Kapitel 8 - Fremder

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Xavier

„Ich glaube nicht, dass ich das gerade mache." Ich sprach mit mir selbst, weil ich es nicht fassen konnte, dass ich gerade in meinem Auto saß und vor der Universität stand, die meine Gefährtin besuchte. Doch als Noah das Gebäude verließ, packte mich die Eifersucht, weswegen ich ausstieg und zu ihm lief. Auch er war von meiner Anwesenheit mehr als überrascht, weswegen er mich abseits des Trubels zu einer Bank führte. „Du wirst diese Universität ab morgen nicht mehr besuchen." Berichtete ich ihm und sah mich dabei auf dem Campus um. „Aber .. Alpha, ich .. sie haben doch .. was ist mit Olive?" Ich musste mich zurück halten nicht zu knurren. „Wie hast du sie gerade genannt?" Brachte ich durch zusammengebissene Zähne heraus. „Du wirst genau das tun, was ich gerade gesagt habe. Sie ist meine Gefährtin und deswegen nehme ICH das ab jetzt in die Hand." Er sah mich immer noch ungläubig an und wollte wieder anfangen etwas zu sagen. „Ich bin ihr einziger Freund hier, sie hat sonst niemanden." Ich sah ihn mit meinen Wolfsaugen an, was ihn sofort winseln ließ. „Und wenn du ihr einziger Verwandter wärst! Du tust genau das, was ich dir gesagt habe! Verstanden?" Ich sprach durch zusammengebissene Zähne, ehe ich aufstand und zurück zum Auto lief, während mein Omega immer noch auf der Bank saß. „Kommst du jetzt? Oder willst du zurück laufen." Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, gehorchte er und folgte mir. So habe ich meine Rudelmitglieder am liebsten, dachte ich mir. Willig und gehorchend. Ich stieg also in mein Auto ein und wartete auf Noah, welcher kurz nach mir einstieg und sich anschnallte, ehe wir zurück Richtung Rudel fuhren.

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Als ich vor ein paar Tagen mit meinem Bruder gesprochen hatte, haben wir uns einen Plan ausgedacht, wie ich sie wohl dazu bringen könnte, mich zu mögen. Den ersten Teil davon, hatte ich gerade erledigt. Auch wenn Xander davon nicht begeistert war, da Noah beteuerte, sich ihr nicht zu nähern und die einzige Bezugsperson von ihr zu sein. Mir ging das jedoch gewaltig gegen den Strich, obwohl ich selbst schuld an dieser Misere war. Aber ein Alpha muss eben Entscheidungen treffen und meine war, dass ich Noahs Platz einnehme. Vielleicht nicht wortwörtlich, denn anscheinend saßen die beiden immer nebeneinander, was meinen Wolf wieder knurren ließ. Aber ich werde mich in ihre Vorlesungen setzen, sie beobachten und ihr näher kommen. So zu mindestens der Plan.

Olivia

Langsam machte ich mir wirkliche Sorgen. Noah war bereits den zweiten Tag nicht aufgekreuzt. Ich hatte ihm zwar schon mehrfach geschrieben und auch versucht anzurufen aber nie eine Antwort erhalten. Wollte er plötzlich nichts mehr mit mir zu tun haben? Dabei lief es die letzte Woche doch so gut. Wir haben beinahe alles zusammen gemacht und hatten auch eine Menge Spaß dabei, dachte ich zu mindestens. In mir kamen langsam Selbstzweifel hoch, welche ich nur schwer unterdrücken konnte. Habe ich etwas falsch gemacht? Etwas falsches gesagt, was ihn verletzt hatte? Was war der Grund für sein Abwesenheit oder sogar sein plötzliches Verschwinden? Ich konnte es mir nicht zusammenreimen. Vielleicht wurde er ja entführt? Oh Gott, bitte nicht. Aber wie hoch wäre die Wahrscheinlichkeit? Nicht sehr hoch, vermute ich mal. Und außerdem, wer hätte schon Interesse an einem Mikrobiologie-Studenten Anfang zwanzig. Es kam mir auch nicht so vor, dass er aus einer sehr reichen Familie stammt, was ebenfalls dagegen spricht, dass er entführt wurde. Dafür war er zu bodenständig, meines Erachtens nach. Doch gerade als ich weiter über das Verschwinden von Noah nachdenken wollte, riss mich die Stimme unseres Professors aus den Gedanken.

„So meine Herrschaften, wie bereits gestern besprochen heute ein kleine Abfrage, zu den behandelten Themen der letzten Wochen." Verdammt! Das hatte ich ganz vergessen unter dem Trubel. Auch wenn Noah mir in dieser kurzen Zeit sehr wichtig geworden ist, so muss ich mich jetzt auf die Zwischenprüfung konzentrieren, die heute beziehungsweise jetzt ansteht. Also versuchte ich den Gedanken an Noah beiseitezuschieben und mich stattdessen auf diese Überprüfung zu konzentrieren. Ich meine, früher musste ich mir nie Gedanken darüber machen, wie es anderen geht. Immerhin hatte ich kaum bis keine Kontakte in der echten Welt. Also sollte mir das doch gar nicht so schwerfallen, oder? Ich legte mir also schreibfähige Stifte zur Seite, ging die Inhalte der letzten Wochen durch und fokussierte mich auf das wirklich Wichtige. Diese Zwischenprüfung so gut wie es geht hinter mich zu bringen. Doch gerade als ich mit dem Schreiben beginnen wollte, ging die Tür des Hörsaals auf. „Ach! Schön, dass sie uns mit ihrer Anwesenheit beehren, Mr. O' Brian. Wenn sie sich dann also setzen würden. Der Test hat bereits angefangen." Als ich seinen Namen hörte, fiel mir ein Stein vom Herzen und ich drehte mich automatisch lächelnd zu ihm um. Doch anstatt sich neben mich zu setzten, so wie immer, nahm er eine Reihe vor mir Platz.

Ich runzelte die Stirn und setzte mich in seine Nähe, um ihn zur Rede zu stellen. „Pssst. Noah. Wo warst du?" Doch er antwortete nicht und schrieb die Antworten der Fragen auf sein Blatt. Also tat ich es ihm gleich und löste innerhalb von zehn Minuten alle Aufgaben und beantwortete die Fragen. Danach versuchte ich es erneut und startete einen weitere  Versuch. „Ist alles in Ordnung bei dir? Warum hast du dich nicht gemeldet?" Sprach ich ihn wieder an, doch im Gegensatz zum ersten Versuch, antwortete er diesmal. „Hast du nichts zu tun?" Ich schnaufte verächtlich. „Ich bin schon fertig." Gab ich dann bissig von mir und brachte die beschriebenen Blätter nach vorne, um sie abzugeben, ehe ich mich zurücksetzte. „Also, sagst du mir jetzt endlich was los ist?" Ich versuchte so unauffällig wie möglich zu sein und tat so, als würde ich etwas zeichnen. Auch er grummelte vor sich hin und kritzelte auf seinem Blatt herum. „Wir können uns nicht mehr sehen." Mehr sagte er nicht. Wären wir nicht gerade dabei, so einen blöden Test zu schreiben, wäre ich über diesen verdammten Tisch gesprungen und hätte ihn mal ordentlich durchgeschüttelt! Was denkt er sich eigentlich! Lässt nicht locker und tut einen auf Freund und dann? Lässt er mich fallen! „Soll das ein schlechter Scherz sein?" Ich schüttelte den Kopf und berührte seine Schulter, doch er zuckte weg und sah mich warnend an.

„Fass mich nie wieder an!" Ich zuckte zusammen, während er sich wieder umdrehte und zu sammeln schien. „Von jetzt an, gehen wir getrennte Wege. Verstanden?" Ich musste mich zusammenreißen nicht anfangen zu weinen, weil mich seine Worte so sehr verletzten. Da ich seine Anwesenheit jedoch nicht weiter ertragen konnte, stand ich einfach auf und ging. Nachdem ich dann also die Türen des Hörsaals passiert hatte, liefen mir die Tränen schon die Wangen runter und ich fing an zu schluchzten. Dabei war ich so sehr mit mir selbst beschäftigt, dass ich gar nicht mitbekam, wie ich in einen anderen Mann hereinlief. Ich wischte mir also schnell die Tränen weg, entschuldigte mich und rannte dann weiter in Richtung Toiletten. In der Hoffnung, mich dort zu beruhigen.

Nachdem ich mich einigermaßen wieder zurecht gemacht hatte, stieß ich die Toilettentür auf und ging die Gänge der Universität in Richtung Ausgang entlang. Dort lief ich an den großen Bäumen vorbei, als ich zwei sich streitende Männer sah. „Was habe ich dir gesagt?" Ich versuchte die beiden zu erkennen, doch der eine stand mit dem Rücken zu mir und verdeckte den anderen, da er wesentlich größer gebaut war. „Es tut mir ja leid." Doch als ich diesen Satz hörte, wurde mir bewusst, dass einer von den beiden Noah war. Ich schlich mich also noch näher heran, um besser lauschen zu können. „Ich habe dir gesagt, du wirst sie nie wieder sehen! Und was tust du? Abhauen und dich zu ihr setzen!" Ich verstand nicht wirklich worum es ging, dennoch war ich zu neugierig, um einfach zu gehen. „Ich habe mich doch schon entschuldigt! Und außerdem hat sie eine Erklärung verdient." Von wem reden sie da? Doch nicht etwa von mir, oder? Hat Noah noch andere Kurse, von denen ich nichts weiß? „Das ist meine letzte Warnung!" Der größere Typ packte ihn an der Schulter, was Noah aufzischen ließ. „Du wirst dich von jetzt an, von ihr fernhalten! Haben wir uns da verstanden?" Noah mied den Blick seines Gegenübers und nickte nur. Doch das schien den anderen nicht zufrieden zu stellen.

„Wie bitte? Ich habe dich nicht verstanden!" Der Mann knurrte ihn jetzt an, was mich ein wenig in Deckung gingen ließ. „Ja, Alpha." Entgegnete jetzt Noah, der seine Schulter rieb, nachdem der Typ ihn losgelassen hatte. Warte kurz. Wie hatte Noah den Mann gerade genannt? Alpha? Nein, das kann nicht sein. Nur Werwölfe nennen ihren .. Anführer so. Doch plötzlich baute sich das ganze Puzzle in meinem Kopf zusammen. Noah war ein Werwolf, genauso wie der Wolf im Wald und genauso wie der Typ, der ihm immer noch gegenübersteht. Aber warum nannte er ihn Alpha? Ist das der Anführer? Des Rudels im Wald? Oder gibt es hier noch andere? Aber wenn Noah ihn Alpha nennt, welchen Rang hat dann Noah? Er sieht gar nicht aus wie ein .. richtiger Werwolf und schon kam mir der nächste Gedanke. Er war der Omega. Noah war der Omega des Rudels oder ist es. Deswegen ist er weniger muskulös und so schmal. Aber .. ich verstehe das alles nicht. Warum sollte sich Noah mit mir anfreunden? Und warum waren hier keine anderen Werwölfe, die er kannte? Wurde er vielleicht doch? Nein, das kann nicht sein. Aber warum hat er mich erst nach der Begegnung im Wald ..? Hat der Wolf und Noah, sind sie .. in einem Rudel? Ich konnte gar nicht klar denken und machte auf dem Absatz kehrt, um einen Bus nachhause zu nehmen und mir dort über alles klar zu werden.

Der Hass meiner Gefährtin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt