Kapitel 2 - Ankommen

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Olivia

„Willkommen in Newcastle Woods." Ich las die Überschrift des Schildes, an dem wir gerade vorbeifuhren. Noch nie gehört, dachte ich mir und gab die Adresse in mein Handy ein. Ein Wald in der Nähe eines Dorfes namens Ballymahon. Ein kleiner Ort, welcher nicht weit vom Laugh Ree entfernt ist. Einen See in der Umgebung zu haben ist eigentlich nie schlecht. Dort wachsen besondere Kräuter, welche man woanders nicht findet. Vielleicht ist unser neues Zuhause doch gar nicht so schlecht wie gedacht. Aber wer weiß wie lange wir dieses Mal hierbleiben. Also will ich mich nicht sofort in eine Euphorie stürzen, welche dann nach wenigen Monaten wieder zerstört wird. Ich hoffe einfach nur, dass ich endlich mal etwas Normalität abbekomme. Andere in meinem Alter studieren, arbeiten oder bereisen die Welt und was mache ich? Nur zuhause rumsitzen, Bücher studieren und mich langweilen. Doch bevor ich weiter über mein bisheriges Leben nachdenken konnte, hielt meine Mutter an einer Tankstelle und stoppte den Wagen. „Brauchst du auch was? Ich muss nur schnell tanken und dann geht es auch schon direkt zu unserem neuen Zuhause." Sie lächelte mich an und stieg aus dem Auto. Ich kurbelte also die Scheibe runter, sah meiner Mutter dabei zu, wie sie das Auto betanke und atmete den Duft des Benzins ein. „Bringst du mir Chocolate Shamrocks mit? Oder Leprechauns?" Meine Mutter schüttelte nur den Kopf und lachte dabei. „Das sind Süßigkeiten für Kinder. Dass du doch immer noch isst." Doch ich zuckte nur mit den Schultern. „Schmecken trotzdem gut." Ich lehnte mich also wieder in dem Sitz zurück und dachte über unser neues Haus nach.

Unsere letzten Eigenheime waren zumeist Holzhütten oder Häuser, welche früher von Jägern bewohnt wurden. Aber meine Mutter hat schon mehrere Andeutungen gemacht und irgendwie kommt da ein Gefühl in mir hoch, welches ich früher mit Heimat verbunden habe. Aber bevor ich das neue Haus sehe, möchte ich mir nicht ausmalen, wie es wohl aussehen könnte, um am Ende nicht enttäuscht zu werden. Also wartete ich darauf, dass meine Mutter wieder in das Auto stieg und wir gemeinsam in die Richtung unseres neuen Heimes fuhren. Früher haben wir gemeinsam in einem großen Haus gewohnt, damals als mein Vater noch lebte. Ich durfte mir immer als erstes ein Zimmer aussuchen und wählte zumeist immer das größte Zimmer mit dem schönsten Ausblick. Mein Vater nahm es mir nie übel, sondern bekräftigte mich immer, für das zu kämpfen, was ich wirklich möchte. Doch je älter ich wurde, desto weniger hatte ich etwas, worum es sich zu kämpfen lohnte. Doch jetzt, als meine Mutter gerade diesen ausgetretenen Weg lang fährt und ich vor uns unser neues Zuhause sehe, habe ich wieder etwas. Denn dieses Haus ist der Wahnsinn. Es steht mitten in einem grünen Wald, so als würde es da gar nicht hingehören. Es hat zwei Etagen und große Fenster, durch welche man bestimmt einen guten Blick nach draußen hat. Auf dem Dach befand sich ein Vorbau, welcher sicher perfekt zum Lesen geeignet ist. Alles in allem ist dieses Haus ein kleiner Traum im Wald. Ein guter Anfang für ein neues Leben, wenn ihr mich fragt.

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„Livi? Bringst du die restlichen Kisten nach oben? Dann kann ich schon mal die Küche einräumen." Ich kam gerade aus dem Haus und nickte ihr nur als Bestätigung zu. Dann wollen wir uns mal ein passendes Zimmer suchen, dachte ich mir und stapelte gleich zwei Kisten übereinander, um sie nach oben zu tragen. Auf dem letzten Treppenabsatz angekommen, sah ich schon den kleinen Gang, welcher drei Türen beherbergte. Hinter der ersten Tür links befand sich das Badezimmer und rechts ein kleines Schlafzimmer samt Bett und Schrank. Also steuerte ich auf die Tür am Ende des Flures zu und öffnete sie. Als ich in den Raum trat, konnte ich meinen Augen nicht glauben. In stand in einem großen Zimmer mit viel Lichteinfall. Die Gaube gegenüber der Tür, welche mit einer Sitzbank ausgestattet war, war der Ideale Platz zum Lesen sowie entspannen und das Fenster dahinter, legte einen wunderbaren Blick auf den Wald frei. Das ist mein neues Zimmer, dachte ich mir und stellte die Kartons auf den Boden, ehe ich erneut nach unten lief, um die restlichen Kisten zu holen. Als ich dann wieder an der Küche vorbeilief, machte ich kurz halt. „Mama? Ist es in Ordnung, wenn ich das Zimmer am Ende des Flures nehme? Mit dem Platz zum Lesen?" Sie schaute hinter den Geschirrbergen hervor und suchte meinen Blick. „Na klar." Ich bedankte mich schnell und lief dann wieder die Treppen nach oben. Nachdem ich dann auch die letzten Kisten und Kartons nach oben gebracht habe, ließ ich mich erschöpft auf das Bett fallen und blickte an die Zimmerdecke.

Ich sollte meine Mutter fragen, ob wir in einen Baumarkt fahren können, um Farben zu holen, denn dieses Zimmer könnte einen neuen Anstrich gebrauchen. Also lief ich wieder die Treppen nach unten und machte mir schon mal einen Plan, in welchen Farben ich mein neues Zimmer streichen möchte. Meine letzten Räume in den anderen Häusern waren sehr schlicht gehalten, doch dieses Prinzip würde diesem hier nicht gerecht werden. Der Boden besteht aus dunklem Holz, genauso wie die Decke, also würden sich helle Farben an den Wänden besser machen. Ein schönes grün oder weiß vielleicht? Und dann mit einer dunkleren Farbe Verzierungen. Blumen oder Pflanzen würden doch passen. Ich musste bei dem Gedanken daran grinsen. „Was bringt dich so zum Grinsen, mein Schatz? Ich hoffe doch, dass es der Gedanke an dein Lieblingsessen ist." Sprach mich meine Mutter an und rührte bereits in dem Topf umher. „Nudeln mit Tomatensoße und Hackfleischklößchen?" Sie drehte sich zu mir um und nickte mir zu. „Der Tag wird immer besser." Rief ich freudig aus und setzte mich an den Tisch, um meiner Mutter Gesellschaft zu leisten. Während das Essen noch köchelte, versuchte ich meine Mutter zu überreden mit mir Morgen in einen Baumarkt oder ähnliches zu gehen, damit ich Utensilien holen kann, um mein neues Zimmer zu gestalten. Und obwohl sie sich nur sehr schwer überzeugen ließ, so konnte ich sie letztendlich doch noch umstimmen.

Nach dem Essen wünschte ich meiner Mutter noch eine Gute Nacht, ehe ich mich in mein neues Zimmer verkroch und anfing die ersten Sachen auszupacken. Je eher ich damit fertig bin, desto früher kann ich mein Zimmer umgestalten und dekorieren, doch bis dahin sollte ich noch die ein oder andere Stunde schlafen. Also suchte ich die Kisten mit der Bettwäsche, bezog mein Bett und legte mich dann schlafen. Morgen wird ein aufregender und zugleich anstrengender Tag, bei dem was ich alles vorhabe.

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Den nächsten Morgen wachte ich relativ früh und voller Tatendrang auf. Also stieg ich aus dem Bett und lief rüber in das Badezimmer, welches mit einer Tür zu meinem Zimmer verbunden war. Dort putzte ich mir die Zähne, machte mir die Haare und ging anschließend zurück, um mich umziehen. Dann lief ich gut gelaunt die Treppen nach unten und setzte mich zu meiner Mutter an den Küchentisch. „Schon wieder so gut gelaunt? Langsam machst du mir Angst." Sie lachte und schob mir eine Tasse mit Kaffee zu. „Vielleicht ist es hier doch gar nicht so schlimm, wie gedacht." Antwortete ich bloß und nippte an dem heißen Getränk. „Können wir dann? Ich habe heute viel vor." Ließ ich meine Mutter wissen und räumte die leeren Tassen in die Spüle, ehe ich das Haus verließ und in ihr Auto stieg.

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„Okay. Wir waren bereits in drei Läden. Jetzt müssen wir nur noch in einen Supermarkt und dann können wir wieder nachhause." Teilte ich meiner Mutter mit und stieg in unser Auto. „Es ist wirklich lange her, dass ich dich das letzte Mal so euphorisch erlebt habe. Verrätst du mir den Grund für deine Motivation?" Ich blickte zu meiner Mutter rüber und dachte über meine Antwort nach. „Versprichst du mir, dass wir hier länger bleiben als sonst?" Sie sah mich mit einem besorgten Blick an, ehe sie wieder auf die Straße sah. „Versprich es mir. Bitte. Oder versuch zumindestens nicht hinter jedem etwas Böses zu sehen." Sie schnalzte mit der Zunge und sah abwechselnd zwischen mir und der Straße hin und her. „Wusstest du, dass es nur eine halbe Stunde von unserem Haus entfernt ein College gibt, an dem man Mikrobiologie studieren kann?" Ich sah sie durch meine Wimpern an und setzte meinen besten Hundeblick auf. Sie stöhnte nur frustriert auf und warf mir einen skeptischen Blick zu. „Das ist es, was du machen möchtest? Mikrobiologie studieren?" Ich nickte euphorisch und sah bereits den Sieg vor meinem inneren Augen. „Na ja. Aufhalten kann ich dich wohl eh nicht mehr, stimmt's?" Ich schüttelte den Kopf. „Immerhin bin ich volljährig." Sie sah mich leicht traurig an und nickte dann. „Das bist du. Das bist du." Und so fuhren wir die restlichen Kilometer zum Supermarkt, um uns die nächsten Wochen einzudecken.

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„Olive? Bist du bald fertig? Das Essen steht bereits auf dem Tisch." Rief meine Mutter bereits das zweite Mal nach mir. Also legte ich widerwillig die Pinsel beiseite und betrachtete mein Werk. Die Wand gegenüber von meiner neuen Leseecke strahlte nun in einem Hellen Grünton genauso wie die Wand, an der mein Bett stand. Die anderen beiden Wände habe ich weiß gestrichen und mit Blättern verziert, welche sich quer über die Wände hangeln. Auf den grünen Wänden habe ich mich an einigen Skizzen meiner Lieblingspflanzen probiert und was soll ich sagen? Ich bin mehr als zufrieden. „Olivia! Ich rufe kein drittes Mal." Ich schüttelte nur den Kopf und klopfte mir den Dreck von den Sachen. „Ist ja gut! Ich komme doch gleich. Aber zuerst musst du dir mein Zimmer ansehen. Dann können wir essen." Ich vernahm Geklapper und ein Seufzen, bis ich Schritte hörte, welche die Treppe hochkamen. „Na endlich." Rief ich aus und stellte mich vor die Tür, um meiner Mutter das Kunstwerk zu präsentieren. Ich öffnete die Tür und ließ sie in das Zimmer kommen. Obwohl die kleine Lampe den Raum nur spärlich beleuchtete, konnte man dennoch genug erkennen. „Jetzt weiß ich, warum du hier länger bleiben möchtest. Noch nie hast du dir so viel Mühe gegeben, dein Zimmer zu dekorieren." Sie nahm mich in den Arm und gab mir einen Kuss auf die Stirn, wie es nur Mütter tun können. „Es sieht fantastisch aus mein Schatz. Aber jetzt müssen wir wirklich etwas essen. Bevor du mir noch vom Fleisch fällst."

Der Hass meiner Gefährtin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt