Ich werde von Buddy angestupst. Ich schaue zu ihm und folge seinem Blick. Dort steht ein etwas älterer Mann. "Entschuldigen Sie, haben sie etwas gesagt?" frage ich lieber nach. "Ja, ich habe gefragt, ob sie Ms. McCarthy sind?" "Ja, die bin ich. Mein Name ist Katarina McCarthy." "Schön, mein Name ist James, ich sollte ihnen die Schlüssel übergeben und sie in die Funktionsweise des Leuchtturms einweisen." "Das ist ein funktionierender Leuchtturm?" "Ja aber natürlich. Er muss jede Nacht an sein, ansonsten haben wir am nächsten Tag ein paar Schiffe am Strand liegen. Ist auch für unsere Fischer überlebenswichtig, damit sie falls sie die Orientierung verlieren, trotzdem nach Hause finden." "Aber warum stand in der Beschreibung nicht, dass das Haus einen Leuchtturm hat?" "Der Leuchtturm schreckt viele ab. Und die, die ihn dann doch noch kaufen, verkaufen ihn nach ein paar Tagen wieder, da er ihnen zu laut ist. Was glauben sie, warum das Haus und Grundstück so günstig ist?" Ich breche in Lachen aus. Verwirrt schaut mich James an. "Der Krach wird mich nicht stören." Fragend schaut mich James an. Erklärend sage ich "Ich bin taub." Dies bringt auch James zum Lachen. „NA DANN WIRD ES SIE WIRKLICH NICHT STÖREN." ruft er mir laut zu. „Ja, aber sie müssen nicht schreien. Ich kann sie trotzdem nicht hören." Verwirrt schaut mich James an „Und wie können sie dann mit mir reden und woher wussten Sie, dass ich geschrien habe?" Schmunzelnd gebe ich ihm die Antwort. „Ich lese Lippen. Beim Schreien bewegen sie ihre Lippen anders." Verstehend nickt James. „Ich bin übrigens Katarina." Freudig nimmt James meine Hand in seine und schüttelt sie. „Freut mich. Ich wohne dort und bin ihr Nachbar und hatte mich solange um das Haus und den Leuchtturm gekümmert. Sollte es irgendwann Probleme mit dem Leuchtturm geben, scheu dich nicht davor, zu mir zu kommen." Ich nicke. Zusammen gehen wir aufs Haus zu. Drinnen sehe ich, dass die Möbelpacker alle wichtigen Möbel schon aufgebaut haben. Ich muss sie nur noch so verschieben wie ich es will und meine letzten Sachen einräumen. James führt mich durch eine kleine Tür in den Leuchtturm. Über eine Wendeltreppe gelangen wir nach oben. Es müssen ungefähr drei Etagen sein, da das Haus nur zwei hat und der Leuchtturm etwas größer ist.

„Die Aussicht ist fantastisch." Ich schaue mich sprachlos um. Links erkenne ich in der Senke den Hafen. Viele kleine Boote liegen dort. Direkt am Wasser sind die Häuser eher klein und schmal, dafür aber sehr bunt. Je tiefer man an Land geht, desto moderner werden die Häuser. Direkt hinter mir sehe ich einige Straßen, bevor der Wald anfängt. Vor mir erstreckt sich nach der Klippe das Meer. Da die Sonne gerade untergeht, ist das Meer eher orange. Es sieht fantastisch aus. „Die Aussicht ist wirklich einmalig. Komm ich zeige dir jetzt, wie der Leuchtturm angeht." Eine Berührung an meiner Schulter lässt mich zu James drehen. „Ich rede und vergesse, dass du taub bist." sagt er schmunzelnd. „Macht nichts. Was wolltest du denn?" „Ich zeige dir, wie der Leuchtturm funktioniert." Ich nicke und folge ihm.

Zum Glück ist der Leuchtturm schon elektrisch, auch wenn es noch möglich ist, dass er mit Gas läuft. James hält sich die Ohren zu und zieht mich nach unten. „Die ersten Minuten wenn er wieder an ist, muss er warm laufen, wodurch er dann sehr laut ist. Danach läuft er wesentlich leiser. Trotzdem hat es den meisten den Schlaf geraubt." erklärt mir James. Unten werde ich von Buddy begrüßt, der brav an der Treppe gewartet hat. „Wie heißt ihr Begleiter eigentlich?" „Das ist Buddy, mein Gehörlosenhund und Spürhund." „Hallo Buddy." begrüßt James ihn und streichelt ihm über den Kopf. „Er ist wohl sehr schüchtern oder?" fragt James nach, da Buddy sich nicht bewegt. „Nein, nur in seiner Ausbildung hat er gelernt, dass er nur spielen darf, wenn ich ihm das okay gebe." Verstehend nickt James. „Gut, ich gehe dann mal wieder rüber zu meiner Frau. Wenn sie Hilfe bei was auch immer brauchen, klopfen sie." „Danke James. Einen schönen Abend noch und grüße deine Frau." „Mach ich, sie wird sich bestimmt freuen, wenn du dich morgen vorstellen kommst." „Das werde ich. Tschüss." „Tschüss." Ich sehe, wie er den Arm zum Abschied hebt und winkt. Buddy und ich stehen in meiner neuen Haustür und schauen ihm nach.

Ich kann es nicht fassen. Mein eigenes Haus. Mit Leuchtturm! Darüber muss ich schmunzeln. „Na komm Buddy. Wollen wir so viel wie möglich auspacken, bevor er ganz dunkel wird."

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